18.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 234 / Zusatzpunkt 5

Joachim PoßSPD - Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Ulrich, Ihr Freund in Frankreich, Mélenchon, steht für Europafeindlichkeit und wirklich untaugliche Wirtschafts- und Finanzvorschläge.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Wo stehen denn Ihre Freunde?)

Eine Partei wie die Ihrige, die bis heute ihr Verhältnis zu Europa und insbesondere zum Euro nicht geklärt hat, sollte die Backen nicht so aufblasen, wie Sie das getan haben. Sie haben das Recht dazu verspielt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Stefan Liebich [DIE LINKE]: Wo sind denn die Sozialisten geblieben in Frankreich?)

Die zunehmende Bedrohung von Rechtsstaat, Demokratie, Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit der Justiz in Ländern außerhalb und leider auch innerhalb Europas – Ungarn ist ein Beispiel dafür; soviel ich weiß, ist ja Herr Friedrich ein Freund Orbans; vielleicht können Sie einmal Ihren Einfluss geltend machen, damit der Zug dort in eine andere Richtung fährt –

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

stellt für uns eine Herausforderung dar. Die Bedeutung der Wahl Macrons zum französischen Präsidenten sollte zum jetzigen Zeitpunkt, also vor den Parlamentswahlen, nicht überschätzt werden. Gleichwohl hat Macron den Zögerlichen und Zweifelnden im konservativen Teil der Bundesregierung und der Koalition – wir haben ja Herrn Friedrich vorhin gehört – vor Augen geführt, dass auch mit einem positiven Europabild Wahlen gewonnen werden können. Man sollte also Europa nicht zum Sündenbock für Fehlentwicklungen machen, die meistens im eigenen Land verursacht werden, übrigens nicht nur in Deutschland, sondern zum Beispiel auch in Italien und Frankreich, um das klarzustellen. Aber einen Missbrauch des Europabildes in Wahlkämpfen gibt es auch in Deutschland. Das haben wir in den letzten Tagen und Wochen zum Beispiel in Beiträgen der CDU/CSU oder der FDP nachlesen können. Deshalb ist es gut, dass Frau Merkel nach dem Gespräch mit Macron hier in Berlin eine größere Bereitschaft als bisher gezeigt hat, konkrete Schritte zur Stabilisierung der Euro-Zone ins Auge zu fassen. Das ist aus ökonomischen wie aus politischen Gründen unumgänglich für die weitere Perspektive Europas.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich die kritischen Stimmen aus CDU/CSU zur Wahl Macrons – Herr Spahn gehört dazu – anschaut oder die Frage „Was kostet uns Macron?“ in einer Zeitung liest, dann kann man nur fassungslos werden. Herr Spahn, die entscheidende Frage lautet doch eher: Was hätten uns Le Pen und der daraus möglicherweise folgende Zusammenbruch der Euro-Zone gekostet – in ganz Europa und hier in Deutschland?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie viele Hunderttausende Arbeitsplätze wären dann in Deutschland wohl in Gefahr gewesen? Das gilt insbesondere nach Trump, Protektionismus, Brexit und der anhaltenden Diskussion über das Euro-Ende in Italien und anderen Ländern. Wir als Deutsche gehören nun einmal zu den Gewinnern der bisherigen europäischen Entwicklung. Daraus erwächst aber Verantwortung. Diese nehmen wir derzeit in Europa nicht ausreichend wahr. Deswegen müssen wir nachlegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wer regiert denn?)

Ich wünsche der Bundeskanzlerin mit Blick auf ihre eigene Bundestagsfraktion Überzeugungskraft. Auch Herr Schäuble ist hier besonders gefordert. Es liegt im Interesse nicht nur der europäischen Südstaaten, sondern auch Deutschlands, nun zu einer stärkeren politischen Einbettung der Währungsunion zu kommen. Macron und Gabriel haben dazu bereits 2015 Vorschläge entwickelt. Wir brauchen einen eigenen Euro-Haushalt, der Zukunftsinvestitionen ermöglicht, parlamentarisch kontrolliert ist und durch einen Euro-Minister verantwortet wird. Das bedeutet auch: Wir brauchen eine Wirtschafts- und Sozialunion, die kein Steuerdumping mehr zulässt und auch soziale Mindeststandards festlegt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir werden die Menschen hier in Deutschland und in anderen europäischen Ländern vom Wert unserer demokratischen Errungenschaften nur überzeugen, wenn sie das Gefühl haben, dass wir uns aktiv mit den Schattenseiten von Globalisierung und Digitalisierung auseinandersetzen. Wachsende Ungleichheit ist bekanntlich nicht nur ein soziales, sondern zunehmend auch ein wirtschaftliches Problem. Deshalb: Wenn der Kern unserer gemeinsamen politischen Überzeugung ist, dass das auch in Jahren und Jahrzehnten Bestand haben soll, dann müssen wir jetzt handeln. Wir alle in diesem Parlament sind in der Verantwortung. Aber vor allen Dingen brauchen wir proeuropäische, demokratische und mutige Regierungschefs; auch Chefinnen können dabei sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Kollegin Ursula Groden-Kranich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7110947
Wahlperiode 18
Sitzung 234
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik
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