18.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 234 / Zusatzpunkt 5

Christian PetrySPD - Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es Absicht von Manuel Sarrazin war, dass er sich auf der Rednerliste hinter mich hat setzen lassen. Wir haben jetzt die Rednerreihenfolge Petry/Sarrazin; wir sind beide pro Europa. Man sieht, dass Vornamen durchaus eine Bedeutung haben.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Der war gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben mit der Wahl von Emmanuel Macron eine große Chance, was die Weiterentwicklung Europas angeht. Was haben wir nicht schon alles gehört: Auf der einen Seite war vom neoliberalen Banker die Rede; auf der anderen Seite war zu hören, er sei zu sozial, zu sozialistisch. Es gab die ganze Bandbreite. Nein, ich glaube, es ist eine große Chance; denn Europa braucht das, was gefordert wird: Beschäftigung und Wachstum, Abbau der Jugendarbeitslosigkeit. Wir brauchen Unterstützung in Europa. Die SPD hat dazu ein Papier erarbeitet, in dem tatsächlich alles drinsteht. Axel, wir lassen es dir noch einmal zukommen. Lies es bitte durch. Wenn du es durchgelesen hättest, hättest du hier nicht eine solche Rede gehalten. Das alles ist nämlich Ziel unserer Politik.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen seit Jahren, dass es Konstruktionsmängel in der Europäischen Union, in der Wirtschafts- und Währungsunion gibt. Wir haben es hier schon öfter betont, aber ich spreche es nochmals an: Der Währungsverband funktioniert nicht ohne eine abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik.

(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: So ist es!)

Das ist das Problem, und das müssen wir angehen. Es gibt seit vielen Jahren Vorhaben auf Ebene der Euro-Staaten, die Architektur unseres europäischen Währungsraumes zu stärken. Aber hier gibt es Bremser und Verweigerer, die die Reformen nicht wollen. Dem einen oder anderen fehlt es vielleicht auch an politischem Mut oder politischer Einsicht. Beides müssen wir ändern, um Europa zu modernisieren.

Die nun von Macron vorgelegten Ideen, die er 2015 zusammen mit dem damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel formuliert hatte, sind tatsächlich wegweisend und progressiv. Kern der Forderung ist die Ausgestaltung der Euro-Zone mit einem eigenen Haushalt. Das hat, wie wir im Europaausschuss gehört haben, auch bereits Herr Oettinger gefordert. Er ist also schon ein bisschen weiter als Sie, Herr Friedrich; denn auch er fordert eine Eigenmittelausstattung. Ich habe mit Freude vernommen, dass es Bewegung in dieser Diskussion gibt. Auch die Kanzlerin und Herr Schäuble haben dies ins Auge gefasst.

Herr Staatssekretär Spahn, die Erfindung der Nachricht zu den Euro-Bonds ging nach hinten los. Dafür hat Sie die FAZ schon kritisiert. Das sollten wir nicht machen; denn das belastet doch unser Verhältnis. Man sollte auf das rekurrieren, was tatsächlich gemacht wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Fuchs hat Sie dabei noch unterstützt; das war nicht besonders glorreich.

Ein Etat für die Euro-Zone ist ins Spiel gebracht worden, und Herr Schäuble kann sich sogar vorstellen, dass es einen Finanzminister der Euro-Zone gibt. Es besteht die Chance, dass wir eine Angleichung sozialer Standards nach oben hinbekommen, dass wir Beschäftigung und Wachstum steigern, dass wir die Jugendarbeitslosigkeit senken und dass wir ein gerechtes und angeglichenes Besteuerungssystem schaffen. Das gilt auch im Hinblick auf legale Steuervermeidungsstrategien. Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass die Einnahmen wieder unserem Staate zugutekommen. Auch hier gibt es eine große Chance, die wir gemeinsam mit Macron nutzen sollten. In diesem Sinne werden wir die Reformen in Europa vorantreiben müssen.

Manchmal ist der Fortschritt, wie wir wissen, eine Schnecke. Ich habe bei den Konservativen gelegentlich das Gefühl, dass sie bei Reformen, selbst wenn sie im Schneckentempo durchgeführt werden, hinterherhinken. Ihnen da zu helfen, ist aber nicht unsere Aufgabe. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, machen Sie in diesem Sinne mit! Ziel muss es sein, mehr Integration und eine engere Abstimmung in der Wirtschafts- und Investitionspolitik herbeizuführen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Philipp Murmann [CDU/CSU]: Von den Bürgern im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wird das aber anders gesehen!)

– Herr Kollege Murmann, es ist schön, dass Sie sich auf die Wahlen kaprizieren. Das ist auch in Ordnung. Ihrer Freude ist nichts entgegenzusetzen, und auch unserer Enttäuschung ist nichts entgegenzusetzen. Letztlich geht es hier aber um das Ziel, Europa weiterzuentwickeln, und um die Chance, die wir haben, da der französische Präsident als Proeuropäer gewählt worden ist. Diese Chance müssen wir nutzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)

Ich appelliere an uns alle: Lassen Sie uns gemeinsam mit unseren französischen Freunden eine deutsch-französische Initiative für die Zukunft der Euro-Zone auf den Weg bringen!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das große Friedensprojekt Europa, das große Freiheitsprojekt Europa, das große Sozialprojekt Europa müssen wir in die Herzen der Menschen zurückbringen. Dabei haben wir mit Präsident Emmanuel Macron einen Partner an unserer Seite. Diese Chance sollten wir nutzen. Bonne chance, Monsieur le Président!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Très bien!)

Das Wort hat der Kollege Manuel Sarrazin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7110951
Wahlperiode 18
Sitzung 234
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik
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