18.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 234 / Zusatzpunkt 5

Bernd WestphalSPD - Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle sind erleichtert über den Ausgang der Wahl unserer Freundinnen und Freunde in Frankreich. Den Rechtspopulisten ist es nicht gelungen, unser freiheitliches solidarisches Europa mit unseren Werten zu zerstören. Dennoch sind mit den Wahlen vom 7. Mai die Zweifler, Enttäuschten und vermeintlich Abgehängten nicht verschwunden. Viele Menschen werden das Gefühl haben, dass sie in der Politik von Trump, Le Pen, Wilders und Co besser aufgehoben sind. Die Menschen werden sich nicht von selbst von Protektionismus und Populismus abwenden. Ohne eine Politik des sozialen Ausgleichs, ohne soziale Programme, ohne bessere Bildung und Jobs werden wir das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft und eine faire globale Weltwirtschaft nicht zurückgewinnen.

Frankreich befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Geringes Wirtschaftswachstum, ein steigendes Haushaltsdefizit und anhaltend hohe Arbeitslosigkeit haben bei vielen Menschen nicht nur Zweifel an der amtierenden Regierung ausgelöst, sondern das Vertrauen in die Demokratie insgesamt geschwächt.

Eine EU ohne Frankreich – das wäre für Deutschland politisch, aber auch wirtschaftlich eine Katastrophe. Frankreich ist unser wichtigster Handelspartner, und wirtschaftliche Kooperation ist mit Wachstum und Wohlstand in beiden Ländern verbunden.

Wenn der bayerische Finanzminister sofort allen französischen Vorschlägen zur Reform der europäischen Finanzpolitik eine Absage erteilt, dann ist das nicht nur politisch kleinkariert, sondern auch wirtschaftlich unsinnig.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE] und Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Fast schon skurrile Züge nimmt das Ganze an, wenn sogar Vorschläge abgelehnt werden, die gar nicht auf dem Tisch lagen.

(Joachim Poß [SPD]: Die gar keiner gemacht hat!)

Ich denke hier an Euro-Bonds, die Emmanuel Macron in seinem gesamten Wahlkampf zu keinem Zeitpunkt angesprochen hat.

Wir sind jetzt als wirtschaftlich starkes Land in Europa zum Handeln aufgefordert. Wir können und müssen jetzt mit dem neuen französischen Präsidenten mehr tun. Die alten Belehrungen aus den europäischen Spardebatten sind hier sicherlich nicht hilfreich.

Jacques Delors hat einmal gesagt: „Niemand verliebt sich in einen Binnenmarkt.“ Insofern brauchen wir eine sozialpolitische Säule für Europa. Das ist jetzt notwendig: gemeinsames Handeln und gemeinsame Politik.

(Beifall bei der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Übertragt ihr die Kompetenzen?)

Sicherlich müssen wir nicht allem zustimmen, was der französische Präsident zur Diskussion stellt. Er weiß selbst, dass er Vertrauen zurückgewinnen und vereinbarte Defizitziele einhalten muss. Und er weiß selbst, dass er die Reformen in Frankreich nicht mit dem Geld der deutschen Steuerzahler bewältigen kann. Aber klar ist doch: Die EU braucht dringend Reformen. Wenn dazu vernünftige Konzepte vorgelegt werden, sollten wir uns ernsthaft damit auseinandersetzen.

Ein Euro-Zonen-Budget für mehr Investitionen in soziale Mindeststandards in der EU, wie es Emmanuel Macron vorgeschlagen hat, ist ein Ziel, über das es sich nachzudenken lohnt. Bei solch einem Euro-Zonen-Budget gäbe es sicherlich die Perspektive, es durchzusetzen – vor allem dann, wenn wir dem europäischen Projekt wieder Schwung verleihen wollen. Der Vorschlag eines europäischen Finanzministers mit einem eigenen Budget eröffnet die längst fällige Debatte über die Reform der Euro-Zone.

Natürlich wissen wir: Emmanuel Macron wird nicht immer ein leichter Partner für Deutschland sein. Das war auch in den besten Tagen der deutsch-französischen Beziehungen nicht anders. Aber wir müssen jetzt ein Zeichen setzen und die Kritik aus Frankreich ernst nehmen. Wenn es etwa um Risikokapital oder um den Ausbau unserer digitalen Infrastruktur geht, haben wir in unserem Land erheblichen Nachholbedarf. Auch mit den Forderungen Macrons, den deutschen Leistungsbilanzüberschuss etwa durch höhere Löhne oder Investitionen in unserem Land abzubauen, müssen wir uns ernsthaft auseinandersetzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das wird aber auch Zeit!)

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit unseren französischen Freunden gemeinsame Lösungen für eine gemeinsame Zukunft finden und dementsprechend eine wirtschaftlich und politisch starke EU bauen werden. Insofern liegt es in unserem eigenen Interesse, dass Emmanuel Macron als französischer Präsident erfolgreich ist. Inklusives Wachstum mit sozialer Gerechtigkeit ist die Basis für wirtschaftlichen Erfolg.

Eine enge Zusammenarbeit mit Präsident Macron ist nach dem Brexit eine große Chance für Europa. Scheiterte Macron, gäbe es für Deutschland nach den nächsten Wahlen in Frankreich im Jahr 2022 niemanden mehr, mit dem wir mit erhobenem Zeigefinger belehren könnten. Insofern freuen wir uns auf die gute Zusammenarbeit mit den Franzosen und ihrem neuen Präsidenten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Volkmar Klein für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7110960
Wahlperiode 18
Sitzung 234
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik
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