Alexander RadwanCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass für diese Aktuelle Stunde ist der Besuch des Präsidenten Frankreichs bei unserer Kanzlerin in Berlin. Dieser Besuch ist ein eindeutiges Zeichen Macrons, dass er den Schulterschluss mit Deutschland sucht und wo er die Zukunft Europas sieht: bei Deutschland und bei der Kanzlerin Merkel.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und er war nicht in München!)
– Er wird schon noch kommen. Keine Angst!
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn das Ihr Hauptproblem ist; das werden wir lösen können.
Nach den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden gab es ein Durchatmen. Man war froh, dass Le Pen und Wilders nicht erfolgreich waren. In diesem Jahr werden wir voraussichtlich auch noch Wahlen in Österreich haben, und dann werden wir auf die FPÖ schauen. Alle sagen: Es ist wichtig, dass es kein Weiter-so mit der nationalistischen Bewegung gibt. Das ist richtig; aber wir müssen uns genau anschauen, wie es zu dieser Bewegung kam. Sicherlich sind die Gründe für das Wählerverhalten in Frankreich andere als die für das Wählerverhalten bei der Abstimmung über den Brexit in Großbritannien. Die Vorschläge, die ich heute gehört habe, hätten nicht dazu geführt, dass die Briten in der Europäischen Union geblieben wären.
An dieser Stelle möchte ich betonen: Ich bin froh, dass wir diese Kanzlerin haben; denn wir müssen beim Brexit in der Sache konsequent mit den Briten verhandeln. Aber die Reaktionen auf den Brexit gefielen mir nicht. Mir gefiel nicht, wie man mit dem britischen Volk umgegangen ist. Dieses Beleidigtsein nach dem Motto: „Ihr habt Europa nicht verstanden, sonst hättet ihr anders abgestimmt“, ist der falsche Weg. Wir müssen das, was die Völker bewegt, ernst nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es gibt den klassischen Reflex: Um Europa zu retten, müssen wir es vertiefen. Wir brauchen mehr Europa, und wir brauchen mehr Geld in Europa; dann wird das schon hinhauen.
Erstens. Positiv ist, dass Macron erklärt hat – darüber wurde heute viel zu wenig gesprochen –, dass Frankreich zunächst einmal seine Hausaufgaben machen muss. Er hat sein Kabinett vorgestellt. Angesichts einiger Kabinettsmitglieder bin ich hoffnungsfroh, dass sie die Reformen angehen werden. Dort will man eine Agenda 2010 angehen, während einige in Deutschland sie abschaffen wollen. Da bin ich bei Macron: Wir brauchen die Agenda 2010.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, das Verhalten der Linken finde ich hochgradig heuchlerisch. Es ist ja nicht nur so, dass die Linke Macron nicht unterstützt hat. Macron geht mit diesem Programm jetzt in eine nationale Wahl, und er braucht Mehrheiten, um die Reformen umsetzen zu können. Ich habe heute viele Wortbeiträge gehört, in denen durchklang, dass es einem am liebsten wäre, wenn er bei der nationalen Wahl scheitern würde. Und dann über Le Pen zu lamentieren, ist unmöglich.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Herr Kollege Troost, Macron muss in Frankreich erfolgreich sein – das haben Sie selbst besagt –; denn sonst kommt Le Pen wieder. Also unterstützen Sie ihn und sein Vorhaben, und tun Sie nicht so, als wenn es das Beste wäre, wenn er scheitert.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Dann haben Sie nicht richtig zugehört!)
Dann würden Sie sich wieder hierhinstellen und sagen: Um Gottes willen, jetzt kommt Le Pen. – Macron hat das Richtige auf den Tisch gelegt. Wir sollten ihn von deutscher Seite unterstützen und nicht bereits vor den Wahlen bekämpfen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie geben denjenigen Rückenwind, die gegen Macron arbeiten.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Gut, dass Sie keine Zwischenmeldung zulassen!)
– Ich würde vor Furcht erstarren.
Zweitens. Hier ist völlig untergegangen, dass Wolfgang Schäuble bereits mehrmals erklärt hat, dass von europäischer Seite nationale Anstrengungen unterstützt werden. Wolfgang Schäuble steht dafür ein, dass diejenigen, die Reformen durchführen, mit der Solidarität Europas rechnen können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das stimmt so nicht!)
Drittens. Wenn wir über Strukturveränderungen der EU reden, sollten wir uns das anschauen, was realistisch ist. Ein europäischer Finanzminister wäre für manche schön, ist aber Träumerei. Ein europäischer Haushalt? Ich wäre ja schon froh gewesen, wenn sich Rot-Grün an die europäischen Regeln gehalten und nicht den Stabilitäts- und Wachstumspakt gebrochen hätte und durchgesetzt hätte, dass er keine Anwendung findet.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Historische Vergleiche!)
Den Weg, den Wolfgang Schäuble hinsichtlich der Reformen im ESM geht, halte ich für richtig. Ich halte es für richtig, dass der ESM zukünftig verstärkt darauf schauen soll, dass die europäischen Regeln eingehalten werden und die politische Unabhängigkeit in Europa wieder verstärkt Einzug hält; denn hier gab es zuletzt Fehlentwicklungen.
Ich halte die deutsch-französische Freundschaft gerade in der jetzigen Phase, in der die Interessen in Europa so unterschiedlich verteilt sind, für wichtig. Wir haben auf der einen Seite Italien, Griechenland und Portugal und auf der anderen Seite die baltischen Staaten und die Finnen, die diesen Weg mitgehen müssen. Das müssen wir zusammenführen.
Lassen Sie mich eines sagen: Wir müssen Nationalismus und antieuropäische Strömungen nicht nur in einem Staat bekämpfen, sondern in allen Staaten. Daher kann man nicht eine Politik machen, die Proeuropäern den Rückenwind nimmt; denn damit bewirkt man gleichzeitig erheblichen Rückenwind für Antieuropäer. Ihre Vorschläge sind völlig ungeeignet. Sie würden den Nationalismus in anderen Staaten in Europa massiv vorantreiben.
Besten Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7110965 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik |