18.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 234 / Tagesordnungspunkt 11

Siegmund EhrmannSPD - Kulturförderung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin, das werde ich mir vielleicht nach der Rede noch überlegen. – Zunächst einmal herzlichen Dank für den Antrag, den Sie eingebracht haben, weil er die Chance bietet, einige grundlegende Anmerkungen zu machen. Der Antrag enthält durchaus Erwägenswertes. Aber ich möchte gleichwohl einen Akzent hervorheben, den ich etwas schwach finde.

Sie haben sich in sechs der neun Punkte mit Fragen der Kulturförderung auseinandergesetzt. Sie sprechen das Thema der Kulturwirtschaftsförderung an. Sie sprechen natürlich die Frage an, wie faire Einkommen generiert werden können und wie sich die soziale Sicherung darstellt, und gehen auf das Urheberrecht ein. Aber wenn Sie sich darauf konzentrieren, die Kriterien objektiver Kulturförderung zu definieren, wenn Sie sich darauf konzentrieren, zu definieren, was national bedeutsame Kulturprojekte sind, dann ist das ein Akzent, der zu kurz greift. Ich möchte das anhand eines Beispiels deutlich machen.

Präsident Macron wurde am 12. Mai im Tagesspiegel zitiert. Es ging um die Frage, wie man bessere Zugänge und bessere Teilhabe organisieren könne. Er spricht das Beispiel der Bibliotheken an. Frankreich verfügt über 7 000 Bibliotheken, wir in Deutschland verfügen etwa über 9 200 öffentliche Bibliotheken. Macron verweist auf die Öffnungszeiten der Bibliotheken in Frankreich, die bei 40 Stunden in der Woche liegen; bei größeren Bibliotheken in unserem Land ist das ähnlich. Macron blickt auch auf Skandinavien und stellt fest: In Kopenhagen beispielsweise gibt es Bibliotheken mit einer Öffnungszeit von 90 Wochenstunden. Er stellt fest, dass die ungünstigen Öffnungszeiten für viele eine Zugangsbarriere darstellen. Die Frage: „Wie organisieren wir Teilhabe?“, ist schon ein wichtiges Thema.

Jetzt komme ich auf das zu sprechen, worauf ich im Kern hinauswill. Der französische Präsident könnte aufgrund des zentralistisch organisierten Staats diese Idee – ich sage das etwas salopp – durchstellen. Damit ist das Ding – aus zentralstaatlicher Sicht – gelaufen. Wir im Deutschen Bundestag könnten uns allenfalls mit dem Arbeitszeitgesetz auseinandersetzen und darüber nachdenken, ob es Bibliothekarinnen und Bibliothekaren am Wochenende möglich sein sollte, zu arbeiten. Die konkrete Frage des Ob und des Wie ist eine Frage des Bibliotheksträgers, der Kommune oder des Landes.

Das Beispiel zeigt, dass Bundeskulturpolitik in weiten Teilen nur durch Kooperation funktionieren kann. Natürlich hat der Bund originär eigene Zuständigkeiten. Jüngst haben wir uns mit dem Hauptstadtfinanzierungsvertrag beschäftigt, weil der Bund gemäß Artikel 22 des Grundgesetzes verpflichtet ist, diese Aufgabe zu übernehmen.

(Beifall des Abg. Ulrich Petzold [CDU/CSU])

In Artikel 35 des Einigungsvertrages wird die besondere Verantwortung für die kulturelle Infrastruktur in Ostdeutschland hervorgehoben.

(Beifall des Abg. Ulrich Petzold [CDU/CSU])

– Danke schön. – Wir haben die Verantwortung für die Deutsche Nationalbibliothek und für die Stasi-Unterlagen-Behörde. Es gibt auch Institutionen, gegenüber denen wir verpflichtet sind. Ich denke an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, an das Haus der Geschichte, an das Deutsche Historische Museum und, und, und. Das sind originäre Verantwortlichkeiten, hinter denen dann aber ausgedeutet wird, dass das Institutionen von gesamtstaatlicher Bedeutung sind.

Neben all diesen Aktivitäten gibt es die Förderung von Projekten und Institutionen. Die Bundeskulturstiftung wurde genannt, aber auch die Fonds, die wir gebildet haben. Die Rahmenbedingungen sowohl der Bundeskulturstiftung wie auch der Fonds, jüngst des Musikfonds, haben wir deutlich verbessert. Die Institutionen arbeiten übrigens nach gewissen Kriterien. Ich bin vorhin wirklich erschrocken, als ich den Begriff „staatliche Willkür“ gehört habe.

(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Das ist sehr scharf!)

Ich finde, dieser Begriff ist wirklich schwierig.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vermeintlich!)

Zum Begriff „Paternalismus“. Es gibt manchmal Ansätze, bei denen man sich durchaus fragt, was die Gründe sind. Aber gleichwohl: Die Institutionen, in denen Juryentscheidungen Standard sind, sind beispielgebend. Später werde ich eine entsprechende Schlussfolgerung ziehen.

Kurzum: Der Bund hat eine Menge angeschoben, aber gelegentlich leiden manche Förder- und Investitionsprogramme Not. Grund ist auch eine mangelnde Abstimmung auf Länderebene. Da weiß die eine Hand manchmal nicht, was die andere tut.

(Beifall des Abg. Ulrich Petzold [CDU/CSU])

Deshalb ist der kooperative Föderalismus auszubauen und zu stärken. Der Bund und die Länder müssen intensiver zusammenwirken.

Lassen Sie mich ein konkretes Beispiel aus der Bundeskulturstiftung bringen, wo in der Vergangenheit eine intensive Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern wiederholt erfolgt ist. Ich denke, der „Tanzplan“ war nur möglich durch eine enge Kooperation zwischen Bund und Land, das Projekt „Agenten“ ebenfalls. Das fantastische Programm „TRAFO“ – es geht um ein Modellprojekt in gewissermaßen sich entsiedelnden Gebieten, Stichwort: demografischer Wandel – ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie die Bundeskulturstiftung mit ihren Möglichkeiten im Rahmen von Modellprojekten gewissermaßen Forschung für uns, für die Gesellschaft insgesamt leistet. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Enquete-Bericht, der von Kollegin Hupach eben angesprochen wurde. Er wurde vor zehn Jahren, 2007, vorgestellt. Ich empfehle allen, einen Blick hineinzuwerfen. Er enthält ein großes Kapitel zum Bereich Kultur und demografischer Wandel. Ich vermute, dass spätestens die Ergebnisse des Transformationsprojektes der Bundeskulturstiftung Bund und Länder veranlassen werden, gemeinsam über die Frage der kulturellen Infrastruktur und der kulturellen Angebote in der Fläche zu reden und dies als Gemeinschaftsaufgabe zu begreifen. Davon bin ich zutiefst überzeugt, und ich erwarte dies auch.

Insofern gibt es, wie ich glaube, noch eine ganze Menge zu tun, um den Kulturförderalismus zu stärken, auszubauen und zu weiten sowie insbesondere mit konzeptbasierter Kulturförderung – seitens der SPD haben wir schon versucht, das in den Koalitionsvertrag hineinzuverhandeln – Ernst zu machen; das heißt, wir müssen mit den Ländern gemeinsame Ziele, Projekte, Verfahren und Kriterien abstimmen, um die Wirkung der Kulturinvestitionen zu stärken und auf diese Art und Weise Teilhabe zu ermöglichen.

Der Antragsteller spricht davon, Kulturförderung gerecht zu gestalten. Auf der einen Seite geht es dann dabei natürlich darum, wie wir mit den Künstlerinnen und Künstlern umgehen; das wird der Kollege Blienert nachher noch in seinen Ausführungen darlegen. Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, wie wir die Teilhabe der Menschen in unserem Land verbessern können. Das geht nur durch stärkere Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen. Dafür brauchen wir Instrumente, damit nicht zu viel parallel läuft.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und keine Leitkultur!)

Das Programm „Kultur macht stark“ ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Jetzt hat Dr. Astrid Freudenstein für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7110999
Wahlperiode 18
Sitzung 234
Tagesordnungspunkt Kulturförderung
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