Carola StaucheCDU/CSU - Kita- und Schulverpflegung
Sehr verehrte Frau Präsidentin, scheidend, und sehr verehrter Herr Präsident! – Gleich zwei Präsidenten sind hier oben; die Ehre hat man nicht immer. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute befassen wir uns wie schon in der letzten Legislaturperiode mit einem Antrag der Linksfraktion zu dem Thema „Kindergarten- und Schulverpflegung“. Sie entschuldigen bitte, dass ich „Kindergarten“ sage; ich komme aus dem Stammland Fröbels und halte das für die richtige Bezeichnung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Antrag, der uns hier vorliegt, ist fast derselbe wie das letzte Mal: wenig ausgewechselt, keine neuen Zahlen,
(Karin Binder [DIE LINKE]: Keine neuen Zahlen? Sie haben den Antrag nicht gelesen!)
keine neuen rechtlichen Geschichten.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das kennen wir von den Linken! Immer derselbe Mist!)
Ich will kurz zusammenfassen, was hier gefordert wird. Hier wird gefordert: kostenloses Essen in Kindergarten und Schule, Verpflegung mit regionalen und saisonalen Ökolebensmitteln unter bundesweit einheitlichen Standards, die streng kontrolliert werden, ebenso Einhaltung arbeitsrechtlicher, tariflicher und sonstiger Bedingungen für die Beschäftigten. Und: Der Bund bezahlt es.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Ja! Wer denn sonst?)
Man könnte meinen: Das klingt nicht schlecht.
(Zuruf von der LINKEN: Ist es auch nicht!)
Doch beim genauen Hinsehen wird deutlich: Hier werden Dinge gefordert, die überzogen, unpraktikabel, teuer, gegenüber Bürgerinnen und Bürgern entmündigend sind
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
und überdies nicht mit geltendem Verfassungsrecht vereinbar sind.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier wird eine Granate nach der anderen abgeschossen! – Karin Binder [DIE LINKE]: Wir sind der Gesetzgeber, Frau Stauche!)
Bevor ich das weiter ausführe, will ich eines klarstellen: Sicherlich wollen wir alle, dass Kinder und Jugendliche sich gesund ernähren
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Das ist ja schon mal gut!)
und unter bestmöglichen Bedingungen aufwachsen. Wir alle wollen eine gerechte Welt, die für alle Menschen lebenswert ist. Doch teilweise unterscheiden wir uns in Bezug darauf, was wir konkret darunter verstehen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber ganz grundsätzlich!)
Noch mehr unterscheiden wir uns darin, wie wir unsere Ziele erreichen wollen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das klingt ja fast philosophisch!)
Die einen halten es immer und überall für die beste Lösung, einem Teil der Bevölkerung Geld wegzunehmen, um es dann mit der Gießkanne wieder auszuschütten – nach dem Motto: Viel hilft viel. – Wir von der Union stehen jedoch nicht nur für Vernunft und Augenmaß, sondern auch für Mündigkeit und Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger.
(Beifall bei der CDU/CSU – Karin Binder [DIE LINKE]: Die armen Kinder!)
Deshalb sehen wir den Antrag äußerst kritisch.
Doch nun komme ich zu einigen Punkten des Antrags im Einzelnen. Extrem befremdlich ist für mich die Passage:
Der Bund muss im Rahmen seiner grundgesetzlichen Fürsorgepflicht seine Verantwortung wahrnehmen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Er soll eine angemessene Verpflegung in den Einrichtungen durch geeignete Rahmenbedingungen absichern.
Kein Zweifel: Der Staat hat eine Fürsorgepflicht, besonders für Kinder und Jugendliche. Ob jedoch das kostenlose Essen in Kindergarten und Schule dazuzählt, zusätzlich zu den vielen anderen Sozialleistungen, kann bezweifelt werden.
Ich möchte deutlich betonen: Der Staat übernimmt Verantwortung, übt seine Funktion auf verschiedensten Ebenen aus. Aber nicht alles ist Sache des Bundes. Bildungspolitik und Kinderbetreuung liegen in der Verantwortung der Länder und der Kommunen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ein Blick ins Grundgesetz!)
Es ist auch nicht so, dass sich der Bund vor seiner finanziellen Verantwortung für die Kommunen drücken würde. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, dass der Bund Kommunen und Länder bereits finanziell entlastet hat und weiter entlastet. In der gesamten Legislaturperiode handelt es sich immerhin um 90 Milliarden Euro.
(Zuruf der Abg. Katrin Kunert [DIE LINKE])
Doch ist zu beobachten, dass die Entlastung, die für die Kommunen gedacht ist, dort nicht immer vollumfänglich ankommt. Manche Länder verwenden das Geld anderweitig oder geben es zwar weiter, aber kürzen dafür an anderer Stelle.
Die Umsetzung des vorliegenden Antrags würde, vorsichtig geschätzt, über 5 Milliarden Euro im Jahr kosten – ohne die Kosten für Neu-, Aus- und Umbau der entsprechenden Infrastruktur und für zusätzliches Personal.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Falsch gerechnet!)
Natürlich sollte uns für die Kinder, die bekanntlich unsere Zukunft sind, nichts zu teuer sein.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach? – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber?)
Aber: Eine direkte Finanzierung von Kindergarten- und Schulverpflegung durch den Bund ist nicht möglich.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Warum?)
Das lassen die föderalen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland nicht zu.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen das Kooperationsverbot ja abschaffen! – Zuruf von der LINKEN: Ja, noch! Nicht mehr lange!)
Die Länder wollen ihre Zuständigkeit auf diesem Gebiet bestimmt nicht abgeben,
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sie wollen doch nächste Woche sowieso das Grundgesetz ändern!)
das heißt, es würde wieder einmal darauf hinauslaufen, dass der Bund zahlt und das Geld bei den Ländern versickert, ohne Nachweis, wofür sie es ausgeben haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch die Länder haben zusätzliche Steuereinnahmen – das sollte man nicht vergessen –, auch die Kommunen.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dann schaut einmal nach Thüringen!)
Auf das bestehende Kooperationsverbot haben im Übrigen auch die Sachverständigen bei der Anhörung zu diesem Antrag im vergangenen Herbst hingewiesen. Hier kamen eine Reihe weiterer Punkte zur Sprache. Hinweisen möchte ich zum Beispiel darauf, dass einheitliche Lösungen für ganz unterschiedliche Herausforderungen nicht praktikabel sind. So gibt es allein schon deutliche Unterschiede bei der Verpflegung im Kindergarten und in der Schule: regionale Unterschiede, unterschiedliche Schulformen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unterschiedliche Kinder!)
Infrastrukturelle Gegebenheiten sind dabei überhaupt noch nicht berücksichtigt.
Es stellt sich auch die Frage, inwieweit kostenloses Schulessen überhaupt akzeptiert wird. Aktuell werden jeden Tag in Deutschland 4 bis 5 Millionen Essen ausgegeben. Ein nicht unbeträchtlicher Teil davon landet im Müll.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Und die Frage ist: Warum?)
Wird denn das Essen mehr wertgeschätzt, wenn es ganz und gar kostenlos ist? Oder sollen Schülerinnen und Schüler zum Aufessen gezwungen werden?
Weiterhin wird in dem Antrag eine Zubereitung der Mahlzeiten in Kitas und Schulen gefordert. Dafür sind wohl kaum überall die entsprechenden baulichen Voraussetzungen gegeben. In den wenigsten Fällen wäre dies ohne großen Aufwand machbar. Es müssten noch einmal gewaltige Summen ausgegeben werden. Hinzu kommt noch, dass es in der Gastronomie ohnehin bereits einen Arbeitskräftemangel gibt. Woher sollen plötzlich Tausende Köche für die Schulküchen kommen?
(Karin Binder [DIE LINKE]: Wenn ich sie anständig bezahle, Frau Stauche, dann krieg ich sie auch!)
– Ja, dann sind sie aber auch nicht ausgebildet.
Auf der anderen Seite haben zahlreiche Schulen schon jetzt einen erheblichen Investitionsstau. Ist in Anbetracht feuchter Wände und maroder Toiletten eine Schulküche das dringendste Problem, wenn es einen ordentlichen Caterer gibt?
Ähnlich verhält es sich mit der Idee, Ernährungsbildung verpflichtend einzuführen. Mahlzeiten sollen mit den Kindern gemeinsam zubereitet werden. Das wäre natürlich ideal. Aber was sollen die Schulen eigentlich noch alles verbindlich leisten?
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele Schulen haben das schon sehr lange!)
Zusätzlich zu den herkömmlichen Fächern, die jetzt schon in vielen Ländern nicht ordentlich abgedeckt werden, soll es auch noch Medienkunde,
(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Medienbildung!)
Nachhaltigkeit, Inklusion, soziale Kompetenz usw. geben. Das alles ist wichtig, aber wir müssen aufpassen, dass wir die Schulen nicht noch mehr mit verpflichtenden Aufgaben überfrachten.
Stattdessen sollten wir Spielräume lassen für Initiativen vor Ort, Eigenverantwortung fördern und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Hier ist der Bund bereits im Rahmen des neuen Bundeszentrums für Ernährung aktiv, zum Beispiel durch die Einrichtung des Nationalen Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule. Wir haben dazu einiges bei der letzten Ausschusssitzung gehört. Diese Einrichtung soll bereits bestehende Maßnahmen und Initiativen zum Kindergarten- und Schulessen koordinieren, Qualitätsstandards und Konzepte für Qualitätsnachweis bei den Caterern weiterentwickeln sowie alle Beteiligten für hochwertige Ernährung und den Stellenwert der Ernährungsbildung sensibilisieren.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Die 20 Minuten Redezeit sind längst vorbei!)
Des Weiteren hat der Bund die Vernetzungsstellen für Kindergarten- und Schulverpflegung seit 2008 mit 7,7 Millionen Euro gefördert und unterstützt seit einem Jahr deren Projektarbeiten mit jährlich 1 Million Euro. Aber grundsätzlich gilt auch hier: Die Ausstattung der Vernetzungsstellen Schulverpflegung in den Ländern ist und bleibt Ländersache.
Zum Thema Finanzielles noch eine ganz generelle Anmerkung: Natürlich sollen Familien unterstützt werden, die es sich nicht leisten können, Kindergarten- und Schulessen zu finanzieren. Hier gibt es bereits gute Konzepte und Lösungen vor Ort. Aber wieso soll das Essen auch für Kinder kostenlos sein, deren Eltern sich das problemlos leisten können? Das ist für mich ein massiver Widerspruch zum Gerechtigkeitsgedanken, der immer wieder von der Linkspartei sehr strapaziert wird.
Frau Kollegin Stauche, Sie denken an die Redezeit?
Meine Rede ist zu Ende, ich höre jetzt auf. –
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sie haben die längste Redezeit überhaupt!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist vermutlich – wie heute schon bei vielen – meine letzte Rede, da ich bei der Wahl zum 19. Bundestag nicht mehr kandidiere. Ich werde das Thema „Gesunde Ernährung und Kindergarten- und Schulverpflegung“ wie viele weitere Themen, mit denen ich mich in den letzten acht Jahren im Bundestag beschäftigt habe, zwar nicht mehr parlamentarisch bearbeiten. Aber ich kann Ihnen versichern: Ich werde als freier, verantwortungsbewusster und engagierter Bürger diese Themen weiter im Auge behalten und auch weiter begleiten. Vielen Dank an dieser Stelle all meinen Kollegen, die mich immer unterstützt haben, und natürlich auch meinen Mitarbeitern und sonstigen Helfern hier im Bundestag und im Ausschuss!
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kollegin Stauche, anlässlich Ihrer letzten Rede auch von meiner Seite aus herzlichen Dank. Wir alle möchten Ihnen danken.
(Beifall)
Jetzt kommen wir zu der Kollegin Karin Binder, die für die Fraktion Die Linke spricht.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111033 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Kita- und Schulverpflegung |