Dagmar FreitagSPD - Bundeswehreinsatz EU NAFVOR Operation Atalanta
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erneut befinden wir heute über die Operation Atalanta. Sie hat – ich denke, darin sind wir uns alle einig – in den vergangenen Jahren ganz unbestritten dazu beigetragen, die Piraterie am Horn von Afrika erheblich zurückzudrängen. Bereits seit 2008 beteiligt sich Deutschland an der Marinemission und schützt somit auch die Transporte des Welternährungsprogramms, der Mission der Afrikanischen Union sowie Seeleute und Handelsschiffe. Lassen Sie uns kurz zurückschauen. Gab es zwischen 2008 und 2012 noch knapp 600 Übergriffe auf Schiffe, sind es zwischen 2013 und 2017 weniger als 10. Das ist ein großer Erfolg dieser Mission.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Nach Angaben der Bundeswehr konnte auf diese Weise die Auslieferung von 1,3 Millionen Tonnen Hilfsgüter nach Somalia sichergestellt werden. Ich denke, an dieser Stelle ist es angebracht, den Soldatinnen und Soldaten, die sich in diesem Einsatz engagieren, ein herzliches Dankeschön von unserer Seite für ihre hervorragende Arbeit zu sagen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich leisten sie damit gleichzeitig einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung dieser doch sehr gebeutelten Region.
Ohne eine grundlegende Verbesserung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in dem Land wird es keine nachhaltige Sicherung der Seewege geben. Jahrzehntelanger Bürgerkrieg hat – das wissen wir – Anarchie im Land hinterlassen, eine Sicherheitslage, die mit „fragil“ nur unzureichend beschrieben ist. Das ostafrikanische Land zählt noch immer zu den ärmsten, aber auch zu den gefährlichsten Staaten der Welt. Außerhalb der Stadtgrenzen von Mogadischu beispielsweise haben staatliche Institutionen kaum Kontrolle. In Zentralsomalia und auch im Süden gibt es weiterhin komplexe Angriffe der islamistischen Terrororganisation al-Schabab.
Über 1 Million somalischer Flüchtlinge sind laut UNHCR in benachbarten Ländern am Horn von Afrika registriert. Auch aufgrund der anhaltenden schweren Dürre steht diesem Krisenstaat wohl erneut eine humanitäre Katastrophe bevor. 2011 sind – ich darf das in Erinnerung rufen – bereits 250 000 Menschen verhungert. Nach UN-Angaben sind derzeit rund 50 Prozent der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen, allein 2,9 Millionen Menschen auf die Verteilung von Nahrungsmitteln. Das Kinderhilfswerk rechnet in diesem Jahr mit 1,4 Millionen akut mangelernährten Kindern. Auch die medizinische Grundversorgung kann nicht gewährleistet werden.
Die Entwicklung Somalias zu einem stabilen Staat ist zweifellos eine langfristige Aufgabe. Das Land braucht Hilfe vor allem in der Verwaltung, in der Justiz und im Sicherheitssektor.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Aber keine Militäreinsätze!)
Dazu gehört natürlich auch die Unterstützung beim Aufbau der Sicherheitsbehörden an Land und auf See. Daher beteiligt sich Deutschland auch an der zivilen Mission EUCAP Somalia und an der Ausbildungsmission EUTM Somalia. Staatsminister Roth hat noch vor wenigen Tagen in Brüssel die Forderung nach einer verstärkten Beratung der somalischen Streitkräfte durch die erwähnte EU-Mission bekräftigt. Zudem hat Bundesaußenminister Gabriel angekündigt, die deutsche Nothilfe auf 140 Millionen Euro zu verdoppeln.
Vor wenigen Tagen, am 11. Mai, fand die internationale Somalia-Konferenz in London statt. Dort sprach auch UN-Generalsekretär António Guterres die unverzichtbaren Maßnahmen an: Stabilisierung der Sicherheitslage, mehr politische Transparenz und – wir nennen das Good Governance – verantwortungsvolle Regierungsführung. Hoffnung liegt zurzeit auf dem neuen Präsidenten Abdullahi, der im Februar 2017 gewählt wurde. In London hat er den Kampf gegen die größten Feinde Somalias ausdrücklich betont: Terrorismus, Korruption und Armut, und das mit dem Ziel, natürlich ein wirtschaftlich erfolgreicheres Somalia zu schaffen, ein stabiles Land, das endlich wieder auf eigenen Füßen stehen kann.
Aber ich denke, uns allen ist klar: Das Land wird noch sehr lange die Hilfe der internationalen Gemeinschaft benötigen. Der Hauptauftrag der Operation Atalanta bleibt die Abschreckung, die Verhinderung und natürlich auch die Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen genauso wie von bewaffneten Raubüberfällen. Im Rahmen verfügbarer Mittel und Kapazitäten kann die Mission aber auch der Überwachung illegaler Aktivitäten im Bereich der Fischerei dienen, zum Beispiel durch Informationsaustausch zum maritimen Lagebild.
Geplant ist, dass im laufenden Jahr eine Übergangsstrategie erarbeitet wird, um die Operation – natürlich unter Beibehaltung der bereits erreichten Erfolge – beenden zu können. Auch das ist im Übrigen ein Beitrag zur nachhaltigen Stabilisierung dieser Region. Eines muss aber auch klar sein: Solange allerdings die grundlegenden Ursachen der Piraterie nicht erfolgreich bekämpft und beseitigt sind, bleibt die Präsenz auch unserer Schiffe vor der Küste Somalias unverzichtbar.
Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Mandat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als Nächste hat Inge Höger für die Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111095 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EU NAFVOR Operation Atalanta |