Florian HahnCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EU NAFVOR Operation Atalanta
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte ich festhalten: Atalanta ist eine erstklassige, eine erfolgreiche maritime Sicherheitsoperation. Die Piratenangriffe in der Region konnten durch Atalanta und die Schwestermissionen massiv reduziert werden. Wir sollten nicht vergessen, dass auf dem Höhepunkt der Krise am Horn von Afrika im Jahr 2010 49 Schiffe entführt wurden. Über 1 000 Seeleute waren zeitweise Geiseln. Es kam zu Toten. Im Jahr 2011 wurde Lösegeld mit einem Gesamtbetrag von 160 Millionen Dollar gezahlt, das einzig einer kriminellen Elite zugutekam. Durch die maritime Operation gingen diese Zahlen deutlich zurück. Zuletzt gab es lange Zeit überhaupt keine Entführungen mehr. Vor kurzem hat es wieder einige einzelne Angriffe gegeben, in der Intensität aber keinesfalls vergleichbar mit denen früherer Zeiten. Allein das zeigt doch schon den Erfolg der Operation Atalanta.
(Beifall des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU])
Atalanta ist auch deshalb erfolgreich, weil die Mission in einer einzigartigen Weise auf internationale Zusammenarbeit setzt. Für Atalanta haben neben den EU-Staaten auch andere Länder wie Norwegen, die Ukraine oder Kolumbien Kriegsschiffe gestellt, Neuseeland hat mit Aufklärungsfähigkeiten beigetragen, Serbien und Montenegro mit Stabsoffizieren. Im Februar dieses Jahres wurde sogar eine südkoreanische Fregatte für einige Zeit Atalanta unterstellt. Derzeit beteiligen sich Spanien und Italien mit Schiffen. Deutschland und Spanien stellen die Aufklärungsflugzeuge. Hinzu kam bis Ende 2016 die NATO-Operation Ocean Shield. Aber auch viele andere Nationen beteiligen sich am gemeinsamen Kampf gegen die Piraterie.
Ich halte es für wichtig und gut, dass so auch praktische Zusammenarbeit zum Beispiel mit China oder Indien stattfindet. Gerade China übernimmt hier in einer sehr positiven Weise internationale Verantwortung. Die chinesische Lenkwaffenfregatte Yulin hat Anfang April 2017 eingegriffen, um einen bedrohten Frachter zu retten. Sie wurde von einer indischen Fregatte unterstützt. Beide Länder stehen ja sonst nicht für eine so enge Zusammenarbeit. Insofern ist auch das ein positiver Nebenaspekt.
Zugleich ist die Mobilisierung der internationalen maritimen Wirtschaft hervorzuheben. Die Selbstschutzmaßnahmen der zivilen Seeschifffahrt und die Best-Management-Practices haben maßgeblich zu den Erfolgen der letzten Jahre beigetragen. Dazu gehören vor allem die Ausweisung bestimmter Korridore sowie der Einsatz privater Sicherheitsteams.
Wir haben aber gesehen: Die Situation bleibt sehr fragil. Seit Beginn dieses Jahres hat es wieder eine ganze Reihe von Piratenangriffen gegeben, sogar eine Entführung. Einschätzungen, das Geschäftsmodell der Piraten sei unrentabel geworden, haben sich leider als falsch erwiesen. Warum? Die Zahl der Marineeinheiten wurde zurückgenommen. Einige Frachtschiffe halten sich nicht mehr an die empfohlenen Korridore, kürzen ab, fahren zu nahe an die Küste oder zu langsam und führen keine bewaffneten Teams mehr mit sich. Die weiter existierenden kriminellen Netzwerke sind aufmerksam und schlagen sofort wieder zu.
Aber zudem, meine Damen und Herren, bleibt die Situation in Somalia und in der Region natürlich insgesamt komplex und dramatisch; wir haben es hier schon gehört. Viele tiefere Gründe für die Piraterie sind nicht beseitigt. Somalia bleibt ein Failed State – trotz kleiner Hoffnungszeichen durch eine neue Führung im Land. Armut, Hungersnot, Seuchen, die Cholera, organisierte Kriminalität, der Terrorismus halten das Land weiter in ihrem Griff. Terroristen und Kriminelle rekrutieren die Armen und die, die ohne Hoffnung sind. Wenn der Staat kein Geld hat, seine Sicherheitskräfte zu bezahlen, wenn Jobs und Perspektiven fehlen, wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt.
Was folgt daraus? Die Fortsetzung von Atalanta ist derzeit alternativlos. Wir sind auf sichere Handelswege angewiesen. Ein Einstellen der Patrouillen hätte desaströse Effekte für die Handelsschifffahrt und die Lieferungen des Welternährungsprogramms – wichtig gerade wegen der aktuellen Dürre und Hungersnot.
Da ist ein umfassender, ganzheitlicher Ansatz richtig. Der braucht viel Geld, der braucht viel Zeit, und er zeigt leider nur langsam Erfolge. Aber wir müssen schließlich weiter die Not und die Armut bekämpfen und versuchen, Berufs- und Lebensperspektiven vor Ort zu schaffen. Wir leisten hier schon sehr viel: über die Entwicklungszusammenarbeit, über die humanitäre Hilfe. Wir dürfen es nicht der al-Schabab überlassen, den hungernden Menschen dort zu helfen, sondern wir müssen uns selbst dort noch stärker engagieren.
In diesem Sinne ist auch Atalanta als erfolgreicher und wichtiger Einsatz zur Bekämpfung der Piraterie ein wichtiger Baustein. Ich bitte deswegen, einer Verlängerung dieses Mandats zuzustimmen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111104 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EU NAFVOR Operation Atalanta |