Reinhard BrandlCDU/CSU - Bundeswehreinsatz KFOR in Kosovo
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zur Verlängerung des KFOR-Einsatzes kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Letzte Woche hat der kosovarische Ministerpräsident seine Mehrheit im Parlament verloren, und im Juni gibt es Neuwahlen. Bei diesen Neuwahlen wird es im Wesentlichen darum gehen, ob die Normalisierung der Beziehungen zu Serbien weitergeht oder ob dieser Weg unterbrochen wird. Meine Damen und Herren, täuschen wir uns nicht: Das ist eine Richtungsentscheidung; denn die Normalisierung, die Aussöhnung mit Serbien, ist eine wesentliche Voraussetzung für eine weitere EU-Perspektive des Kosovo.
Bei all meinen Gesprächen auf dem Balkan habe ich eins gemerkt: Dort werden die Debatten, die wir hier führen, ganz genau verfolgt, und das auch von denjenigen, die einer weiteren EU-Perspektive und einer weiteren EU-Annäherung kritisch gegenüberstehen. Deswegen sollten wir die Chance, die mit der heutigen Debatte einhergeht, nutzen, um ihnen zuzurufen, dass für uns der Kosovo ein Teil Europas ist, dass wir für Sicherheit, Entwicklung, Frieden auf dem Westbalkan und insbesondere im Kosovo eintreten und dass wir als sichtbares Zeichen unserer Unterstützung die Bundeswehr im Kosovo belassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dieses Signal ist wichtig; denn der gesamte Westbalkan ist im Moment in einer kritischen Phase. Ich möchte das an vier Beobachtungen festmachen.
Erste Beobachtung. Der Westbalkan hat im Moment in Brüssel nicht die höchste Priorität. Brexit, Ukraine, Nordafrika, Türkei – überall lodernde Brandherde, die die volle Aufmerksamkeit erfordern. Dagegen scheint der Westbalkan fast abgekühlt zu sein; aber ich glaube, der Eindruck täuscht.
Zweite Beobachtung, dazu passend: Im Moment ist es doch so, dass die Nationalisten in den verschiedenen Ländern austesten, wie weit sie gehen können. Der Kollege Lindner hat es angesprochen: Einen Zug mit der Aufschrift „Kosovo ist Serbien“ von Belgrad nach Mitrovica fahren zu lassen, ist doch eine reine Provokation,
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Warum?)
bei der es nur darauf ankommt, lieber Kollege Neu, zu schauen, wie wer reagiert. Um im Bild von vorhin zu bleiben: Im Kosovo und auf dem Westbalkan gibt es im Moment viele, die zündeln.
Dritte Beobachtung. Andere Länder und andere Mächte bemühen sich momentan sehr intensiv um Einfluss in der Region – Russland vor allem in den slawischen Teilen; China investiert in der ganzen Region. Eine Randnotiz, die das strategische Interesse und die strategische Bedeutung des chinesischen Engagements zeigt: Vor kurzem wurde der serbische Präsident zum Ehrenbürger Pekings ernannt. Die Türkei ist aktiv. Sie sieht sich als Schutzmacht für die Muslime in der ganzen Region, und auch andere arabische Länder investieren zum Teil in Moscheen, aber zum Beispiel auch in Belgrad in die Infrastruktur der Stadt. Sie wollen sich darüber Einfluss sichern.
Vierte Beobachtung. Die Anziehungskraft der Europäischen Union lässt im Moment eher nach.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Woher kommt das wohl?)
Damit sinkt auch der Einfluss der EU. Der Weg zu einer EU-Mitgliedschaft dauert schon lange und ist ohne klare zeitliche Perspektive. Die EU selbst ist in einer Krise, Stichwort „Brexit“. Es gibt andere Länder, die auch gute Angebote machen, ohne dass es irgendwelche lästigen Reformvorgaben gibt.
Der Kosovo und der Westbalkan sind ein Teil Europas. Eine Instabilität innerhalb Europas können wir uns noch viel weniger erlauben als eine Instabilität außerhalb Europas oder an den Grenzen Europas. KFOR ist in einem Teil des Westbalkans, im Kosovo, ein wichtiger Stabilitätsanker. Deswegen wollen und werden wir auch KFOR verlängern. Wir können den Ländern auf dem Westbalkan im Moment keinen schnellen EU-Beitritt versprechen; aber wir müssen ihnen zeigen, dass Europa für sie langfristig der bessere Partner ist und dass es sich lohnt, sich Europa anzunähern.
Ich möchte mit einer weiteren Beobachtung schließen. Ich glaube, wir haben da alle Chancen. Immer wenn ich insbesondere mit jungen Leuten auf dem Westbalkan spreche, dann sagen sie mir alle: Wir wollen in die EU. – Lieber Herr Neu, ich habe noch keinen getroffen, der nach Moskau will, und ich habe noch keinen getroffen, der nach Ankara will,
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Neu will nach Moskau!)
sondern es ist die EU, die Anziehungskraft hat. Wir sollten den jungen Menschen auf dem Westbalkan diese Perspektive weiterhin geben. Deswegen werden wir den Antrag der Bundesregierung sehr wohlwollend prüfen und ihm zustimmen.
Herzlichen Dank.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Retrieved from | http://dbtg.tv/fvid/7111133 |
Electoral Period | 18 |
Session | 234 |
Agenda Item | Bundeswehreinsatz KFOR in Kosovo |