Roderich KiesewetterCDU/CSU - Abzug der Bundeswehr aus Incirlik
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist nötig, in diese gleich zu Beginn durch Sie, Frau Roth, ordentlich temperierte Debatte
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So bin ich halt!)
etwas Ruhe und Gelassenheit zu bringen.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Langweilig!)
Ich denke, wir sind uns in zwei Punkten sehr einig, liebe Frau Kollegin Roth: Erstens ist es nicht haltbar, wenn das Besuchsrecht auf Dauer verweigert wird.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn hier „auf Dauer“?)
Zweitens ist die Türkei auf dem Weg in einen Unrechtsstaat, und wir müssen sehr sorgfältig überlegen, mit welchen Maßnahmen und Methoden wir auf die Eskalation, die vonseiten der Türkei betrieben wird, reagieren.
Ich sage hier sehr deutlich: Ein einseitiger und sofortiger Abzug ist weder im europäischen noch im deutschen Interesse; das sage ich auch im Namen meiner Fraktion. Denn ein solcher Abzug hätte Konsequenzen. Erstens würden wir die Isolierung der Türkei vorantreiben. Zweitens wäre das Gesamtthema eine bilaterale Geschichte zwischen Deutschland und der Türkei. Unser Interesse muss doch sein, dass man sich auf der diplomatischen Ebene der NATO darüber unterhält und wir daraus kein deutsch-türkisches Sonderproblem machen. Entscheidend ist, dass der NATO-Rat dies thematisiert.
Das war übrigens, als ich das vor einigen Monaten vorschlug, nicht im deutschen Interesse und auch nicht im amerikanischen Interesse. Es wurde damals verhindert. Heute aber wissen wir – das kann ich auch im Namen meiner Fraktion sagen –, dass es auf wichtigen Überlegungen beruht, dieses Thema in Brüssel zu debattieren. Denn die Türkei ist kein Land, das auf dem Weg zu mehr Demokratie ist, sondern ein Land, das sich vom Wertekanon der NATO verabschiedet. Es ist nicht tragbar, dass sich die Türkei, die Südostflanke der NATO, zunehmend dem Iran und Russland annähert und wir durch einen überzogenen einseitigen Abzug einen Beitrag dazu leisten.
Ich bin ein Verfechter des Besuchsrechts, empfehle aber, die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes aus dem letzten Jahr zu dieser Frage sehr sorgfältig zu lesen. Die Parlamentskontrolle üben wir nicht durch das Besuchsrecht aus, sondern indem wir Kabinettsentscheidungen unsere Zustimmung geben oder sie verweigern. Für uns ist ganz wichtig, dass die Truppe dort gut geführt wird und dass ein Beauftragter des Bundestages jederzeit Zugang hat, nämlich der Wehrbeauftragte. In der Zeit, in der die Türkei uns Abgeordneten den Zugang verwehrt, machen wir etwas ganz Wichtiges: Wir prüfen Alternativen.
Als wir im letzten Jahr dem Vorschlag der Bundesregierung zugestimmt haben, waren Sizilien, Zypern, Jordanien und Katar in der Debatte. Wir haben uns damals entschieden, von einem bewährten NATO-Stützpunkt aus zu agieren. Das war auch in unserem Interesse. Jetzt gibt es sehr erfreuliche Signale aus Jordanien. Unsere Verteidigungsministerin reist am Wochenende dorthin. Gegenwärtig befinden sich dort Teams zur Prüfung. Die Bundeswehr ist in Jordanien sehr willkommen. Wenn die Türkei nicht bereit ist, das Besuchsrecht wieder einzuräumen, dann ist das eine sehr gute Alternative.
Wir sollten nicht kurzfristig mit einem einseitigen und sofortigen Abzug reagieren, liebe Frau Roth. Sie wissen selbst, dass es etwa acht bis zehn Wochen dauert, bis die Bundeswehr woanders wieder einsatzfähig ist. Das Oberziel ist doch nicht, unsere Soldaten dort zu besuchen. Das gehört zwar mit dazu, aber das Oberziel ist der Kampf gegen den IS.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Den Kampf gegen den IS ohne deutsche Beteiligung acht Wochen lang fortzuführen, wäre bündnisschädigend.
Ich möchte an dieser Stelle einen Vorschlag ansprechen, zu dem Jürgen Hardt und ich heute bereits etwas gesagt haben. Es ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, dass unser Bundesaußenminister von Washington aus jetzt auch noch den AWACS-Einsatz der NATO zur Debatte stellt; hier stellt Deutschland 30 Prozent des Personals. Plötzlich soll die Bundeswehr auch aus Konja abziehen. Bei aller Koalitionstreue: Es ist ein Schaden, wenn Deutschland plötzlich einen NATO-Einsatz aufkündigt. Ich bekenne hier sehr deutlich: Wir als Union stehen hinter dem AWACS-Einsatz. Wir wollen, dass die NATO zusammenhält und auch im Wahlkampf nicht auseinanderdividiert wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mit dem Wahlkampf doch gar nichts zu tun!)
Deswegen werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, sondern ihn an den Auswärtigen Ausschuss überweisen und dort in aller Ruhe debattieren. In der Zwischenzeit erwarten wir die Ergebnisse des Teams der Bundesregierung zu der Frage, was Jordanien zu bieten hat, und wir hoffen, dass die Türkei in den Schoß gemeinsamer NATO-Verantwortung zurückkehrt. Wir sollten uns von der Türkei nicht in eine unnötige Eskalationsspirale treiben lassen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die NATO hat gesprochen, das NATO-Hauptquartier!)
Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege Dr. Dietmar Bartsch.
(Beifall bei der LINKEN)
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Electoral Period | 18 |
Session | 234 |
Agenda Item | Abzug der Bundeswehr aus Incirlik |