Burkhard LischkaSPD - Durchsetzung der Ausreisepflicht
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Jelpke, ich habe Ihrer Rede aufmerksam zugehört. Eine solche Rede kann man nur halten, wenn man den eigentlichen Anlass für diesen heute vorliegenden Gesetzentwurf weitestgehend ausblendet,
(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
nämlich Anis Amri, der am 19. Dezember hier in Berlin 12 Menschen getötet, 60 Menschen zum Teil schwer verletzt hat, ein Attentat, das mitten in der Weihnachtszeit
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es war mir überhaupt nicht bewusst, dass es bei dem Vaterschaftsfragen gab!)
viel Leid über die Opfer und ihre Angehörigen aus Deutschland, aus Israel, aus Italien, aus Polen, aus der Ukraine, aus Tschechien gebracht hat. Frau Jelpke, Anis Amri war nicht irgendwer. Anis Amri war ein abgelehnter Asylbewerber.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was war das Vaterschaftsproblem bei Anis Amri?)
Er war vorbestraft, er war gefährlich, er hat mehrfach seinen Hass und seine Anschlagspläne geäußert und sollte abgeschoben werden. Und so jemand kam nicht hinter Gitter.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Den hätten Sie mit dem Strafrecht verfolgen können!)
– Entschuldigung, Frau Jelpke, selbstverständlich gehörte Anis Amri hinter Gitter. Wir müssen solche Menschen stoppen, bevor sie zu Mördern werden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Mit dem Strafrecht! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum ist das nicht passiert?)
– Frau Jelpke, die Opfer vom Breitscheidplatz könnten noch leben, wenn Anis Amri am 19. Dezember in Abschiebehaft gesessen hätte. Das ist doch eine ganz wesentliche Lehre aus diesem Attentat.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hätte sogar in Untersuchungshaft sitzen können, wenn die Polizei ihre Arbeit gemacht hätte!)
Dass er nicht in Abschiebehaft saß, muss doch Konsequenzen haben. Wir können doch das Vertrauen in diesen Rechtsstaat nur wiederherstellen,
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Indem Sie die Gesetze anwenden!)
wenn wir solche Fehler und Versäumnisse klar benennen und daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen. Bei Anis Amri war es so, dass er schon nach einem Tag wieder aus der Abschiebehaft entlassen wurde.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja, und warum?)
– Offensichtlich, Frau Hänsel, weil es die Sorge gab, dass bei einer längeren Anordnung der Abschiebehaft man Schiffbruch vor einem deutschen Gericht erleiden würde. Deshalb beschließen wir heute Abend ein Gesetz, sodass sich das nicht wiederholt. Ein Gefährder, der abgeschoben werden soll, gehört in Abschiebehaft. Ich weiß ehrlich nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, was daran kritikwürdig ist.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich will noch auf einen zweiten Aspekt eingehen. Anis Amri war ja nicht nur gefährlich, er war auch mit 14 unterschiedlichen Aliasnamen und Identitäten unterwegs.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist so etwas möglich? Das frage ich mich!)
Dazu könnte man vieles sagen. Bei dieser ganzen Sache haben sich viele deutsche Behörden nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Was hat Ihr Kollege Jäger da gemacht in NRW? – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wurde nicht ermittelt, angeklagt und verurteilt?)
Klar ist: Wir müssen wissen, wer sich in unserem Land aufhält und woher er kommt. Wenn das eben mit anderen Mitteln nicht feststellbar ist, wenn da Zweifel bleiben, trotz Dolmetscher, trotz Sprachidentifizierungssoftware, trotz Text- und Schriftanalyse, trotz einer Anhörung, wo nach regionalen Besonderheiten gefragt wird, dann muss es als letztes Mittel auch möglich sein, sich die Spracheinstellung eines Handys anzuschauen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das zeigt doch übrigens auch der jüngste Fall des Bundeswehroffiziers Franco A.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Ein deutscher Terrorist, ja!)
Dazu können wir auch vieles sagen. Da haben Mitarbeiter des BAMF bei simpelsten Prüfungsschritten versagt. Aber genauso klar ist: Ein Blick auf das Handy von Franco A., und der ganze Schwindel wäre sofort aufgeflogen. Deshalb ist es übrigens auch in diesem Fall richtig, dass man solche Lücken benennt und schließt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Instrumentalisierung! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte man ja gar nicht gebraucht! Er hätte nur einmal auf Arabisch angesprochen werden müssen!)
Der Fall Franco A. zeigt auch noch etwas anderes, nämlich dass die Dinge, die wir hier im Deutschen Bundestag beschließen, auch konsequent angewendet werden müssen. Nach bestehender Rechtsgrundlage hätte Franco A. nie eine Asylanerkennung bekommen. Wir müssen die Dinge, die wir hier beschließen, also tatsächlich auch vollziehen. Das ist das A und O.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb verschärfen wir jetzt alles!)
Dafür gibt es tatsächlich auch einen Hauptverantwortlichen: Das ist der Bundesinnenminister. Aus dieser Verantwortung werden wir ihn auch nicht entlassen, und ich sage es einmal ganz offen: Hier würde ich mir hin und wieder auch einmal die Tatkraft wünschen, die der Berliner Innensenator Andreas Geisel gerade im Fall Anis Amri gestern noch an den Tag gelegt hat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Als nächster Redner hat Volker Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111158 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Durchsetzung der Ausreisepflicht |