Stephan MayerCDU/CSU - Durchsetzung der Ausreisepflicht
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, das wir verabschieden werden, Herr Kollege Beck, ist aus meiner Sicht eine weitere sehr wichtige Etappe auf dem Weg, ausreisepflichtige Migranten schneller und konsequenter abzuschieben.
Wir sprechen zwar bei diesem Gesetzespaket nicht von einem dritten Asylpaket. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es mit Blick auf den Inhalt und den Umfang mit den ersten beiden Asylpaketen durchaus vergleichbar ist.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel verfassungswidriges Zeug haben Sie in den anderen nicht gehabt!)
Es geht darum, dass wir konsequenter die Personen außer Landes bringen, die in unserem Land kein Bleiberecht haben. Ende April dieses Jahres waren das rund 220 000 Menschen, die an sich Deutschland verlassen müssten, das aber aus unterschiedlichen Gründen bislang nicht getan haben. Ich mache, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, keinen Hehl daraus: Mir wäre es sehr lieb gewesen, wenn wir dieses Gesetz deutlich früher verabschiedet hätten.
Herr Kollege Beck, ich möchte mit einem Vorurteil aufräumen. Dieses Gesetz hat nicht unmittelbar etwas mit Anis Amri zu tun.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Herr Lischka gerade anders gesagt! Was denn nun? Kann sich mal die Koalition einigen, warum sie das hier überhaupt macht? – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn jetzt?)
Ein Großteil des Inhaltes dieses Gesetzes geht auf weitaus ältere Vorschläge des Bundesinnenministers zurück. Bundesinnenminister de Maizière hat bereits am 11. August letzten Jahres im Nachgang zu den Anschlägen von Würzburg und Ansbach einen Großteil der Vorschläge, die jetzt Inhalt dieses Gesetzes sind, gemacht.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Wenn irgendetwas passiert, holen Sie immer alles aus den Schubladen raus!)
Es gibt einen Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium vom Oktober letzten Jahres, also lange vor dem Anschlag vom Breitscheidplatz. Dieser Gesetzentwurf hat leider nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt, weil er am Widerstand unseres Koalitionspartners gescheitert ist. Ich bin aber froh, dass es jetzt gelungen ist, Herr Kollege Lischka, die Verhandlungen nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz sehr schnell aufzunehmen und diesen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also jetzt doch Breitscheidplatz! Herr Mayer, Sie widersprechen sich jetzt schon selber!)
Ich bin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr froh, dass es uns im parlamentarischen Verfahren gelungen ist, den an sich schon sehr guten Gesetzentwurf noch besser zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben im parlamentarischen Verfahren noch wichtige Punkte mit aufgenommen, beispielsweise was die Residenzpflicht für Gefährder betrifft. Herr Kollege Beck, der Begriff „Gefährder“ ist schon klar definierbar. Es handelt sich dabei um Personen der Preisklasse von Anis Amri,
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Preisklasse“ ist jetzt kein konkreter Rechtsbegriff!)
also um Personen, von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder für bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind denn die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, Herr Mayer? Erklären Sie das mal!)
Es ist richtig, dass wir jetzt klarmachen, dass diese Gefährder in Abschiebehaft gehören und dass sie in der Abschiebehaft vor allem in Justizvollzugsanstalten untergebracht werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Mayer, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck zu?
(Marian Wendt [CDU/CSU]: Er hat schon geredet!)
Selbstverständlich, sehr gerne.
Herr Beck.
Gesetzgebungsdiskussionen haben ja immer auch die wichtige Funktion, Voraussetzungen zu definieren und unbestimmte Rechtsbegriffe aufzulösen. Was sind denn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Fälle der Gefahr für die innere Sicherheit, die Sie gerade beschrieben haben? Was muss da gegeben sein bei Leuten, die sich nicht strafbar gemacht haben, um die Voraussetzungen zu erfüllen?
„Preisklasse Anis Amri“ ist kein Hinweis. Was soll das konkret bedeuten? Was muss vorgefallen sein? Was muss die Polizei in ihren Händen haben, damit diese Regelung tatsächlich greifen kann? Das würde ich gerne mal wissen.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das in Ihrem Gesetzentwurf?)
Herr Kollege Beck, der Begriff des Gefährders stammt aus dem Polizeirecht,
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht aber gar nicht im Gesetz! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Der steht nicht im Gesetz!)
und wir haben derzeit in Deutschland ungefähr 600 von den Landeskriminalämtern eingestufte Gefährder.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht „Gefahr für die innere Sicherheit“, nicht „Gefährder“!)
Dabei handelt es sich um Personen, zu denen nicht etwa irgendwelche vagen Vermutungen vorliegen, sondern es bedarf konkreter Hinweise, dass diese Personen in salafistische bzw. islamistische Netzwerke mit einbezogen sind, dass sie zu Islamisten Kontakt haben, dass sie angekündigt haben, in Deutschland Anschläge zu verüben, oder dass sie sich in salafistischen Kreisen aufhalten.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da nirgendwo!)
Es ist eben nicht so, wie Sie behaupten, Herr Kollege Beck, dass hier mit reiner Willkür jeder einbezogen werden kann, sondern es bedarf ganz konkreter Hinweise, dass eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder für bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit besteht.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine tatsachengestützte Gefahrenprognose! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht gar nicht drin im Gesetzentwurf! – Gegenruf von der CDU/CSU: Hören Sie doch auf, Mensch!)
Ich bin sogar froh, dass es jetzt gelungen ist, diesen Begriff des Gefährders erstmals im Bundesrecht klar festzulegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin vor allem froh darüber, dass diese Gefährder jetzt auch in normalen Justizvollzugsanstalten untergebracht werden können. Auch in meinem Wahlkreis gibt es eine Abschiebehaftanstalt, und ich sage ganz offen: Es wäre der Bevölkerung nicht zumutbar, dass in relativ kleinen, auch durchaus nicht optimal gesicherten Abschiebehaftanstalten Gefährder untergebracht werden. Sie können vielmehr in Hochsicherheitsgefängnissen oder in Justizvollzugsanstalten untergebracht werden.
Wichtig ist darüber hinaus, dass wir Möglichkeiten schaffen, um konsequent gegen Personen vorzugehen, die unsere Regeln ausnutzen, um sich ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erschleichen. Dabei ist die Mitteilungspflicht von Behörden, die Wind davon bekommen, dass sich ein Flüchtling in sein Heimatland zurückbegibt, gegenüber dem jeweiligen Ausländeramt von entscheidender Bedeutung. Wenn ein Flüchtling in sein Heimatland zurückkehren kann, muss zumindest überprüft werden können, ob die Voraussetzungen für die Einstufung als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter überhaupt noch vorliegen. Es ist kein zwingender Automatismus, dass dann der Flüchtlingsstatus aberkannt wird, aber es muss doch zumindest die Möglichkeit bestehen, dass man die Ausländerbehörde in die Lage versetzt, die Tatsachen noch einmal zu überprüfen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Bundeswehrsoldaten, finde ich, sollten wir das ändern!)
Herr Mayer, lassen Sie noch eine Zwischenfrage, diesmal der Kollegin Mihalic, zu?
Selbstverständlich. Sehr gerne.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben vorhin gesagt, dass der Gefährderbegriff aus dem Polizeirecht stammt. Können Sie mir mal bitte das Gesetz nennen, wo der Gefährderbegriff legal definiert ist?
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gut! Sehr gute Frage!)
Frau Kollegin Mihalic, ich habe dem Kollegen Beck erläutert, dass der Begriff des Gefährders aus dem Polizeirecht stammt, also aus dem Landesrecht.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
Die Länder haben die Befugnis, festzulegen, welche Personen sie für so gefährlich erachten, dass sie sie beispielsweise mit einer Telefonüberwachungsmaßnahme überziehen.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Nennen Sie mal das Gesetz, das es darstellt! Wo steht es drin?)
– Die Länder haben die Befugnis aufgrund ihrer Polizeiaufgabengesetze, festzulegen, wen sie als so brisant und gefährlich einstufen, dass sie davon ausgehen, dass zumindest die Gefahr besteht, dass der Betreffende einen Anschlag in Deutschland unternimmt.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben echt keinen blassen Schimmer!)
Das ist keine Bundeskompetenz.
Ich bin Ihnen ja dankbar, Frau Kollegin Mihalic, dass Sie diese Frage noch einmal stellen. Von daher bezieht sich meine Antwort auch darauf. Kollege Lischka hat insinuiert, als wären jetzt bei allem der Bund und der Bundesinnenminister in der Verantwortung. Man muss nun einmal sehen: Das Bundeskriminalamt hat keinen einzigen Gefährder eingestuft. Alle Gefährder, die wir in Deutschland haben, sind von den Landeskriminalämtern eingestuft worden.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fundstelle! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Fundstelle!)
Deswegen ist auch das Hauptversagen, das zu dem Anschlag am Breitscheidplatz geführt hat, bei den Landeskriminalämtern in Nordrhein-Westfalen und Berlin anzusiedeln. Da liegt die Ursache. Da ist geschludert worden,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
auch zum Beispiel aufgrund noch fehlender rechtlicher Instrumente wie der Möglichkeit, Gefährder in Nordrhein-Westfalen oder Berlin präventiv mit einer Telefonüberwachungsmaßnahme zu überziehen, was beispielsweise in Bayern selbstverständlich möglich ist.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einfach, wenn Sie es nicht wissen! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss nicht alles wissen, Herr Mayer! Mut zur Lücke! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Antwort!)
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der schon erwähnte, dass wir auch Regelungen schaffen, um Scheinvaterschaften effektiv bekämpfen zu können. Das, was Sie, Herr Kollege Beck, immer so stereotyp von sich geben, dass hier alle unter Generalverdacht gestellt werden, stimmt einfach nicht. Das trifft einfach nicht zu. Auch hier müssen konkrete Hinweise vorliegen, dass eine Vaterschaft in missbräuchlicher Weise anerkannt wurde, um einen Aufenthaltstitel zu erschleichen.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wer entscheidet das denn? Die Ausländerbehörde?)
Ich finde, dann ist es auch recht und billig, die Möglichkeit zu schaffen, eine Vaterschaft wieder abzuerkennen.
Darüber hinaus ist es auch in sicherheitspolitischer Hinsicht wichtig, dass wir das Bundeskriminalamt in die Lage versetzen, die Daten von Migranten mit den Datenbanken befreundeter Länder abzugleichen.
Ich sage zum Abschluss, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ganz deutlich: Dieses Paket ist abgerundet. Es führt zu einem deutlichen Fortschritt, wenn es darum geht, ausreisepflichtige Personen effektiver und konsequenter außer Landes zu bringen. Aber wir hätten uns an der einen oder anderen Stelle durchaus noch mehr vorstellen können, beispielsweise wenn es um das Auslesen eines Handys geht. Herr Kollege Lischka, Sie haben ja die Vorteile erwähnt. Uns wäre es sehr lieb gewesen, wenn wir das Auslesen eines Handys nicht nur zur Feststellung der Identität nutzen könnten, sondern auch zur Feststellung des Reiseweges. Auch die Einbeziehung der Bundespolizei in den automatisierten Datenabgleich ist ein wichtiger Punkt.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111165 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Durchsetzung der Ausreisepflicht |