Sabine Sütterlin-WaackCDU/CSU - Bevollmächtigung im Bereich der Gesundheitssorge
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die noch hier bei uns auf der Tribüne sitzen! Hinter der Überschrift des Gesetzentwurfs verbirgt sich ein äußerst sensibler und emotionaler Sachverhalt, von dem die Bürger denken, er sei schon lange geltende Rechtslage. Im Falle einer plötzlich auftretenden schweren Erkrankung oder eines Unfalls können Ehegatten und Lebenspartner gegenwärtig nicht füreinander Entscheidungen über medizinische Behandlungen treffen. Ohne Vorsorgevollmacht muss jetzt grundsätzlich ein Betreuer in einem gerichtlichen Verfahren bestellt werden. Dies ist für die meisten Ehegatten und Lebenspartner eine nicht nachvollziehbare Belastung. Deshalb wollen wir nun ein Notvertretungsrecht im eng begrenzten Rahmen der Gesundheitssorge schaffen, und zwar ausschließlich dort. Die Bedenken der Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung haben wir dabei berücksichtigt.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Nicht wirklich!)
Ehegatten und eingetragene Lebenspartner haben ähnliche Pflichten wie ein Betreuer. Das bedeutet, dass die vertretenden Partner grundsätzlich an den Patientenwillen des erkrankten Ehegatten gebunden sind. Damit wahren wir das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen vollumfänglich. Zudem können Ärzte zukünftig Auskunft aus dem Zentralen Vorsorgeregister erhalten. Diese Änderung haben wir als notwendig angesehen, damit die behandelnden Ärzte schnellstmöglich ermitteln können, ob möglicherweise ein Widerspruch gegen das Notvertretungsrecht eingetragen wurde.
Ich habe schon in meiner ersten Rede zu diesem Gesetzentwurf gesagt, dass wir die inhaltliche Nähe des Gesetzentwurfs des Bundesrates dazu nutzen wollen, ein weiteres wichtiges Vorhaben im Betreuungsrecht auf den Weg zu bringen: eine Erhöhung der Vergütungssätze für Vereins- und selbstständige Berufsbetreuer. Bald zwölf Jahre ist es her, dass wir mit dem Inkrafttreten des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes ein pauschalisiertes Vergütungssystem für Vereins- und Berufsbetreuer eingeführt haben. Die Stundensätze des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes sind seitdem, also seit zwölf Jahren, nahezu unverändert. Durch einen Änderungsantrag sollen diese nun um 15 Prozent angehoben werden. Ich finde es richtig, dass die Vergütungssätze angehoben werden. Das befürworten im Übrigen auch alle Sachverständigen, die wir in der öffentlichen Anhörung im März gehört haben.
Wir wissen alle: Qualitativ hochwertige Arbeit muss auch entsprechend bezahlt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Und die Betreuer müssen genügend Zeit haben, um sich um ihre Betreuten zu kümmern.
(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Bedenken Sie bitte: Betreuer üben eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe aus. Sie unterstützen hilfebedürftige Menschen, die ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr ganz allein regeln können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Juristen kennen das Konstrukt: Vertrag zulasten Dritter. – So ähnlich ist es hier.
Wir beschließen ein Gesetz, das unmittelbar die Länderhaushalte und nur diese berührt. Wir sehen: Die Situation in den einzelnen Bundesländern ist völlig unterschiedlich. Die Not der Betreuungsvereine ist auch unterschiedlich stark ausgeprägt. In meinem Heimatbundesland Schleswig-Holstein zum Beispiel läuft die Förderung der Betreuungsvereine ganz gut. In anderen Bundesländern ist das weniger der Fall.
Die Justizressorts sehen aber geschlossen und unabhängig von der Parteicouleur keinen akuten Handlungsbedarf. Das wurde in einem überfraktionellen Gespräch mit den Vertretern der Länderjustizministerien im Rechtsausschuss vor wenigen Wochen deutlich. Ich habe Verständnis für die Position der Länder, wonach man zunächst das Gesamtbild der Qualität in der rechtlichen Betreuung abwarten will. Die Endergebnisse der beiden Forschungsvorhaben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz werden wir im Sommer dieses Jahres erfahren. Aber mein Appell an die Länder: Dann bekommen wir realistisch betrachtet keine Änderung vor Mitte oder Ende des nächsten Jahres mehr hin. So lange kann insbesondere eine große Zahl von Betreuungsvereinen nicht mehr warten. Wir müssen das bestehende System noch in dieser Legislaturperiode durch eine Anhebung der Vergütung stützen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Nur so retten wir insbesondere die Betreuungsvereine, die bekanntlich auch von der Betreuervergütung abhängen, über die nächsten Monate. Und nur dann können wir in Ruhe über die Qualität in der Betreuung eine Strukturdebatte führen.
Die allgemeine Preissteigerung über die letzten zwölf Jahre und die Einkommens- und Tarifentwicklung weisen deutlich darauf hin, was zu tun ist: Die Vergütungssätze müssen angepasst werden. Wir argumentieren ja auch nicht ohne empirische Grundlage. Der im Februar veröffentlichte Zwischenbericht zeigt, dass die Schere zwischen tatsächlich geleistetem und vergütetem Aufwand auseinandergeht. Wir brauchen eine schnelle Entlastung; denn wir können und wollen der Schließung von weiteren Betreuungsvereinen nicht mehr tatenlos zusehen. Wir würden sonst die über Jahre gewachsene Betreuungsstruktur verlieren und damit die Privatisierung von Betreuung fördern und das Ehrenamt schwächen. Was einmal verloren ist, meine Damen und Herren, kann nur mit viel Geld und oftmals viel später wieder aufgebaut werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Katja Keul hat als nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111193 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 234 |
Tagesordnungspunkt | Bevollmächtigung im Bereich der Gesundheitssorge |