Frank TempelDIE LINKE - Änderung des StGB - Wohnungseinbruchdiebstahl
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen vor einer wichtigen Bundestagswahl. Die Linke setzt jetzt besonders auf soziale Fragen und die Friedenspolitik, die Grünen haben das Image, für Umweltfragen zu streiten, die Union setzt im Wahlkampf traditionell auf die Sicherheitspolitik,
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Nicht nur im Wahlkampf!)
und die SPD steht für ein kräftiges sozialdemokratisches Sowohl-als-auch, also von allem ein bisschen, aber nichts so richtig.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Johannes Fechner [SPD]: So ein Quatsch! – Ulli Nissen [SPD]: Wir wollen was für die Menschen tun!)
Wenn wir also heute im Bundestag über härtere Strafen für Einbrecher sprechen, dann ist das ein ganz klares Signal, dass die Bundesregierung noch einmal mit einer Law-and-Order-Ideologie beim Wähler punkten möchte.
(Ulli Nissen [SPD]: Ist bei Ihnen schon mal eingebrochen worden? Das würde ich gern mal wissen!)
Doch es stellt sich die Frage, ob immer schärfere Gesetze wirklich für eine kompetente Innenpolitik stehen. Die Linke hat erhebliche Zweifel daran.
Sie sind es von mir gewohnt, dass ich bei solchen Debatten meine langjährige Erfahrung als Kriminalbeamter einbringe. Das werde ich auch heute tun, versprochen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ist in Ordnung!)
Aber auch aus meinem ersten Beruf als Schlosser kann ich einige Erfahrungen einbringen.
(Heiterkeit)
Ich habe gelernt, dass man eben nicht mit einem Hammer auf ein kaputtes Auto einschlagen und dann erwarten kann, dass das Auto anschließend wieder läuft. Ich muss schon genau hinschauen, warum das Auto kaputt ist, und dann bei dem Grund des Übels mit dem richtigen Werkzeug ansetzen.
Bei uns Innenpolitikern geht es nicht um ein kaputtes Auto, sondern um die innere Sicherheit, um Gefahren und um Kriminalitätsphänomene. Aber die Innenpolitiker der Großen Koalition haben einen Hammer, und der nennt sich Rechtsverschärfungen. Damit schlagen sie auf jedes Sicherheitsproblem ein, das sich ihnen bietet, oder sie konstruieren eins. Und jedem, der diesen Hammer nicht nutzen möchte – das haben wir gerade gehört –, werfen sie vor, dass er das Problem nicht beheben möchte.
Die Innenpolitik und die Rechtspolitik der Großen Koalition haben immer das gleiche einfallslose Muster: hohe Asylbewerberzahlen – Verschärfung der Asylgesetzgebung; mehr extremistische Gefährder – schärfere Sicherheitsgesetze; Gaffer auf der Autobahn – Strafverschärfung; mehr Wohnungseinbrüche – Strafverschärfung.
Aber halt, diese Logik hat ein kleines Problem. Nach den jüngsten Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik ist die Zahl der Wohnungseinbrüche eben nicht gestiegen, sondern gesunken.
(Burkhard Lischka [SPD]: Ja, in einem Jahr!)
Wenn das so ist, warum reden wir dann ausgerechnet jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, von Strafverschärfungen?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Davon reden wir seit zwei Jahren! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)
– Weil Wahlkampf ist, richtig.
Es gibt übrigens neben der inneren Sicherheit auch einige andere Themen. In meiner Heimat Ostthüringen droht im Jahr 2030 jedem zweiten Rentner die Altersarmut. Sie möchten nicht, dass darüber gesprochen wird; Sie wollen, dass das Thema Sicherheit den Wahlkampf bestimmt, und schüren deshalb Ängste, ähnlich wie es auch die AfD tut.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)
Im Osten liegen die Löhne nach wie vor im Durchschnitt 24 Prozent unter denen des Westens.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gerade die Rentner müssen wir vor Wohnungseinbrüchen schützen!)
Sie wollen nicht, dass darüber diskutiert wird, Sie wollen, dass über Gaffer, Gefährder und Einbrecher gesprochen wird.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das finden Ihre Rentner nicht gut, wenn eingebrochen wird!)
Warum die SPD hier im Bundestag immer wieder den Wahlkampfhelfer der CDU gibt, weiß ich nicht. Das tut mir auch leid.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Das ist doch billig! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Schwach!)
Helfen wird Ihnen das nicht; denn das Image der Law-and-Order-Partei ist nun einmal von der CDU/CSU besetzt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber gut, wenn das Thema Sicherheit schon besetzt werden soll, dann schauen wir uns einfach einmal an, wie es beim Thema Einbruchdiebstähle aussieht.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: 150 000!)
Da greife ich jetzt tatsächlich auf meinen Erfahrungsschatz als Kriminalbeamter zurück. Wer sind denn eigentlich diese Einbrecher? Es handelt sich überwiegend um junge Männer. In sehr vielen Fällen werden sie erst nach mehreren Einbrüchen ermittelt oder erwischt. Je geringer das Entdeckungsrisiko ist, umso weniger spielt übrigens bei diesen Tätern der mögliche Strafrahmen eine Rolle. – Herr Maas, da waren Sie einige Male eigentlich dicht dran. – Gerade bei den Einbruchdiebstählen agieren häufig in Banden organisierte Täter gemeinsam. Sie spezialisieren sich und sind oft nur mit hohem Ermittlungsaufwand durch die Polizei zu stellen. Einbrecher können lange unbekannt agieren, weshalb besonders in diesem Deliktfeld das Strafmaß kaum eine präventive Rolle spielt.
Die Opfer dieser Einbrecher – auch das ist uns klar – erleben oft nicht nur einen materiellen Schaden: Die Täter dringen in ihr intimstes Umfeld ein und hinterlassen Angst und Unsicherheit.
Was sind nun eigentlich wirklich die Stellschrauben, mit denen wir – das ist unsere Aufgabe – die Zahl der Einbrüche reduzieren können? Auf einen Täter kommt in der Regel eine Vielzahl von Einbrüchen. Es ist für die Gesamtzahl der Delikte ein wesentlicher Faktor, ob ein Täter 5, 10 oder 20 Einbrüche verübt, bevor er erwischt oder ermittelt wird. Bei organisierten Banden ist die Zahl der verübten Einbrüche im Schnitt noch einmal deutlich höher, weil sie schwerer gefasst werden können. Kein Einbrecher wird sein Gewerbe einstellen, weil ihm höhere Strafen drohen. Er fühlt sich ganz einfach nahezu sicher.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Seit wann ist Einbruch ein Gewerbe?)
– Lesen Sie mehr Krimis. Da steht das öfter so.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ich glaube, Sie lesen zu viele Krimis! – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Dreigroschenromane!)
Um die Zahl der Einbrüche zu verringern, können wir die Täter also nicht mit Straferhöhungen abschrecken, sondern wir müssen sie erwischen bzw. mit anderen Mitteln abschrecken.
(Beifall bei der LINKEN)
Man spricht übrigens – das sage ich in Richtung der Kollegen von der CSU – auch von gewerbsmäßigem Diebstahl. Wenn Sie ein bisschen mehr Fachliteratur lesen, dann können Sie die Krimis weglassen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich fange einmal mit den Stellschrauben an.
Die Ermittlungsarbeit ist langwierig und mit einem hohen Aufwand verbunden. Ausreichend erfahrene Ermittler können die Handschrift eines Täters lesen, Spuren auswerten, zu einem Gesamtbild zusammenfügen und so Tatverdächtige überführen.
Der Personalabbau bei der Polizei hat aber genau hier seine negativen Spuren hinterlassen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Es fehlt in vielen Dienststellen an ausreichend Ermittlern. Zu wenige Beamte müssen zu viele Delikte bearbeiten. Das ist eines der Hauptprobleme, und das muss korrigiert werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sehr hilfreich ist es übrigens zudem, wenn es bereits Tatverdächtige gibt, und es gibt Möglichkeiten, die Voraussetzungen dafür zu verbessern. Die schlaueste Frage von den Sicherheitsexperten der Union im Innenausschuss war, warum die meisten Einbrüche in der späten Nacht bzw. am sehr frühen Morgen stattfinden.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Weil es dann nicht so hell ist!)
– Ja: Einbrecher wollen keine Zeugen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)
Die Polizei setzt deswegen auf sogenannte Präventivstreifen. Das Ergebnis dieses taktischen Mittels ist, a) Täter auf frischer Tat zu ertappen – das ist übrigens die beste Art, Einbruchdiebstähle zu bekämpfen –, b) verdächtige Personen, die sich im Umfeld potenzieller Tatorte aufhalten und vielleicht Einbruchswerkzeuge oder Beutegut mit sich führen, durch Kontrollen zu identifizieren und – nicht zu vergessen – c) eine hohe Polizeipräsenz zur Nachtzeit in Gegenden, die für Einbrecher interessant sind, zu gewährleisten. Letzteres erhöht das Entdeckungsrisiko – der Justizminister hat auf diesen Faktor hingewiesen –, was den Täter tatsächlich von einer Tat abschrecken kann.
Doch da sind wir leider schon wieder beim Thema Stellenabbau. Ich habe in den letzten Monaten viele Polizeidienststellen von Saarbrücken über Gera bis Cottbus besucht, und die einstimmige Aussage war: Aufgrund des Personalabbaus sind diese Präventivstreifen wenig oder gar nicht mehr möglich. Vielerorts fahren verbliebene Streifenwagenbesatzungen nur noch von konkretem Auftrag zu konkretem Auftrag. So verringert sich jedoch die Chance, verdächtige Personen oder Täter auf frischer Tat festzustellen. Das geringere Entdeckungsrisiko hat dann eine vielfache Wirkung:
Erstens. Die Bevölkerung registriert die mangelnde Polizeidichte in der Fläche. Das Gefühl der Unsicherheit wird noch einmal erhöht, woraus die Bundesregierung mit diesem Antrag Kapital schlagen möchte.
Zweitens. Die geringere Entdeckungsgefahr senkt zudem die Hemmschwelle der Täter. Sie schlagen dreister und öfter zu.
Drittens. Ohne durch die Streifentätigkeit der Schutzpolizei festgestellte Tatverdächtige wird die Arbeit der Ermittler noch einmal schwieriger und langwieriger. Täter können mehr Einbrüche verüben, ehe sie gestellt werden.
Um es abzukürzen – meine Redezeit ist gleich um –: Auch ein besseres technisches Know-how bei der Spurensicherung kann zur schnelleren Ermittlung der Täter führen. Selbstverständlich gibt es auch soziale Komponenten beim Thema Einbruch.
(Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Justizminister hat richtigerweise gesagt: Häufig wird vorschnell Beschaffungs- oder Flüchtlingskriminalität zur Erläuterung von Einbruchszahlen herangezogen. Vergessen wird aber, dass das Armutsrisiko im eigenen Land ebenfalls ein Faktor bei der Zahl der Eigentumsdelikte ist.
Wir sehen also: Es gibt konkrete Stellschrauben zur Verringerung der Eigentumsdelikte. Man darf sie eben nur nicht in die falsche Richtung drehen. Den großen Hammer der Rechtsverschärfung brauchen wir nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir dürfen nur nicht durch Einsparungen an der falschen Stelle, also beim Personal, der Polizei die Handlungsspielräume nehmen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort erhält nun der Kollege Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111261 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 235 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des StGB - Wohnungseinbruchdiebstahl |