Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Im digitalen Zeitalter kann jeder ganz einfach mit seinem Smartphone die ganze Weltöffentlichkeit erreichen, kann seinen Hass, seine Hetze gegen Andersdenkende, Anderslebende, Andersgläubige und politische Minderheiten in die ganze Welt hinausposten, kann jedem den Tod wünschen, Vergleiche mit niederen Tieren ziehen und sich mit seinen Taten brüsten, wie zuletzt der Kindermörder aus Herne. Er kann sich aber auch an seinem Arzt rächen, dem er vielleicht auf einer Plattform zur Bewertung von Ärzten etwas einstellt, was nicht der Wahrheit entspricht. Damit müssen die Betroffenen dann umgehen. Was das mit ihnen machen kann, hat in dieser Woche eine Studie zum Cybermobbing dargelegt. Jugendliche leiden extrem darunter. Man ist dem ausgeliefert. Man ist in seinen Grundrechten und insbesondere in seinem Persönlichkeitsrecht zutiefst verletzt und betroffen.
Auf der anderen Seite löscht Facebook Einträge, zum Beispiel den Text des ehemaligen Radiomoderators Domian, der sich kritisch zur katholischen Kirche geäußert hatte; das passte Facebook nicht. Auch die ganze Seite des Islamkritikers Imad Karim war zunächst weg. Mittlerweile ist sie wieder da. Aber zuerst hat Facebook sie gelöscht.
Das sind zwei Beispiele, bei denen die Nutzer dieser Plattform in ihren Grundrechten betroffen sind, wo aber auch die Grundrechte aufeinandertreffen: auf der einen Seite das Grundrecht der Meinungsfreiheit, auf der anderen Seite das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit. Dabei geht es um eine Anzahl von Fällen, die es sehr schwer bis unmöglich macht, alle mit der Gründlichkeit eines individuellen Gerichtsverfahrens zu klären. In vielen Fällen – da wären wir uns alle hier sehr schnell einig – sind die Dinge eindeutig. Es gibt aber eben auch ein paar Fälle, deren Abgrenzung schwierig ist. Das alles geschieht vor dem Hintergrund, dass Eile geboten ist; denn jeder Post wird schnell weitergeklickt und gespeichert und ist damit uneinholbar in der Welt. Das ist also eine ziemlich schwierige Ausgangskonstellation, bei der sich Grundrechte auf beiden Seiten konträr gegenüberstehen.
Für uns ist klar: Hier besteht Handlungsbedarf. Das, was sich im Moment im Netz an Hass und Hetze abspielt, ist unerträglich. Das müssen wir unbedingt bekämpfen und eindämmen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Ausgangspunkt ist die große Zahl eindeutig rechtswidriger Äußerungen im Netz.
Der vorliegende Vorschlag sieht ein Beschwerdemanagement vor, ändert im Übrigen aber an der materiellen Rechtslage nichts in Bezug darauf, was zur Meinungsfreiheit gehört, was man sagen darf und wo die Grenze überschritten ist. An der bewusst weiten Grenze bzw. dem bewusst weiten Rahmen, den wir in Deutschland dem Grundrecht der Meinungsfreiheit einräumen, ist überhaupt nichts zu ändern. Trotzdem ist aber auch jetzt schon klar, dass Meinungsfreiheit nicht uneingeschränkt gilt, sondern dass es auch Grenzen gibt, nämlich dann, wenn es um eine strafbare Beleidigung, Verleumdung und Volksverhetzung geht. All das wird durch das hier vorliegende Gesetz nicht geändert.
Noch etwas anderes wird nicht geändert. Auch jetzt schon ist die Plattform für die Rechtsverletzungen, die dort passieren, mitverantwortlich. Dabei gelten die Grundsätze der Störerhaftung des deutschen Zivilrechts. Zum Beispiel gilt sie für Zeitungen. Auch diese müssen bereits jetzt prüfen, ob redaktionelle Texte oder Leserbriefe diesen Maßstäben gerecht werden. Wenn das nicht der Fall ist, dürfen sie auch in einer Zeitung nicht veröffentlicht werden. Auch an dieser Stelle haben wir also schon ein Prüfungsrecht und eine Prüfungspflicht durch eine private Stelle, nämlich die Zeitung.
Was in der analogen Welt gilt, muss nun in die digitale Welt übertragen werden. Leider ist es so, dass viele Internetplattformen dem nicht nachkommen. Uns liegen dazu ja Zahlen vor. Bei Facebook waren es 46 Prozent der Meldungen, die eindeutig kritikwürdig waren, worauf aber nicht entsprechend reagiert wurde. Bei Twitter war es sogar nur 1 Prozent. Es beginnt damit, dass die Betroffenen keine zustellungsfähige Adresse finden. Selbst dann, wenn es gemeldet werden konnte, passiert lange Zeit gar nichts. Das können wir so nicht stehenlassen.
Leider haben wir hier schon sehr viel Zeit mit runden Tischen und freiwilligen Appellen, die nichts gebracht haben, vertan. Leider stehen wir jetzt hier unter einem erheblichen Zeitdruck, gegen Ende der Legislaturperiode noch etwas Vernünftiges auf die Beine zu bekommen und das auch noch mit dem Notifizierungsverfahren in Brüssel abzustimmen. Wir hätten uns sicherlich einen großen Gefallen getan, wenn wir das deutlich früher in Angriff genommen hätten. Leider ist ein entsprechender Vorschlag nicht früher aus dem Ministerium gekommen.
Wir haben nun einen Vorschlag vorliegen, der eine schnelle Prüfung verlangt. Innerhalb von 24 Stunden muss reagiert werden, bei schwierigen Fällen innerhalb von einer Woche. Das alles geschieht unter der Aufsicht des Bundesamtes für Justiz, welches aber nur das Verfahren prüft. Man muss hier auch noch einmal klarstellen: Es gibt hier keine inhaltliche Kontrolle. Wenn ein Bußgeld auf die Behauptung der Rechtswidrigkeit gestützt werden soll, dann brauchen wir ein Vorentscheidungsverfahren bei Gericht, das dann mit der entsprechenden Expertise und Legitimation entscheidet.
Nun gibt es von beiden Seiten ja schon heftige Kritik. Im Bundesrat gibt es bereits eine Initiative aus dem Lande Bremen, mit der das Gesetz verschärft werden soll. Im Rechtsausschuss des Bundesrates haben auch alle Länder zugestimmt, dass vor allem der Anwendungsbereich erweitert wird. Dabei geht es zum Beispiel um kompromittierende Bilder und um Aufrufe zu erheblichen Straftaten. Das ist ja bisher noch gar nicht erfasst. Außer Bayern und Sachsen haben alle zugestimmt, sodass sozusagen alle Parteien dabei vertreten sind, wenn gefordert wird, dass wir das Gesetz verschärfen.
Auf der anderen Seite gibt es die heftige Kritik wegen der Sorge, dass hier eine Zensur stattfinde. Es gibt auch diejenigen – das ist besonders schön –, die zuerst gesagt haben: „Es kommt viel zu spät; es ist viel zu lasch“, jetzt sich aber um 180 Grad gedreht haben und nun von angeblicher Zensur sprechen. Dazu ist zu sagen: Man kann eben nicht beides haben.
Wir müssen uns aber die ehrliche Kritik von beiden Seiten anschauen und überlegen, wie wir das aufnehmen können. Was können wir noch verbessern? Ein guter Ausweg könnte sein, bei dieser Kontrolle dem Unternehmen selbst weniger Einfluss einzuräumen, weniger Staat einzubringen und dafür mehr pluralistisch organisierte Selbstkontrolle vorzusehen. Ich glaube, es würde sich lohnen – der Vorschlag ist schon gemacht worden –, wenn wir uns das Verfahren der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft bei der Alterseinstufung von Filmen – Stichwort Jugendschutz – anschauen. Ein solches Verfahren könnte mehr Akzeptanz und mehr Vertrauen der Betroffenen auf beiden Seiten ermöglichen. Wenn das ein Weg ist, sollten wir diese Chance nutzen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte kurz einen weiteren Punkt ansprechen. Wir brauchen dann, wenn die weiten Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten worden sind, auch Möglichkeiten, die Urheber von Hass und Hetze persönlich zur Verantwortung zu ziehen. Dafür brauchen wir einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Plattformbetreiber, also die Möglichkeit, die Identität des Betreffenden aufzudecken. Hier ist jetzt die Rechtsgrundlage vorgesehen, dass der Plattformbetreiber die Angaben herausgeben darf. Wir müssen aber noch einen Schritt weitergehen und den Auskunftsanspruch, den die Rechtsprechung bisher nur aufgrund von Treu und Glauben einräumt, ganz klar normieren und regeln.
Es geht nicht um die Abschaffung von Anonymität und Pseudonymität, auch wenn ich eigentlich der Meinung bin, dass wir uns im freien Austausch der Meinungen mit offenem Visier begegnen sollten. Jedenfalls muss aber Anonymität dann ein Ende bzw. eine Grenze haben, wenn es um krasse Rechtsverletzungen geht. Dann müssen die Opfer die Möglichkeit haben, diese Daten zu bekommen. Sonst sind sie letztendlich schutzlos gestellt. Das kann nicht das Ergebnis sein. Gerade der Schutzmantel der Anonymität hat oft dazu beigetragen, dass die Hemmschwelle für Hass und Hetze im Netz so gesunken ist. Das Wissen, dass die Anonymität im Fall des Falles auch einmal aufgehoben werden kann, kann schon heilsam wirken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wie gesagt, es ist schade, dass wir erst so spät in diese Beratungen hineingehen. Ich denke, wir müssen mit der notwendigen Gründlichkeit herangehen, weil es die Sache wert ist. Wir müssen den Opfern helfen, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Konstantin von Notz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111289 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 235 |
Tagesordnungspunkt | Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken |