19.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 235 / Tagesordnungspunkt 38

Stefan HeckCDU/CSU - Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, den wir heute in erster Lesung im Deutschen Bundestag behandeln, hat schon, bevor er uns hier erreicht hat, eine ungewöhnlich breite Debatte in der Öffentlichkeit ausgelöst. Ich glaube, wir sind gut beraten, die Einwände, die uns aus vielen Teilen der Gesellschaft erreichen, ernst zu nehmen und sie sorgfältig abzuwägen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Wenn man die Reden hier aufmerksam verfolgt hat – von Frau Sitte bis zu Herrn von Notz und die Reden aus den Reihen der Koalition –, dann kann man feststellen: In der Bestandsaufnahme sind wir uns zunächst einmal einig. Die derzeitige Praxis ist jedenfalls unbefriedigend. Viele soziale Medien haben sich zu Räumen entwickelt, in denen das Gesetz und das Recht, das unbestritten gilt, derzeit keine Anwendung finden. Dort wird gehetzt, dort wird beleidigt, und dort wird Hass verbreitet, häufig unter dem Deckmantel der Anonymität, meist jedenfalls ohne irgendeine Konsequenz für die Täter.

Dabei haben die Betreiber von sozialen Medien ein Privileg. Anders als zum Beispiel Presseverlage haften sie nicht in vollem Umfang für die Inhalte, die über sie verbreitet werden. Das Telemediengesetz verlangt lediglich, dass rechtswidrige Inhalte unmittelbar gelöscht werden, sobald der Betreiber von ihnen Kenntnis erlangt. Unsere ernüchternde Erkenntnis heute ist, dass viele Plattformen dieser Forderung überhaupt nicht nachkommen. Auf der Strecke bleiben dann die Nutzerinnen und die Nutzer, die sich ehrverletzenden Angriffen völlig hilflos ausgesetzt fühlen.

Wenn man sich damit beschäftigt, dann erfährt man: Es ist ein komplizierter Prozess, bis selbst eindeutig rechtswidrige Aussagen entfernt werden. Die Meldeportale sind zu kompliziert, das Verfahren ist undurchsichtig, und häufig gibt es niemanden, der am Ende als Ansprechpartner erreichbar ist. Hier entsteht der fatale Eindruck, dass strafbares Verhalten völlig sanktionslos hingenommen wird. Ich bin der festen Überzeugung: Diesen Zustand dürfen wir als Staat und als Gesetzgeber nicht länger dulden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Der Gesetzentwurf sieht verschiedene Maßnahmen vor – wir haben es eben schon erfahren –: Es soll eine Berichtspflicht zum Umgang mit strafbaren Inhalten geben. Es soll die Verpflichtung zu einem wirksamen Beschwerdemanagement geben. Es soll einen Auskunftsanspruch der Opfer zu den Bestandsdaten der Täter geben. Und es soll eine Bußgeldandrohung in empfindlicher Höhe bei Pflichtverstößen geben. Ich glaube, all das ist ein dringend notwendiges Signal; es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Gleichwohl – auch das will ich offen ansprechen – sehen wir bei einigen zentralen Punkten noch erheblichen Beratungsbedarf.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Ich bin nicht sicher, ob die Löschverpflichtung, die die sozialen Netzwerke in völliger Eigenregie umsetzen sollen, wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Wir haben – Frau Kollegin Winkelmeier-Becker hat es angesprochen – schon in verschiedenen Bereichen des Medienrechts die Einbeziehung von neutralen und allgemein anerkannten Akteuren. Das könnten wir uns hier auch sehr gut vorstellen.

Für uns als Fraktion ist ein Punkt ganz wichtig: Wir müssen einen Mechanismus finden, der rechtswidrige Inhalte zielgenau erkennt und ebenso zielgenau beseitigt, ohne dass durch eine zu weit gehende Löschpraxis sozusagen in vorauseilendem Gehorsam die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir stehen jetzt vor intensiven Beratungen. Zur Wahrheit gehört: Herr Minister, es wäre gut gewesen, wenn Sie dieses Gesetz schon sehr viel früher vorgelegt hätten und wir für die Beratungen erheblich mehr Zeit gehabt hätten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für uns gilt: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Aber wir wollen dieses Gesetzesvorhaben innerhalb der nächsten Sitzungswochen zu einem guten Abschluss bringen. Es geht hier um sehr grundsätzliche Fragen: Wie schützen wir die Wahrhaftigkeit in der öffentlichen Debatte? Wie kann sich der Rechtsstaat im digitalen Raum behaupten? Vor allem: Wie können wir Nutzerinnen und Nutzer wirksam vor Straftaten schützen?

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält die Kollegin Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7111293
Wahlperiode 18
Sitzung 235
Tagesordnungspunkt Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken
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