Elisabeth MotschmannCDU/CSU - Historische Verantwortung für die Ukraine
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem Zitat von Roman Herzog:
Europäische Identität bedingt die Herausbildung eines europäischen Gedächtnisses, das das Gemeinsame an Verantwortung ins Bewusstsein hebt.
Genau darum muss es gehen: um ein europäisches Gedächtnis und um gemeinsame Verantwortung.
Die ganze Tragik des NS-Vernichtungskrieges, aber auch die stalinistischen Gräueltaten in Osteuropa – insbesondere in der Ukraine – sind bisher viel zu wenig im europäischen Gedächtnis verankert bzw. in der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Deshalb ist es gut, dass der Antrag der Grünen mit der notwendigen Aufarbeitung beginnt und die historische Verantwortung Deutschlands hervorhebt. Mein ausdrücklicher Dank geht an Marieluise Beck, meine Bremer Kollegin. Ich danke ihr dafür, dass sie das hier vorgelegt hat.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist nicht wahr!)
Leider bezieht sich der Antrag – das wurde vielfach erwähnt – jedoch isoliert auf die Ukraine. Andere osteuropäische Länder, zum Beispiel Polen, die baltischen Staaten und Belarus, fehlen. Wir müssen aber festhalten: Nirgendwo wurde der NS-Vernichtungskrieg so brutal geführt wie in der Ukraine. Stellvertretend für die systematische Ermordung osteuropäischer Juden steht – auch das wurde erwähnt – die Schlucht von Babi Jar. Hier wurden innerhalb von 36 Stunden 33 761 Juden ermordet. Kinder wurden auf die Leichenberge geworfen und lebendig begraben, um Munition zu sparen. Eine Steigerung der Grausamkeiten gibt es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dies darf sich nun wirklich nie wiederholen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Heute befindet sich die Ukraine wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der kriegerischen Auseinandersetzung mit Russland im Donbass erneut in einer äußerst kritischen Situation. Täglich sterben Soldaten und Zivilisten. Wieder ist die Ukraine Opfer. Diesmal sind es die Machtinteressen Putins und sein Expansionswille, die das Land in eine tiefe Krise gestürzt haben. Hier setzt unsere, aber auch die europäische Verantwortung ein.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Und die Interessen Europas und der NATO!)
– Ja, Sie sind Putinversteher und Russlandversteher. Deshalb sehen Sie das anders.
(Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])
– Sie müssen es einfach ertragen, dass hier gesagt wird, was im Augenblick in der Ukraine wieder an Unrecht und Leid durch das russische System bzw. durch Putin produziert wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD] – Karin Binder [DIE LINKE]: Und durch die NATO nicht?)
In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, sich durch Bildungsarbeit und Kulturprojekte für eine Erinnerungskultur einzusetzen. Dies geschieht – das wurde eben auch erwähnt – auf vielfältige Weise. Allerdings müssen wir sagen: Der Blick zurück in die Geschichte ist nur der eine Teil unserer Verantwortung. Der andere Teil ist der Blick nach vorne. Das bedeutet, dass wir die Ukraine bei ihren Bemühungen auf dem Weg zu einem demokratischen Rechtsstaat unterstützen. Dieser Weg ist schwer und weit. Demokratische Kräfte ringen mit den Kräften, die verharren und alte Strukturen beibehalten wollen. Dennoch sind erste Erfolge sichtbar. Vieles steht noch aus: die Einrichtung von Korruptionsgerichten, weitere Privatisierungen, die Justizreform, die bessere Bezahlung der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Die Ukraine hat ein Umsetzungsproblem. Mit anderen Worten: Es fehlt noch ein Mindestmaß an politischer Kultur.
Dennoch: Die Maidan-Revolution – ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin – darf nicht umsonst gewesen sein. Wir müssen der russischen Propaganda entgegentreten, die den Maidan als Werk militanter Rechtsextremisten diffamiert. Das kann nicht richtig sein. Wer immer sich in die große Zahl der friedliebenden Demonstranten eingeschleust hat –
(Karin Binder [DIE LINKE]: Man kann sich die Welt auch schönreden!)
der Maidan war keine Bewegung von Rechtsextremisten.
(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Karin Binder [DIE LINKE]: Aber durchmischt mit Rechtsextremisten! Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen!)
Ich komme zum Schluss. Ich wollte so gerne noch auf die vielfältigen Kulturprojekte, die wir dort verwirklichen, eingehen. Ich schließe damit, dass ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich unserer Bundeskanzlerin dafür danken möchte, dass sie sich in unglaublich guter Weise dafür einsetzt, dass das Abkommen von Minsk eingehalten wird, dass der Konflikt beigelegt wird, dass die Sanktionen eingehalten werden,
(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Das läuft ja super!)
und dass sie viele Gespräche, Verhandlungen und Telefonate mit Putin – das ist schwer – geführt hat. Herzlichen Dank, Angela Merkel.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Elisabeth Motschmann. – Nächster Redner: Dr. Fritz Felgentreu für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Motschmann [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111311 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 235 |
Tagesordnungspunkt | Historische Verantwortung für die Ukraine |