19.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 235 / Tagesordnungspunkt 40

Helmut BrandtCDU/CSU - Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Besten Dank, dass Sie mir so Gehör verschafft haben. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Im Zusammenhang mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Parteiverbot wies der Präsident des Verfassungsgerichtes in seiner mündlichen Urteilsbegründung die Politik auf die Möglichkeit gesetzlicher Reaktionen unterhalb eines Parteiverbotes hin. Zwar lehnten die Karlsruher Richter mit ihrem Urteil vom 17. Januar den auf ein Verbot der NPD gerichteten Antrag des Bundesrates als unbegründet ab, allerdings ließ das Gericht auch keinen Zweifel daran, dass es sich bei der NPD um eine verfassungsfeindliche Partei handelt, aber in Anerkennung der besonders hohen Hürden, die das Grundgesetz vorgibt und die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte noch präzisiert wurden, geht jedenfalls nach Auffassung des Verfassungsgerichts von der NPD derzeit keine Gefahr aus, diese Ziele auch umzusetzen.

Dieses Ergebnis ist bei Beibehaltung der jetzigen Rechtslage unbefriedigend. Niemand kann verstehen, dass wir mit Steuermitteln als verfassungsfeindlich identifizierte Parteien auch noch unterstützen. Deswegen wollen wir den Anstoß, den uns das Bundesverfassungsgericht gegeben hat, gesetzgeberisch aufgreifen und als „Minus“ gegenüber einem Parteiverbot die Rechte und Privilegien verfassungsrechtlicher Parteien einschränken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Hierzu gehören die Teilhabe an der staatlichen Teilfinanzierung nach § 18 des Parteiengesetzes, aber auch indirekte Förderungen. So sind Parteien etwa von der Pflicht zur Entrichtung von Körperschaftsteuer befreit, private Personen, die einer Partei Zuwendungen zukommen lassen, werden einkommensteuerrechtlich günstiger gestellt. Das bedingt natürlich auch geringere Steuereinnahmen, also auf diesem Wege eine mittelbare Förderung dieser Parteien.

Deshalb stellt sich vielen und mir die Frage: Wie kommt unser Staat dazu, eine verfassungsfeindliche Partei, die unseren Staat, unsere Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit abschaffen will, dabei auch noch finanziell zu unterstützen? Dieser Zustand ist in meinen Augen eine Pervertierung des Sinns und Zwecks der staatlichen Parteienfinanzierung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Hinweise, die uns das Gericht sowohl in der mündlichen wie auch später in der schriftlichen Urteilsbegründung gegeben hat, haben uns diese Möglichkeiten eröffnet. Wir wollen deshalb Artikel 21 des Grundgesetzes verändern. Dabei ist uns bewusst, dass wir natürlich zum einen die Initiative des Bundesrates verfolgen, zum anderen aber auch berücksichtigen wollen und müssen, dass Parteien nach unserem Grundgesetz auch eine besondere Bedeutung haben und es nicht so einfach ist, in dieser Weise vorzugehen. Aber die Überprüfung, die in Zukunft ermöglichen wird, Parteien die staatliche Finanzierung zu entziehen, muss daher auch nach unserer Auffassung – insofern unterscheiden wir uns etwas von der Initiative des Bundesrates – vom Bundesverfassungsgericht durchgeführt werden – ich sagte es vorhin schon –, als „Minus“ gegenüber dem Parteiverbot.

Die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss sind deshalb auch ähnlich hoch wie bei einem Parteiverbot. Auch hier muss die verfassungsfeindliche Absicht einer Partei festgestellt werden. Anders als beim Parteiverbot kommt es allerdings nicht darauf an, ob die betreffende Partei auch über das Potenzial verfügt, ihre Ziele durchzusetzen.

Für den Ausschluss einer Partei von der staatlichen Teilfinanzierung und der steuerlichen Begünstigung gelten damit etwas geringere Voraussetzungen als für ein Parteiverbot. Um Kritikern ihre Argumente vorweg schon zu nehmen, haben wir das Für und Wider dieses Gesetzvorhabens abgewogen und die Bedenken berücksichtigt. Nach meiner und nach unserer Auffassung verbindet doch letztlich alle demokratischen Parteien ein Grundkonsens, dem das Wertesystem unseres Grundgesetzes und das Bekenntnis zu unserem demokratischen Rechtsstaat zugrunde liegt. Dies ist auch vom Grundgesetzgeber so gewollt. Dies unterscheidet demokratische Parteien aber in einem zentralen Punkt von extremistischen Parteien, wie es die NPD ist. Genau deshalb sehe ich im Fall von Parteien, deren erklärtes Ziel ist, unsere Demokratie abzuschaffen, die von uns vorgenommene und beabsichtigte Aktion unterhalb der Schwelle eines Parteiverbotes und den mit dem Ausschluss von der Parteienfinanzierung verbundenen Eingriff in die Chancengleichheit als gerechtfertigt und geboten an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Demokratie – das wissen wir alle – muss falsche Lehren und grobe Dummheiten aushalten können. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen und die Gleichwertigkeit von Meinungen sind das Wesensmerkmal der Demokratie. Klar ist aber ebenso, dass wir extremistisches Gedankengut durch den Geldentzug nicht ausmerzen können. Eine Streichung von Geldern kann leider weder Dummheit noch eine menschenverachtende Ideologie verhindern. Die Politik, aber auch die Gesellschaft stehen hier weiter in der Verantwortung, sich mit solchen Parteien auseinanderzusetzen. Eine wehrhafte Demokratie darf es aber auch nicht einfach hinnehmen, dass die Grundprinzipien der Verfassung mit ihren eigenen Mitteln untergraben werden.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Ich bitte Sie alle: Lassen Sie uns mit diesem Gesetz ein deutliches Zeichen gegen extremistische Parteien setzen.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Helmut Brandt. – Nächste Rednerin: Ulla Jelpke für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7111320
Wahlperiode 18
Sitzung 235
Tagesordnungspunkt Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)
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