19.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 235 / Tagesordnungspunkt 40

Eva HöglSPD - Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserer Demokratie haben Feinde der Demokratie keinen Platz. Das ist eine wichtige Lehre aus unserer deutschen Geschichte. Deswegen haben wir eine sogenannte wehrhafte Demokratie. Das heißt: Meinungsfreiheit, politische Vielfalt, Streitkultur, Chancengleichheit und auch Parteienprivileg. Aber das heißt auch, dass wir klare Regeln dafür brauchen, wenn die Grenzen überschritten sind. Wenn Feinde der Demokratie die Demokratie abschaffen wollen oder sie mit Füßen treten, dann sehen wir nicht tatenlos zu, sondern handeln.

(Beifall bei der SPD)

Artikel 21 des Grundgesetzes ist ein Ausdruck unserer wehrhaften Demokratie. Ich sage es ganz deutlich: Die SPD hätte es sich gewünscht, wenn das Bundesverfassungsgericht die NPD verboten hätte. Das wäre ein ganz wichtiger Beitrag zum Engagement gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit gewesen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man sich doch nicht einfach wünschen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das Bundesverfassungsgericht ist doch kein Wunschkonzert!)

Ich bin sehr dankbar, dass der Bundesrat ein exzellent vorbereitetes und wunderbar organisiertes Verfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet hat. Ich fand und finde es immer noch peinlich, dass der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung sich diesem Verfahren nicht angeschlossen haben.

(Beifall bei der SPD – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das war gut so!)

Wir wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ein Parteiverbot löst nicht alle Probleme, die wir mit Verfassungsfeinden haben, aber ein Parteiverbot ist ein ganz wichtiger Baustein. Deswegen – ich sagte es schon – ist es schade, dass das Bundesverfassungsgericht die NPD nicht verboten hat. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, die NPD sei nicht gefährlich genug, sie sei unbedeutend.

Das Bundesverfassungsgericht hat aber ausdrücklich festgestellt, dass die NPD verfassungsfeindlich ist. Es hat uns in der Urteilsverkündung einen ganz wichtigen Hinweis gegeben – uns hier, dem Gesetzgeber –, nämlich dass wir bei der Finanzierung von verfassungsfeindlichen Parteien etwas tun können. Deswegen bringen wir heute ein entsprechendes Gesetz und die Grundgesetzänderung auf den Weg.

Die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts greifen wir gerne auf. Wir wissen aus unseren Gesprächen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das, was Bürgerinnen und Bürger am meisten empört, ist doch – das haben alle bisher schon ausgeführt –, dass verfassungsfeindliche Parteien auch noch Staatsgelder bekommen. Das stößt auf Unverständnis und ist nicht zu rechtfertigen. Allein die NPD – nur ein Beispiel – hat in den Jahren 2014, 2015 und 2016 jeweils über 1 Million Euro aus staatlichen Kassen bekommen. Das ist nicht hinnehmbar. Sie finanziert damit eine menschenverachtende Hetze. Das wollen wir beenden, und das machen wir jetzt auch.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundesrat hat am 10. März 2017 eine exzellente Vorlage beschlossen. Ich danke auch dem Land Niedersachsen für die tolle Initiative. Noch im Gerichtssaal des Bundesverfassungsgerichts wurde gesagt: Das gehen wir an, das bringen wir jetzt auf den Weg. – Der Gesetzentwurf entspricht genau dem, was im Bundesrat schon diskutiert wurde.

Wir schaffen die Möglichkeit, die öffentliche Parteienfinanzierung zu entziehen, wenn eine Partei verfassungsfeindlich ist. Wir haben die identischen Antragsteller wie beim Parteiverbot: Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag. Es entscheidet das Bundesverfassungsgericht, und das ist auch richtig. Nur das Bundesverfassungsgericht kann darüber entscheiden. Wir schaffen zum einen die zusätzliche Möglichkeit, die Parteienfinanzierung zu entziehen, und zum anderen kann dieser Antrag auch hilfsweise zu einem Verbotsverfahren gestellt werden. Das ist ein gutes Regularium. Die Parteien bekommen die Chance, nach vier Jahren überprüfen zu lassen, ob sie immer noch verfassungsfeindlich sind, und das gegebenenfalls feststellen lassen.

Man hätte sich vorstellen können, noch weiter zu gehen, zum Beispiel Parteien von der Nutzung von Sendezeiten oder der Nutzung öffentlicher Gebäude auszuschließen. Aber wir haben uns aus guten Gründen entschieden, die Chancengleichheit nicht vollständig zu reduzieren, sondern den Parteien die Möglichkeit zu lassen, auf einen guten Weg zurückzukehren.

Der Gesetzentwurf und die Grundgesetzänderung, die wir vorlegen, sind ausgewogen und zwingend, um unsere Demokratie weiter stark und wehrhaft zu halten. Ich sage es ganz deutlich: Wir schaffen keine „Lex NPD“; denn dieses Gesetz gilt für alle Parteien, die nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen und sich gegen unsere Verfassung wenden.

Natürlich wissen wir hier im Deutschen Bundestag – das sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich –: Dies ist ein Baustein unseres Engagements gegen Extremisten in unserer Gesellschaft. Wir müssen uns weiterhin mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, mit allen Möglichkeiten, mit Prävention, politischer Bildung, Polizei, Justiz und Verfassungsschutz – auch der gehört dazu; da sind wir hier ja nicht immer derselben Auffassung –, gegen die Feinde der Demokratie engagieren, um unsere Demokratie zu stärken.

Ich wünsche mir ehrlich gesagt eine große Zustimmung im Deutschen Bundestag. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch die beiden Oppositionsfraktionen diesen Vorschlägen zustimmen und wir hier gemeinsam sagen: Wir stärken unsere wehrhafte Demokratie.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Eva Högl. – Nächste Rednerin in der Debatte: Britta Haßelmann für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7111324
Wahlperiode 18
Sitzung 235
Tagesordnungspunkt Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)
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