19.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 235 / Tagesordnungspunkt 40

Tim OstermannCDU/CSU - Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es schon gehört: Ausgangspunkt dieses Gesetzgebungsvorhabens ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren. In seinem Urteil stellt das Gericht unmissverständlich fest, dass die NPD verfassungswidrig ist, weil sie gegen die Menschenwürde verstößt, weil sie die Demokratie und den Rechtsstaat bekämpft und weil sie wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus ist. Diese Feststellung machen fast 50 Seiten des Urteils aus. Dennoch wurde, wie wir alle wissen, der Antrag auf Verbot der NPD zurückgewiesen mit der Begründung, die NPD sei bedeutungslos, die NPD sei – zum Glück – eine Partei ohne Aussicht auf politischen Erfolg. Dieser ist aber für die Durchsetzung der verfassungsfeindlichen Ziele erforderlich.

Das Bundesverfassungsgericht hat erkannt, dass das Ergebnis des Verfahrens etwas unbefriedigend ist. Eine Partei wird als verfassungsfeindlich eingestuft, kann ihr Treiben aber trotzdem uneingeschränkt fortsetzen. Bisher gilt nun einmal das Alles-oder-nichts-Prinzip. Darum hat der Senat dankenswerterweise auf Handlungsmöglichkeiten für gestufte Sanktionen gegenüber Parteien mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung aufmerksam gemacht.

Wenn man an mögliche Sanktionen denkt, kommt man sehr schnell auf die Idee, verfassungsfeindlichen Parteien die finanzielle Unterstützung des Staates zu entziehen. Das Gericht merkte in seinem Urteil an, dass der Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung nach der geltenden Verfassungslage ausgeschlossen sei. Daher bestehe für Sanktionen unterhalb der Ebene des Parteienverbots kein Raum, solange der verfassungsändernde Gesetzgeber keine abweichenden Regelungen trifft. Das ist schon ein sehr deutlicher Hinweis. Um ganz sicher zu gehen, hat Gerichtspräsident Voßkuhle dieses Thema bei der Urteilsverkündung aufgegriffen.

Bundestag und Bundesrat haben zugehört und das Urteil genau gelesen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Bei den einleitenden Worten! Nicht beim Urteil!)

Schnell war klar: Dieser Hinweis soll auch umgesetzt werden. Auch, aber nicht nur für die Öffentlichkeit ist es schlichtweg nicht nachvollziehbar, wenn eine Partei, deren Verfassungsfeindlichkeit vom Verfassungsgericht festgestellt worden ist, durch den Staat, den sie abschaffen will, alimentiert wird.

(Burkhard Lischka [SPD]: Genau!)

Steuergelder dürfen nicht in die Hände von Verfassungsfeinden geraten. Auch dies gehört zur wehrhaften Demokratie.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Zwar werden es glücklicherweise immer weniger Bürger, die der NPD bei Wahlen ihre Stimme geben, aber es sind immer noch zu viele.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woanders sind immer mehr! Wo war das noch?)

Jede Stimme verschafft der NPD einen Zuschuss aus dem Steuersäckel: 1,1 bis 1,4 Millionen Euro pro Jahr. Wir sagen: Jeder Cent für die NPD ist ein Cent zu viel.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Darum ist das Ziel seit längerem klar. Nur der Weg war fraglich. Wie setzt man dies gesetzgeberisch um? Natürlich ist das – hier muss ich denjenigen, die das kritisiert haben, recht geben – juristisch ambitioniert. Wir wollen nun durch eine Änderung des Grundgesetzes unterhalb eines Verbots eine geeignete und vor allem rechtlich unangreifbare Maßnahme schaffen. Für diese Maßnahme kommt es nicht darauf an, ob die verfassungsfeindliche Partei mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Erfolg haben kann. Eine gegen unsere Verfassung gerichtete Zielsetzung genügt hierfür. Es ist übrigens egal, ob diese gegen die Verfassung gerichtete Zielsetzung von rechts oder von links kommt, Frau Kollegin Jelpke.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir müssen gegen beides vorgehen. Da muss die wehrhafte Demokratie ihre Wehrhaftigkeit zeigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist auch ein Kritikpunkt!)

Es ist auch richtig, dass das Verfassungsgericht über eine solche Maßnahme entscheiden soll. Denn schon der Schein, dass ein politischer Mitbewerber einem Konkurrenten die Grundlage für seine Existenz entziehen könnte, sollte vermieden werden. Darum ist es sachgerecht, unmittelbar das Bundesverfassungsgericht entscheiden zu lassen.

Bundestag und Bundesrat haben zwar die gleiche Zielsetzung, aber es gibt dennoch zwei Gesetzesinitiativen; das ist nicht ungewöhnlich. Die von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwürfe sind mit denen des Bundesrates im Wesentlichen inhaltsgleich. Die Formulierungen der Koalitionsfraktionen – das meinen jedenfalls wir – sind vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch etwas präziser.

Vor allem enthält das Begleitgesetz der Koalition alle erforderlichen steuerrechtlichen Folgeänderungen. Denn der Staat fördert die Tätigkeit von Parteien auch indirekt: Parteien sind zum Beispiel von der Pflicht zur Entrichtung der Körperschaftsteuer befreit, und Privatpersonen, die einer Partei Geld zuwenden, haben eine Abzugsmöglichkeit bei der Einkommensteuer. Dies fördert mittelbar die jeweilige Partei. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass in einem solchen Fall die steuerrechtlichen Privilegien wegfallen. Das sieht auch der Bundesrat so. Aber gerade an dieser Stelle ist der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen etwas umfassender.

Ein weiterer Unterschied zwischen diesen beiden Initiativen ist die Länge der Frist, nach deren Ablauf die sanktionierte Partei eine Überprüfung verlangen kann. Der Bundesrat schlägt eine Frist von zwei Jahren vor, wir als Koalition halten eine Frist von vier Jahren für angemessen. Dass es überhaupt eine Überprüfungsfrist geben soll, ist sinnvoll; denn schließlich muss es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Chance auf Läuterung geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz der kleinen Unterschiede zwischen den beiden Gesetzesinitiativen möchte ich abschließend mit Blick auf die Bundesratsbank betonen: Es besteht eine große Übereinstimmung mit dem Bundesrat im Ziel: kein Cent vom Staat für die NPD und für andere verfassungsfeindliche Parteien.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Tim Ostermann. – Ich begrüße recht herzlich Boris Pistorius, den Minister für Inneres und Sport des Landes Niedersachsen. Oje, dann brauchen Sie morgen Nachmittag starke Nerven – es geht um Fußball –, ich auch als Augsburg-Fan. Boris Pistorius redet jetzt für den Bundesrat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7111331
Wahlperiode 18
Sitzung 235
Tagesordnungspunkt Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)
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