Boris Pistorius - Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, starke Nerven brauchen morgen sicherlich viele der Anwesenden hier. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor den Senatswahlen in Berlin im Jahre 2011 hingen in der Stadt 22 000 Wahlplakate der NPD mit dem Slogan „Gas geben“. Darauf war ihr damaliger Vorsitzender auf einem Motorrad abgebildet. Diese Plakate hingen unter anderem auch am Holocaust-Mahnmal und vor dem Jüdischen Museum. Für einen billigen Werbeeffekt und dreckige Lacher aus der braunen Ecke hatte die NPD die Opfer des Holocaust wieder einmal verhöhnt. Diese im krassen Gegensatz zu den Grundwerten unserer Demokratie und unseres Grundgesetzes stehende Partei hatte sich wie schon so oft davor und danach als Partei des Hasses und der Hetze in der Tradition der Nazis entblößt, ohne jede Scham und ohne jede Moral.
Finanziert wurde diese abscheuliche Plakataktion auch aus den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Nach dem Parteiengesetz erhalten nun einmal alle Parteien je nach Stimmenanteil bei den verschiedenen Parlamentswahlen staatliche Mittel zur Finanzierung ihrer Wahlkampfkosten und damit eben auch die NPD. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Diese gesetzliche Regelung hat zweifellos ihre Berechtigung. Auch kleineren demokratischen Parteien – dass die NPD ziemlich klein ist, hat gerade erst das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe festgestellt – muss es im Sinne eines fairen Wettbewerbs ermöglicht werden, Wahlkampf zu machen. Die Programmatik, das Auftreten und die Rhetorik von Politikerinnen und Politikern der NPD zeigen jedoch unübersehbar eindeutige Parallelen zur NS-Ideologie eines völkischen Nationalismus, die nichts, aber auch gar nichts mit dem Modell unserer freiheitlichen Demokratie am Hut hat, in der wir leben. Gleichzeitig beschönigen oder verherrlichen sie eines der grausamsten Verbrechen der deutschen Geschichte, den Holocaust. Deshalb war es richtig, dass der Bundesrat 2013 das NPD-Verbotsverfahren erneut auf den Weg gebracht hat,
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
leider ohne die Unterstützung des Deutschen Bundestages.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar wurde die NPD zwar nicht verboten, das Gericht hat aber unmissverständlich festgestellt: Die NPD ist verfassungsfeindlich. Ich zitiere:
Ihre Ziele und das Verhalten ihrer Anhänger verstoßen gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips.
Die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist das Herz unseres Grundgesetzes. Plakate wie 2011 im Berliner Wahlkampf belegen: Die NPD missachtet die Menschenwürde, ja sie verachtet sie. Alles, was nicht in ihrem Sinne deutsch ist, ist ihr zuwider.
Dankenswerterweise hat das Bundesverfassungsgericht erstmals die rote Linie unmissverständlich definiert, die von keiner Partei überschritten werden darf, wenn sie sich nicht der Gefahr aussetzen will, als verfassungsfeindlich eingestuft und verboten zu werden.
Es hat nur deshalb nicht für ein Parteiverbot gereicht, weil die NPD schlicht zu bedeutungslos geworden ist.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wussten wir ja vorher!)
Was für ein Pyrrhussieg für diese Partei! Was für ein vernichtendes Urteil, dass es nur aufgrund der eigenen gegenwärtigen Irrelevanz nicht zum Verbot gereicht hat!
Trotz dieser höchstrichterlich attestierten Verfassungsfeindlichkeit bei gleichzeitiger Bedeutungslosigkeit erhält die NPD weiterhin Steuergelder, unter anderem, um ihre Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen. Ich finde es unerträglich, dass eine Partei, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und damit unser Staatssystem ablehnt, von diesem auch noch Unterstützung erhält.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wie soll ich zum Beispiel einem Jugendlichen oder einem Erstwähler klarmachen, dass ausgerechnet diejenigen, die unsere Demokratie abschaffen wollen, aus Steuergeldern mitfinanziert werden?
Aus diesem Grund und vielen anderen Gründen war es auch so wichtig, sofort nach dem Karlsruher Richterspruch zu handeln.
(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja!)
Wir haben bei der Urteilsverkündung aufmerksam zugehört und nachgelesen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Bundesverfassungsgericht hat uns nämlich in seinem Urteil den Hinweis gegeben – das war geradezu ein Wink mit dem Zaunpfahl –, dass aufgrund der festgestellten Verfassungsfeindlichkeit der Ausschluss der NPD aus der Parteienfinanzierung durch eine Grundgesetzänderung möglich sei.
Wir haben diesen Ball in Niedersachsen sofort aufgenommen und uns mit einer Bundesratsinitiative für eine entsprechende Grundgesetzänderung auf den Weg gemacht. Es wäre ein wichtiges und starkes demokratisches Signal, wenn der Bundestag nur wenige Monate nach dem Urteil aus Karlsruhe diesen historischen Schritt gehen und eine klare Grenze für alle extremistischen Parteien ziehen würde.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Parlament gäbe damit ein starkes Signal für unsere wehrhafte Demokratie und gegen die abgewrackte Naziideologie der NPD ab.
Diese Grundgesetzänderung würde – anders als gelegentlich kritisiert – keinesfalls zu einer Einschüchterung von politischen Konkurrenten führen. Sie betrifft schließlich ganz klar nur solche Parteien, die eindeutig höchstrichterlich als verfassungsfeindlich eingestuft wurden. Alle Parteien, die sich im Kern zu unserer demokratischen Verfassung bekennen, werden davon in keiner Weise betroffen sein.
Das ist eben keine Symbolik, und niemand, der sich für dieses Gesetz einsetzt, glaubt ernsthaft daran, dass damit das Problem des Rechtsextremismus gelöst sei. Nein, das ist nur ein Baustein im gemeinsamen Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich würde mich sehr freuen – und ich bin hier zuversichtlich –, wenn nach den nun folgenden Ausschussberatungen alle Parteien in diesem Hohen Haus dieser wichtigen Änderung des Grundgesetzes sowie des Begleitgesetzes zustimmen würden. Schließlich hat auch der Bundesrat dieser Initiative einstimmig zugestimmt, das heißt unter Zustimmung aller 16 Bundesländer, also auch derjenigen, in denen die Grünen mitregieren.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber Föderalismus, Herr Pistorius! – Gegenruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Aber die Grünen waren dabei! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das seid ihr doch! – Burkhard Lischka [SPD]: Die Grünen sind eine Selbsthilfegruppe!)
Wer Volksverhetzung betreibt, tritt die Grundrechte in unserer Verfassung mit Füßen. Wer die Menschenwürde missachtet, stellt sich außerhalb unserer Gesellschaft. Wer unsere freiheitlich-demokratischen Werte und die Wesenselemente unseres Grundgesetzes ablehnt und bekämpft, wer damit Feind unserer Verfassung ist, der darf keine staatliche Unterstützung mehr bekommen, um seine Hassbotschaften zu verbreiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)
Vielen Dank, Boris Pistorius. – Der letzte Redner in dieser Debatte: Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7111332 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 235 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien) |