19.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 235 / Tagesordnungspunkt 40

Alexander HoffmannCDU/CSU - Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollegin Jelpke, ich will es einfach einmal ganz undiplomatisch rüberbringen: Ich fand Ihre Randbemerkung in Richtung Union unerträglich, und ich will Ihnen sagen: Für die Partei, die als Nachfolgepartei der SED hier sitzt, für die Partei der Steinewerfer,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Na, Sie machen das ja selber! Dann lassen Sie es doch!)

ist das ein starkes Stück gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie hießen die Blockparteien in der DDR?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Voraussetzung für Demokratie ist Freiheit. Diese Freiheit macht die Demokratie am Ende des Tages auch wieder verletzlich, weil gerade diese Freiheit unter Umständen genau das Risiko erzeugt, dass sie ausgenutzt wird, um die Demokratie oder die verfassungsrechtliche Ordnung abzuschaffen.

Parteien sind in einer Demokratie unentbehrlich. Sie geben politische Orientierung. Sie geben eine politische Richtung, und sie wollen den Menschen die Möglichkeit geben, eine politische Heimat zu finden und sich politisch auszurichten. Deswegen ist es letztendlich eine Gratwanderung, einerseits die Parteienvielfalt zu ermöglichen, aber andererseits dann von staatlicher Seite Grenzen zu setzen.

Die Grenzen sind bei den Voraussetzungen für ein Parteienverbot definiert. Nach Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz kann das Bundesverfassungsgericht eine Partei auf Antrag dann verbieten, wenn die Partei „nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger“ darauf ausgeht, „die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen“.

Bislang ist die Streichung der Parteienfinanzierung erst nach diesem Verbot möglich. Am 17. Januar 2017 ist das Verbotsverfahren an sich gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, dass die NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, aber die Strukturen und die Größe der Partei zu gering sind, um davon auszugehen, dass sie darauf ausgerichtet ist – wie es Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz fordert; das heißt sozusagen, dass es von der Wirksamkeit her ausreicht –, die verfassungsrechtliche Grundordnung zu beseitigen.

Wenn man diese Entscheidung zum ersten Mal liest, schluckt man zunächst einmal. Man wundert sich auch ein Stück weit; denn entweder ist eine Partei verfassungsfeindlich, oder sie ist es nicht. Wenn sie verfassungsfeindlich ist, dann muss als Konsequenz zwingend das Verbot folgen. Dennoch ist dies eine Entscheidung im Sinne des neuen Artikels 21 Absatz 4 Grundgesetz, was bei dieser unglaublich sensiblen Frage selbstverständlich unentbehrlich ist.

Der zweite Punkt, der ein bisschen Bauchschmerzen macht, ist – auch da muss man ehrlich sein –: Wie lange muss man denn warten? Muss man tatsächlich so lange warten, bis eine Partei Struktur und Größe hat, um dann letztlich größeren Schaden anzurichten? Dabei denkt man schon ein wenig an die Vergangenheit; denn genau diese Fehleinschätzung gab es schon einmal.

Heute kann ich dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr viel mehr abgewinnen. Denn das Verfassungsgericht hat uns Zwischentöne aufgezeigt, nämlich die Möglichkeit des Ausschlusses der Parteienfinanzierung und des Ausschlusses von steuerlichen Privilegien als Vorstufe, und damit meiner Meinung nach letztlich das Parteienverbot neu als Ultima Ratio definiert.

Ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir heute fraktionsübergreifend das ganz klare Signal setzen, dass wir gemeinsam unsere Demokratie schützen wollen. Es kann nicht sein, dass eine Partei mit staatlichen Mitteln finanziert wird und gleichzeitig das Ziel verfolgt, die verfassungsrechtliche Ordnung dieses Staates auf den Kopf zu stellen bzw. zu beseitigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen – auch diese Bemerkung kann ich mir nach Ihrer Rede, Frau Kollegin Haßelmann, die mich durchaus in Erstaunen versetzt hat, nicht verkneifen – die Demokratie mit Gesetzen schützen statt mit Stuhlkreisen, wie Sie es offensichtlich wollen.

(Widerspruch der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich freue mich auf die weitere Beratung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Alexander Hoffmann. – Dann schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 18/12357, 18/12358, 18/12100 und 18/12101 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Die gibt es nicht. Sie beschäftigen sich ja auch gerade mit anderen Fragen. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7111334
Wahlperiode 18
Sitzung 235
Tagesordnungspunkt Änderung des Art. 21 des Grundgesetzes (Parteien)
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