19.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 235 / Tagesordnungspunkt 42

Stephan StrackeCDU/CSU - Stress in der Arbeitswelt

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Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Im Kern geht es bei dieser Debatte um das Thema „Flexibilität, Arbeitszeit,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, es geht um Gesundheit!)

Zeitsouveränität und Schutz vor Überlastungen“.

Die Digitalisierung hat sicherlich erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Das meiste davon können wir in der Schärfe noch gar nicht abbilden. Aber Unternehmen können in der digitalen Arbeitswelt von räumlich und zeitlich flexiblen Wertschöpfungsprozessen profitieren. Für Arbeitnehmer bieten sich große Chancen auf mehr selbstbestimmtes Arbeiten.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Thema ist Stress in der Arbeitswelt!)

Es geht letztlich um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mehr Zeit- und Ortssouveränität sowie lebensphasenorientiertes Arbeiten sind hier die Stichworte.

Die entscheidende Frage lautet, wie es uns gelingen kann, den Zugewinn an Flexibilität verantwortungsvoll zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzuteilen. Dabei sehen wir die Frage als zentral an, wie wir das organisieren. Hier sind letztendlich die Betriebe und die Sozialpartner gefragt. Es ist ihre ureigene Aufgabe, den Gewinn an Flexibilität in der digitalen Arbeitswelt zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Unternehmen in der Praxis zu gestalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen ist es immer gut, das Geschehen vor Ort im Blick zu behalten und die Tarifautonomie zu wahren. Wir brauchen in unserer Arbeitswelt weiß Gott kein starres Korsett von staatlicher Seite. Diese Kritik richtet sich gleichermaßen gegen die Vorschläge der Bundesarbeitsministerin zur Anpassung des Arbeitsrechts im Rahmen des Weißbuchs 4.0. Ein Trommelfeuer aus punktuellen gesetzlichen Maßnahmen hilft nicht weiter. Wir sprechen uns für betriebliche und tarifliche Vereinbarungen aus, um passgenaue Lösungen zu finden.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wären wir noch beim 16-Stunden-Tag!)

Ich habe zu Beginn gesagt, dass es um einen Interessenausgleich geht. Es gibt sicherlich große Unterschiede. Deswegen möchte ich noch etwas zum Rückkehrrecht bei Teilzeitbeschäftigung sagen. Dabei müssen wir im Blick behalten, dass wir Planungssicherheit für die Unternehmen brauchen. Wir dürfen insbesondere kleine Unternehmen nicht überfordern. Es ist gerade für sie überlebenswichtig, dass ein konstanter Betriebsablauf gewährleistet wird. Flexibilität und Arbeitsvolumen sind nun einmal untrennbar miteinander verbunden. Deswegen ist es unsere Leitlinie, die Belange der Arbeitgeber auf der einen Seite und die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der anderen Seite angemessen in Einklang zu bringen.

(Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Der Vorschlag der Bundesarbeitsministerin geht in weiten Teilen über das hinaus und stellt eine unverhältnismäßige Belastung dar. Flexibilität ist ein Maßanzug, der sowohl den Unternehmen als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern passen muss. – Nun hat der Kollege Kurth – Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Frau Präsidentin – das Wort.

Aber ich bitte, es kurz zu machen.

Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ich kann es kurz machen. Herr Stracke, Sie haben davon gesprochen, was für die kleinen Unternehmen wichtig ist, zum Beispiel Kontinuität. Stimmen Sie mir dann zu, dass das Allerwichtigste für die Unternehmen ist, dass ihre Arbeitskräfte gesund bleiben, dass sie nicht dauerhaft ausfallen und dass sie nicht innerlich kündigen, kurzum: dass sie keinem Stress, der gesundheitsschädlich ist, am Arbeitsplatz ausgesetzt sind?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Kurth, natürlich liegt es im Interesse der Unternehmen, dass es ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gut geht; das ist doch selbstverständlich. Das liegt im ureigenen Interesse der Arbeitgeber. Deshalb lehnen wir beispielsweise eine Antistressverordnung ab.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist unlogisch, Herr Kollege! – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ich fürchte, Sie haben die Frage nicht verstanden! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die ist arbeitnehmerfreundlich!)

Wir haben in diesem Bereich zwei Entwicklungen zu verzeichnen, Herr Kurth. Zum einen werden im Zuge der Digitalisierung einfache und ständig wiederkehrende Tätigkeiten automatisiert. Das nimmt Belastungen weg. Das sehen Sie schon daran, dass Unternehmen solche Entwicklungen zum Wohle ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgreifen. Zum anderen müssen wir im Blick behalten: Mehr Flexibilität bedeutet auch mehr Eigenverantwortung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir hier etwas hinbekommen können. – Herr Kurth, bitte schön, Sie können sich wieder hinsetzen.

In diesem Sinne haben wir schon vieles im Bereich Stress getan. Wir brauchen Wege, die dazu dienen, die Eigenverantwortung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken. Unser Arbeitsschutzsystem ist insgesamt gut aufgestellt und gestaltet die Arbeitswelt sicher und gesund. Das Prinzip der Gefährdungsbeurteilung ist hier tragend.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 50 Prozent der Betriebe machen maximal eine Gefährdungsbeurteilung!)

Wir müssen achtsam sein, wenn es um Entwicklungen auf den neuen Handlungsfeldern geht.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns als Koalition auf den Weg gemacht, Frau Müller-Gemmeke, die Entwicklung neuer Präventionskonzepte und betrieblicher Gestaltungslösungen bei psychischer Belastung in enger Zusammenarbeit mit den Trägern der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie voranzutreiben. Genau das passiert derzeit. Auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat ihr Gutachten vorgestellt. Jetzt entsteht ein neuer Dialogprozess, in dessen Rahmen wir das erörtern bzw. vertieft diskutieren wollen.

All das zeigt, dass bereits viel geschieht. Wir brauchen vor allem eine vorausschauende ganzheitliche Planung in den Betrieben, was den Umgang mit psychischen Belastungsfaktoren angeht. Dabei ist es sicherlich nicht der Königsweg, immer nur nach neuen gesetzlichen Regelungen bzw. Verordnungen zu rufen, sondern wir brauchen vor allem passgenaue betriebliche Lösungen. Genau darauf zielen wir ab.

Wir brauchen keine gesetzgeberischen Schnellschüsse, wie sie im Rahmen der jetzt vorgelegten Anträge gefordert werden.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7111371
Wahlperiode 18
Sitzung 235
Tagesordnungspunkt Stress in der Arbeitswelt
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