Michael BrandCDU/CSU - Menschenrechtspolitikbericht der Bundesregierung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Evangelische Kirchentag am vergangenen Wochenende stand in diesem Jahr ganz unter dem Eindruck des 500-jährigen Reformationsjubiläums. Viele Tausend Gläubige haben sich in Berlin und auch in Wittenberg getroffen, um ein Fest des Glaubens und der Toleranz zu feiern. Die Religionsfreiheit ist eine zentrale Frage heutiger Menschenrechtspolitik. Der Umgang eines Staates mit der Religionsfreiheit zeigt im Besonderen, wie es dort um die Menschenrechte steht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der zwölfte Menschenrechtsbericht zeigt, dass das Recht auf Religionsfreiheit zunehmend gefährdet ist. Deshalb fordern wir in unserer heutigen Entschließung erneut und explizit eine umfangreichere Befassung mit dem Menschenrecht auf Religionsfreiheit im nächsten Menschenrechtsbericht der Bundesregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
2016 wurde auf Initiative der CDU/CSU erstmals ein Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit vorgelegt und darüber diskutiert. Kurz vor Ende der Legislaturperiode möchte ich heute die Gelegenheit nutzen, bei Ihnen allen für eine Verstetigung und Weiterentwicklung des Religionsfreiheitsberichtes zu werben. Für uns bleibt auch für die kommende Wahlperiode dieses Thema ein zentrales Anliegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bahai, Ahmadiyya, Rohingya, Jesiden, Schabak, Aleviten, Juden, Muslime, Schiiten und Sunniten, Tibeter, Uiguren sowie Christen aller Konfessionen und Traditionen werden Opfer von gezielter Gewalt und Terrorismus. Die Christen sind die weltweit größte verfolgte Religionsgruppe. Vor wenigen Tagen starben bei einem Angriff auf koptische Christen in Ägypten erneut Dutzende Menschen. Die Terrormiliz des sogenannten „Islamischen Staats“ hat die Tat für sich reklamiert. Die mit Abstand meisten Opfer des IS sind weiterhin Muslime. Das dürfen wir nicht übersehen, und wir dürfen uns auch nicht spalten lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im aktuellen Menschenrechtsbericht sind Themen hervorgehoben, die uns im Parlament vielfach beschäftigen: so der Schutz von Menschenrechtsverteidigern und die Folgen repressiver NGO-Gesetze, die die Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft in immer mehr Ländern massiv einschränken. Der Brennpunkt „Shrinking Space“ zeigt deutlich, welch enorm wichtige Rolle eine handlungsfähige Zivilgesellschaft für Menschenrechte und Demokratie hat. Deshalb ist es von Bedeutung, offenzulegen, wie, manchmal ganz offen und manchmal sehr subtil, Regime die Daumenschrauben anziehen. Im „Aktionsplan Menschenrechte“ verweist der Bericht auf Zielvorgaben und Strategien in den kommenden Jahren und benennt konkret 22 Schwerpunkte und Maßnahmenbündel zu deren Umsetzung. Als Große Koalition formulieren wir im Entschließungsantrag zehn konkrete Forderungen an die Bundesregierung: vom konkreten Monitoring des Nationalen Aktionsplans „Wirtschaft und Menschenrechte“ bis hin zu einem Brennpunktthema, das sich dem weltweiten Problem des illegalen Organhandels widmen soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist der chinesische Regierungschef in Berlin zu Gast. Die traurige Wahrheit ist: Die Menschenrechtslage in China hat sich seit dem Amtsantritt von Xi Jinping sogar noch weiter verschlechtert. Es gibt noch brutaleres Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und -aktivisten sowie gegen Blogger, hohe Haftstrafen und Repression, NGOs werden durch neue Sicherheitsgesetze an die Kette gelegt, die Internetzensur wird weiter verschärft. Wer mehr Freiheit fordert und dies nur öffentlich äußert, wird jahrelang weggesperrt.
Besonders dramatisch bleibt die Lage für Uiguren und Tibeter. Die systematische Zerstörung von religiösen Heiligtümern der Tibeter, aktuell der bedeutenden Lehranstalt Larung Gar, und die brutale Unterdrückung dieser einzigartigen Kultur des für seine Friedfertigkeit bekannten Volkes ist einer so alten und großen Kultur wie der chinesischen völlig unangemessen und trägt nicht zur Verbesserung des Ansehens von China in der Welt bei.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Bundesregierung sollte neue Möglichkeiten nicht vorbeiziehen lassen und jetzt eine aktivere Rolle in den Beziehungen zu China spielen – bei den Themen Freihandel, Klimawandel und auch die Chance nutzen, ein neues Kapitel im Bereich Menschenrechte aufzuschlagen – ohne zu poltern den Finger in die Wunde legen. Dramatische Berichte über brutale Umerziehungs- und Zwangsarbeitslager, das Wissen über die weltweit meisten Hinrichtungen und der Handel mit Organen von Strafgefangenen müssen auch von Berlin deutlicher angesprochen werden. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, noch einen Antrag auf den Weg zu bringen – wir haben ja nur noch zwei Sitzungswochen –, der genau das, den illegalen Organhandel, in den Fokus nimmt. Im Übrigen sollten wir die Zeit bis Ende Juni auch nutzen, ein Zeichen für die Opfer der sogenannten früheren Colonia Dignidad zu setzen – auch daran arbeiten wir gerade –; denn Deutschland hat hier eine moralische Mitverantwortung.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zurück zu China. Ende 2016 fand der 14. Menschenrechtsdialog zwischen China und Deutschland statt. Für die chinesische Seite sind diese Runden inzwischen sehr bequem geworden: Kritik wird zwar angesprochen, befürchten muss man bislang aber wenig. – Dialog – das will ich in aller Deutlichkeit sagen – darf nicht zum Selbstzweck werden. Dialog ohne echte Konsequenzen ist wirkungslos. Dass Peking dem Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages, übrigens im Gegensatz zum Wirtschaftsausschuss, weiter keine freie Einreise erlaubt, ist ein anhaltender Tiefpunkt in unseren diplomatischen Beziehungen, der nun wirklich nicht länger akzeptiert werden darf. Wir erwarten hier von der Bundesregierung eine aktivere Rolle.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich sage das auch, weil ich glaube, wenn man bei den chinesischen Gesprächspartnern nicht völlig das Gesicht verlieren möchte, dann muss deutsche Diplomatie auch vorzeigbare Ergebnisse bringen. Wenn die vielbeschworene „stille Diplomatie“ im Falle Chinas angeblich so zielführend ist, dann muss man sich schon die Frage stellen, warum die Lage der Menschenrechte in China immer dramatischer wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer dramatischer ist auch die Lage in der Türkei geworden: Verhaftungswellen, Abschaffung der Demokratie, Drohungen mit der Einführung der Todesstrafe, die Axt am Recht von Meinungs- und Pressefreiheit, Deniz Yücel, dessen Pate übrigens ich bin. Ich will an Frank Schwabe anknüpfen und an die Abgeordneten appellieren, eine Patenschaft im Rahmen des PsP-Programms des Bundestages zu übernehmen. Deniz Yücel ist sicherlich kein großer Anhänger der CDU/CSU, aber ich finde, genau das, was du gesagt hast, ist wichtig, nämlich dass man nicht nur nach seinen Leuten schaut, sondern auch nach Leuten, die einem vielleicht nicht immer passen, von denen man nicht alles teilt. Aber dafür, dass sie ihren Job machen können, ihre Meinung sagen dürfen und ihre Freiheit als Journalisten haben, kämpfe ich auch im Falle von Deniz Yücel, der natürlich freigelassen werden muss. Nennen will ich auch die deutsche Journalistin Mesale Tolu und die rund 150 weiteren Journalisten und Verlage. Auch hier dürfen wir nicht nachlassen, deutlich eine Änderung von der Türkei einzufordern.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will auch an die Attacken nach der Armenien-Resolution erinnern, von DITIB bis hin zu den unakzeptablen türkischen Geheimdienstaktivitäten in Deutschland und dem irren Vorgang in Incirlik. Ein solches Verhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat es bislang im NATO-Bündnis nicht gegeben; das ist einzigartig. Auch dieser Punkt muss endlich weggeräumt werden. Ich wünsche dem Außenminister bei seinen Gesprächen viel Erfolg. Aber es muss klar sein, dass nur ein grundsätzlicher Zugang für uns Parlamentarier akzeptabel ist und dass die Spielchen endlich ein Ende haben müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Bei grundlegenden Fragen von Menschenrechten darf man sich nicht wegducken. Das gilt gerade in der Tagespolitik. Es ist im Übrigen auch nicht die wichtigste Frage, ob wir Menschenrechtsverletzungen anderswo ertragen. Ich glaube, zuallererst ist die Frage, ob die Unterdrückten und Verfolgten in den jeweiligen Ländern, ob in der Türkei oder andernorts, dies ertragen können – denn sie zahlen doch in Wahrheit den bitteren Preis für das Wegducken hier, und sie erwarten von uns zu Recht Haltung und aktive Unterstützung.
Diplomaten bei uns und in der EU müssen sehr aufpassen, dass manches Wegnuscheln nicht als Feigheit missverstanden wird und die Falschen sogar noch ermuntert werden. „ Europa muss ein Akteur sein, der sich auch einmischt international“, hat unsere Bundeskanzlerin gestern beim Besuch des indischen Premiers formuliert und wenige Tage zuvor gefordert, die Europäer müssten ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Ja, die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.
Ich will Sie auch deshalb fragen: Wie ernst soll man denn eine EU-Kommission nehmen, die sich im Fall Erdogans nach dem Verfassungsreferendum in Wortakrobatik übt, indem sie von roten Linien in unterschiedlichen Färbungen spricht und die Todesstrafe als die „röteste aller roten Linien“ bezeichnet? Ich halte das für zynischen Hohn gegenüber den Mutigen in der Türkei, die sich noch trauen, den Mund aufzumachen. Auch hier gilt es, stärker Flagge zu zeigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will einen letzten Punkt ansprechen. Frank Schwabe hat zu Recht gefordert, beim Thema Menschenrechte auch nach innen zu schauen. Es braucht diesen Blick nach innen. Unser Land, unser Grundgesetz, unsere Werte werden immer wieder bedroht. Stellung beziehen und sich nicht wegducken ist entscheidend, egal woher die Angriffe auf unsere freiheitliche Gesellschaft und unsere Werte kommen. Dazu gehören Menschen, die den Untergang des Abendlandes beschreien, aber in Wahrheit auf aggressive Ausgrenzung setzen. Dazu gehört links- wie rechtsextreme Gewalt. Dazu gehören Erdogan-Anhänger in Deutschland, die hierzulande alle Freiheiten genießen und von hier aus helfen, die Demokratie in der Türkei abzuschaffen. Da gibt es Menschen, die zu uns gekommen sind und hier gegen Christen, Jesiden oder Juden hetzen und sie einschüchtern. Dass Konflikte aus anderen Ländern zu uns getragen werden, darf unser Staat nicht akzeptieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat geurteilt, dass die Scharia mit den fundamentalen Prinzipien der Demokratie und der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar ist. Die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist bei uns nicht verhandelbar. Und es ist gut, dass der Deutsche Bundestag in dieser Woche konkrete Regeln auf den Weg bringt, um Kinderehen zu bekämpfen.
Kollege Brand.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Oder wie es unser früherer Bundespräsident Joachim Gauck gesagt hat: „Jede Politik ist auch Menschenrechtspolitik.“
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat der Kollege Tom Koenigs für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7114482 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 236 |
Tagesordnungspunkt | Menschenrechtspolitikbericht der Bundesregierung |