Tom KoenigsDIE GRÜNEN - Menschenrechtspolitikbericht der Bundesregierung
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es schon gehört: Die Menschenrechte stehen unter Druck, innen und außen, im Osten und im Westen: innen durch rechtspopulistische Strömungen, die Migranten hassen, außen durch religiöse Fanatiker, die Staaten bilden wollen, im Osten durch stalinistische Autokraten – Putin, Erdogan – und im Westen durch Tendenzen, sich aus den Institutionen zurückzuziehen, zum Beispiel England, das aus dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof austreten will, oder die Vereinigten Staaten aus dem Menschenrechtsrat oder auch nur Staaten, die ihre Finanzen zurückziehen oder zurückfahren wollen.
Für uns Grüne sind die Menschenrechte der wichtigste Maßstab für die Entwicklung und den Erfolg von Gesellschaften. Wir haben da eine eindeutige Position, nehmen die Menschenrechte ernst und stellen sie an die erste Stelle, das heißt, wir fordern von den Staaten – von jedem Staat, von jeder Regierung, auch von jeder Koalition –, dass sie die menschenrechtlichen Staatenpflichten ernst nehmen, nämlich Menschenrechte beachten, Menschenrechte schützen und Menschenrechte fördern – durch Institutionen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dass sie die Menschenrechte an die erste Stelle setzt oder auch nur ernst nimmt, das kann man von der CDU wirklich nicht sagen, wenn Sie es zwölf Jahre zugelassen haben, dass eine AfD-Tante Ihre Menschenrechtspolitik vertritt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Die AfD gibt es noch nicht so lange, Herr Kollege!)
Zwölf Jahre! Und dann sehen Sie, wo sie hingekommen ist. Es sind ja viele von Ihren Vorkämpfern zur AfD gegangen. Aber da sehen Sie es mal!
Oder: Was war das für eine Qual, das Institut für Menschenrechte in den Status zu versetzen, in den es gesetzlich versetzt werden muss! Das ging ja nicht einfach, und dann haben wir es letzten Endes geschafft, dann stellt sich der Herr Fabritius hierhin und saut sie wieder runter. Das ist CSU!
CSU auch so: Menschenrechtlich gibt es keinen Rabatt, hat Herr Brand gerade gesagt. Obergrenze für Asylgewährung: Da sollten Sie mal Ihrem CSU-Vorsitzenden sagen, dass die Obergrenze verfassungswidrig ist, menschenrechtswidrig ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Hat die Kanzlerin gesagt!)
Es gibt keine Obergrenze. Da war die Kanzlerin sehr viel eleganter.
Aber wenn man die Menschenrechte runterzieht und so tut, als gäbe es nichts – auch nur an einem einzigen Punkt –, dann beschädigt man die ganzen Menschenrechte. Fragen Sie mal bei Herrn Seehofer nach! Und die SPD hat das in der Koalition dann alles immer mitgemacht.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Na, hallo!)
Flüchtlingspolitik: Da wird der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt. Sie haben das doch auf dem Kirchentag gehört, was die Bürgerinnen und Bürger – gerade auch diejenigen, die für die Flüchtlinge etwas machen – Ihnen dazu sagen. Dann machen Sie da einfach mit!
Oder Aktionsplan: Das ist ein Passivplan, den Sie da letzten Endes gemacht haben. Da wird nichts aktiviert. Die Ruggie-Prinzipien sind einstimmig in der ganzen Welt verabschiedet worden, und da gibt es eben unternehmerische Achtungspflichten, staatliche Schutzpflichten und den Zugang zur Abhilfe. Und dann kommen Sie da mit einem Mäuschen von einem Aktionsplan und verteidigen den dann hier noch!
Sie haben darin einen hervorragenden Menschenrechtsbeauftragten verschlissen. Der hat das Handtuch geworfen. Das ist kein Aktionsplan, das ist ein Reaktionsplan.
Wir wollen die Institution des Menschenrechtsbeauftragten stärken, und wir sagen es auch ganz deutlich: Wir wollen die Institution des Menschenrechtsbeauftragten zu einem Kabinettsposten machen, zu einem Staatsminister, der dann auch für die Kohärenz in der ganzen Regierung sorgt,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
sodass dann nicht auf der einen Seite Friedensprojekte gefördert werden und auf der anderen Seite Rüstungsgüter verkauft werden.
Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Wenn die CDU auf dem rechten Auge blind ist, dann sind Sie auf dem östlichen Auge blind. Die neue Ostpolitik, die Sie wollen – übrigens: deutscher Sonderweg mit den Russen –: Haben Sie sich mal die Innenpolitik in Russland angesehen? Haben Sie mal gesehen, dass da der Gulag fortgesetzt wird? Haben Sie mal gelesen, was die von Pussy Riot, die Nadja Tolokonnikowa, geschrieben hat, die nach ihrem Punk-Gebet zwei Jahre im Gulag gewesen ist? Die hat das sehr genau beschrieben, und das kommt bei Ihnen nicht vor.
(Karin Binder [DIE LINKE]: Aber wirtschaftliche Beziehungen mit Saudi-Arabien oder weiß der Himmel mit wem!)
Eben haben Sie sich zu Recht über die Verhältnisse in Gaza beschwert. Aber haben Sie mal was über das Terrorregime der Hamas gehört? Haben Sie da mal was kritisiert? Nein, Sie fahren auf der Fregatte da mit und versuchen, die Blockade zu durchbrechen, die illegal ist.
(Inge Höger [DIE LINKE]: Das war ein einstimmiger Beschluss im Bundestag, diese Blockade!)
Menschenrechte heißt, nicht mit zweierlei Maß zu messen, heißt, Menschenrechte überall zu vertreten, und heißt, sich vor allem gegen jede Diskriminierung zu wehren. Diskriminierungen haben immer zu größeren Konflikten geführt, letzten Endes auch zu Krieg. Jeder der internationalen Konflikte hat einen Diskriminierungstatbestand dahinter. Die Diskriminierungstatbestände gibt es auch im Innern: Racial Profiling. Es ist die erste Staatenpflicht, dass man Menschenrechte beachtet. Oder wenn man zusieht, wie Flüchtlingsheime brennen. Das ist die zweite Staatenpflicht: der Schutz der Bürger. Das gilt eben für alle Menschen, nicht nur für die Deutschen.
Schließlich: Auch das Institut der Ehe ist eine Förderung der Nichtdiskriminierung. Ehe für alle: Das hat ja nicht euer Schulz erfunden.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Warum haben wir die Verpartnerung und nicht die gleichgeschlechtliche Ehe seit der schönen rot-grünen Zeit? Weil eben Ihr Kanzler das nicht wollte. Das ist an der SPD gescheitert. Die CDU hat sowieso dagegengestimmt und hat gewütet und getobt.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Wir sind für die Verfassung, Artikel 6!)
Aber Ehe für alle gäbe es seit 2001, wenn Sie damals mitgemacht hätten. Gucken Sie sich das mal an!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir wollen eine menschenrechtsgeleitete Außenpolitik. Das heißt Verantwortung übernehmen, soweit der Arm des Staates reicht, und zwar auch über die deutschen Unternehmen im Ausland. Wir wollen die Menschenrechtsverteidiger schützen. Unsere Botschaften sollen Anlaufstellen für Menschenrechtsverteidiger sein. Und notfalls sollen wir ihnen dann auch ein humanitäres Visum geben, wenn sie das unbedingt benötigen, wie Edward Snowden.
Wir sollten intensiver in den internationalen Organisationen arbeiten. Da sind wir aber nur glaubwürdig, wenn wir die internationalen Menschenrechtskonventionen auch ratifizieren, und zwar alle: das Zusatzprotokoll zum Sozialpakt, das Abkommen zum Schutz indigener Völker oder auch die Konvention zum Schutz der Wanderarbeiter. Die Chinesen haben das auch nicht ratifiziert. Die brauchten es aber dringend, und die sagen: Wir ratifizieren nicht, weil das die Deutschen ja auch nicht machen. – Das wäre ein Weg, durch eine symbolische Ratifizierung weiterzukommen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])
Die CDU sagt immer: Deutschland ist nicht Nordkorea. – Richtig! Aber auch bei Ihnen und auch bei Ihrem Lieblingsthema Religionsfreiheit gibt es Tendenzen von antimuslimischen Untertönen: „Wir sind nicht Burka.“ Ich bin auch nicht Schlips.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Brand [CDU/CSU]: Doch!)
Was will der Innenminister da eigentlich sagen? Übrigens: Im Deutschkurs fallen ja die meisten durch.
(Heiterkeit – Dr. Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Aber ohne Schlips! – Michael Brand [CDU/CSU]: Das sagt der Hesse!)
Also, Deutsch wäre irgendwas anderes. Was will er da sagen? Das ist ein Ausschluss. Hätte er im nächsten Satz gesagt: „Der Islam gehört zu Deutschland“ – die einzige große Leistung eines Ihrer Präsidenten –, dann hätte das anders geklungen.
(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Das ist wahr!)
Aber klingt nicht bei dem „Wir sind nicht Burka“ auch ein antimuslimischer Unterton mit?
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Nur wenn man ihn hören will! – Dr. Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Nur wenn man Burka und Muslime gleichsetzt! – Michael Brand [CDU/CSU]: Burka ist nicht gleich Muslim!)
Ich frage. Überlegen Sie mal, wie sich das anhört für jemand, der Muslim ist.
Der Menschenrechtsschutz braucht starke Institutionen. Deshalb wollen wir weiter das Innere stärken. Wir wollen den Beauftragten für Menschenrechte stärken,
(Michael Brand [CDU/CSU]: Wo ist denn eigentlich die Menschenrechtsbeauftragte? Wäre gut, wenn die Menschenrechtsbeauftragte da wäre! Jedes Mal das gleiche Spiel!)
aber auch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter. Immerhin soll diese Stelle 13 000 Institutionen des Freiheitsentzuges überwachen. Wir stehen an der Seite der Menschenrechtsverteidiger, deren Arbeit immer schwieriger wird, und die müssen das auch wissen.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Bis auf die Menschenrechtsbeauftragte!)
Wir müssen auch dieses Stehen an der Seite der Menschenrechtsverteidiger in die Regierungsverhandlungen einbringen. Das muss ein wesentlicher Faktor bilateraler Beziehungen sein, und seien es Beziehungen mit der Polizei.
Kollege Koenigs, ich bitte, auf die Redezeit zu achten.
Ein letzter Satz: Mit den Grünen in einer Bundesregierung wird es eine klare Menschenrechtsorientierung geben: in allen Bereichen und in allen möglichen Konstellationen und Koalitionen. Wir setzen die Menschenrechte an die erste Stelle.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Dr. Karamba Diaby für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 236 |
Tagesordnungspunkt | Menschenrechtspolitikbericht der Bundesregierung |