31.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 236 / Tagesordnungspunkt 8 + ZP 1 + ZP 2

Karamba DiabySPD - Menschenrechtspolitikbericht der Bundesregierung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor zwei Jahren besuchte ich eine Asylunterkunft in meinem Wahlkreis in Halle. Dort lernte ich eine iranische Familie kennen. Damals sprachen wir noch Englisch miteinander. Heute spricht die Tochter fließend Deutsch, und auch mit den Eltern kann ich mich problemlos über meine parlamentarische Arbeit unterhalten. Die Tochter besucht mittlerweile ein Gymnasium in Halle. Der Vater hat eine Stelle in einem halleschen Unternehmen gefunden. Derzeit wartet er auf die Anerkennung seiner Berufsabschlüsse, um wieder als IT-Experte arbeiten zu können.

Seit ihrer Ankunft in Deutschland genießt die Familie Menschenrechte, das Recht auf Bildung, das Recht auf Arbeit und das Recht auf soziale Sicherheit. Es ist eine Errungenschaft, dass unser Land auch Menschen, die zu uns flüchteten, diese Rechte garantiert. Und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Inge Höger [DIE LINKE]: Aber nicht allen!)

In dieser Wahlperiode haben wir nicht zuletzt im Bereich der Arbeitsrechte viel erreicht. Wir haben den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn eingeführt. Wir haben ein Gesetz beschlossen, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu verringern. Für Asylbewerber haben wir den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Wichtig ist auch: Seit 2012 regelt das Anerkennungsgesetz die Anerkennung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen. Wir erkennen damit die vorhandenen Kompetenzen der Menschen an.

Auch im Bereich der sozialen Sicherung haben wir Verbesserungen erreicht. Wir haben die Rente mit 63 eingeführt. Wir haben die Mütterrente aufgestockt, um Frauen vor Armut zu schützen, liebe Kollegin. Wir haben den steuerlichen Freibetrag für Alleinerziehende erhöht, um das Armutsrisiko zu senken.

(Inge Höger [DIE LINKE]: Trotzdem nimmt die Armut zu!)

Um zu meinem Beispiel zurückzukommen: Die genannte Familie ist ein Symbol dafür, dass die Rechte der verschiedenen Menschenrechtspakte eng miteinander verbunden sind. Das zeigt auch der vorliegende Menschenrechtsbericht der Bundesregierung. Bildung gilt dabei als Schlüssel, auch für die Umsetzung der übrigen Menschenrechte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Menschenrecht auf Bildung ist kein Recht zweiter Klasse. Auch in diesem Punkt sind wir in dieser Wahlperiode vorangekommen, zum Beispiel bei den öffentlichen Bildungsausgaben. Der Anteil der Bildungsausgaben am Bundeshaushalt stieg kontinuierlich. Mittlerweile liegt er bei sage und schreibe 17 Milliarden Euro. Durch die Lockerung des Kooperationsverbotes wird der Bund mit 3,5 Milliarden Euro die Sanierung von Schulen und Turnhallen fördern.

Allein diese Punkte zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind, das Menschenrecht auf Bildung noch besser umzusetzen. Aber wir müssen auch klar feststellen: Der rote Bildungsteppich wird noch lange nicht für jedes Kind in Deutschland ausgerollt. Faktoren wie die soziale Herkunft, der Aufenthaltsstatus oder eine Behinderung spielen noch immer eine entscheidende Rolle beim Zugang zu Bildung. Dabei ist der Migrationshintergrund nicht das ausschlaggebende Kriterium. Nur in Verbindung mit den genannten drei Faktoren spielt er eine Rolle. Denn alleine das Aussehen lässt keine Rückschlüsse auf den Zugang zu Bildung oder den Bildungserfolg zu.

Kinder bildungsferner Familien, egal welcher Herkunft, machen seltener Abitur und schreiben schlechtere Noten als der Nachwuchs von Anwälten, Lehrern, Ärzten oder auch Abgeordneten. An deutschen Schulen entscheidet bis heute die soziale Herkunft über den Bildungserfolg. Hier müssen wir gegensteuern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])

In einer 2016 veröffentlichten Studie fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte zu Recht die Anpassung von rechtlichen Regelungen, Bildungsplänen und Unterrichtsmaterialien. Nur so lässt sich unser Schulsystem inklusiv und diskriminierungsfrei gestalten.

Ungleichheiten herrschen auch beim Zugang zu Berufsbildung. Hier sind besonders oft Jugendliche mit Migrationshintergrund betroffen, obwohl sie die gleichen Abschlüsse wie andere Jugendliche ohne Migrationshintergrund vorweisen können. Ich meine, Chancengleichheit sieht anders aus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was müssen wir also tun? Und wo müssen wir umsteuern? Wir müssen die Bildungsinvestitionen erhöhen und stärker in die Qualität der Bildung investieren. Das heißt auch: die Bildungsinfrastruktur modernisieren, die Lehrkräfte qualifizieren und die Schulsozialarbeit fördern. Wir brauchen eine gerechte Bildungsfinanzierung. Wir brauchen die Gebührenfreiheit von der Kita bis zum Hochschulabschluss und bei der Weiterbildung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Geldbeutel der Eltern darf nicht über die Bildungslaufbahn eines Kindes entscheiden. Der Ausbau der Ganztagsschulen und die frühe individuelle Förderung in Kita und Schule sind wichtig, um den gleichen Zugang zu Bildung für alle zu ermöglichen. Die berufliche Bildung muss gestärkt werden. Eine berufliche Qualifikation ist die wichtigste Voraussetzung für soziale Teilhabe als Erwachsener.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das iranische Mädchen hatte Glück. Unser Land bietet gute Voraussetzungen, und ihre Eltern kennen die Bedeutung von Bildung für die Zukunft ihrer Tochter. Ich will aber nicht, dass die Zukunftschancen unserer Kinder vom Zufall abhängen. Alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land brauchen den gleichen Zugang zu Bildung. Das darf nicht am Geldbeutel scheitern.

Lassen Sie uns deshalb gemeinsam dafür eintreten, das Menschenrecht auf Bildung für alle umzusetzen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Dr. Bernd Fabritius für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7114485
Wahlperiode 18
Sitzung 236
Tagesordnungspunkt Menschenrechtspolitikbericht der Bundesregierung
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