31.05.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 236 / Tagesordnungspunkt 6 + ZP 3

Sascha RaabeSPD - Entwicklungspolitik

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch immer leben fast 1 Milliarde Menschen in Hunger und extremer Armut, 70 Prozent davon im ländlichen Raum. Der G-20-Gipfel will Fluchtursachen bekämpfen und das durch private Investitionen im Rahmen einer Partnerschaft mit Afrika erreichen. Was bringt das den Menschen im ländlichen Raum?

2,5 Milliarden Kleinbauern gibt es auf der Welt. Sie nutzen seit Generationen Land; aber die wenigsten davon haben Landtitel. Das genau ist das Problem: Wenn private Investoren, wenn ausländische Investoren in diese Länder kommen und großflächig Land pachten – andere sagen: rauben –, vertreiben sie dadurch die Kleinbauern. Allein in den letzten fünf, sechs Jahren sind 10 Millionen Hektar Land von ausländischen Investoren geraubt worden. Ein Kleinbauer verfügt über etwa 1 bis 2 Hektar Land. Da die Geburtenraten nach wie vor sehr hoch sind, wird das Land immer knapper, wodurch die Probleme noch weiter verschärft werden. Es ist dokumentiert, dass 33 Millionen Menschen auf diese Weise ihr Land verloren haben. Nur in einem Drittel der Fälle wurde eine geringe Entschädigung gezahlt.

Wir hatten heute den Präsidenten von Madagaskar – ein Land, das ein langes Klagelied über Land Grabbing singen kann – im Ausschuss zu Besuch. Deswegen sage ich: Wenn auf dem G-20-Gipfel nur das Lied über mehr private Investitionen gespielt wird, dann bringt das nichts; denn so wird das Problem verschärft. Dadurch verlieren die Ärmsten der Armen ihr Land, und das müssen wir verhindern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Von der Welternährungsorganisation sind kluge Leitlinien zur verantwortungsvollen Landnutzung auf freiwilliger Basis beschlossen worden. Das Problem ist aber, dass diese Leitlinien nur freiwillig sind. Deswegen halten sich leider weder die internationalen Unternehmen noch die meisten Regierungen der Entwicklungsländer daran. Nur wenn wir wie bei den Konfliktmineralien verbindliche Leitlinien schaffen – wir haben durchgesetzt, dass Unternehmen und Regierungen gezwungen werden, sich daran zu halten, dass Kinder nicht als Sklaven in Minen arbeiten und keine Kindersoldaten finanziert werden – und festlegen, dass nur unter dieser Voraussetzung Handel mit diesen Staaten betrieben werden darf, nur dann können wir Erfolg haben.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit komme ich zum zweiten Punkt, den die G 20 auf der Agenda haben. Sie wollen den freien Handel ausweiten, weil sie sagen: Dadurch wird Armut vermindert. – Nein, wir brauchen fairen statt freien Handel!

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Niema Movassat [DIE LINKE] und Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aus Westafrika kommen insgesamt 90 Prozent unserer Kakaobohnen. Allein aus den Ländern Elfenbeinküste und Ghana kommen 75 Prozent. Über 2 Millionen Kinder arbeiten alleine in Ghana und der Elfenbeinküste auf den Kakaoplantagen. Wir dürfen nicht sagen: Es interessiert uns nicht die Bohne, wie die Arbeit auf den Kakaoplantagen aussieht. Ganz im Gegenteil: Wir müssen uns fragen: Wo kommen die Bohnen her? Wer pflückt diese Bohnen? Wer macht Gewinne mit diesen Bohnen? Nur wenn wir endlich erreichen, dass dort keine Kinderarbeit mehr stattfindet, dass die Kinder in die Schule gehen können, die Menschen menschenwürdig arbeiten können und genug Geld verdienen, bekämpfen wir auch die Fluchtursachen. Das muss auf die Agenda der G 20, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch Folgendes sagen: Ich bin enttäuscht von unserem Entwicklungsminister, Herr Staatssekretär Fuchtel. Ich habe ihn am 3. November 2014 in einem Schreiben eindringlich davor gewarnt, das Freihandelsabkommen mit der Westafrikanischen Wirtschaftsunion zu unterzeichnen; denn zum Beispiel in Ghana und der Elfenbeinküste müssen Millionen Kinder schuften. Am 3. Dezember 2014 hat der Minister es aber als verantwortliches Kabinettsmitglied unterzeichnet. Zum Glück können wir das im Bundestag noch stoppen. Ich sage Ihnen: Es ist schön, wenn der Herr Minister von fairem Handel redet, aber er muss auch endlich fair und gerecht handeln.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])

Nur wenn wir faire und gerechte Handelsbedingungen schaffen, können wir Fluchtursachen bekämpfen, können wir Armut und Hunger beseitigen. Die G-20-Staaten können die Rahmenbedingungen dafür setzen; sie sind mitverantwortlich für diese Zustände. Deshalb sage ich: Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit in Deutschland und in Afrika. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank, Sascha Raabe. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Gabriela Heinrich für die sozialdemokratische Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7114502
Wahlperiode 18
Sitzung 236
Tagesordnungspunkt Entwicklungspolitik
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