Lothar BindingSPD - Vermögensteuer
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Hans Michelbach hat gesagt: Das Wachstum wird erarbeitet. – Das stimmt. Beim Vermögen ist es aber so, dass 80 Prozent des Vermögens aus Erbschaften stammen.
Betrachten wir den Fall „Das Wachstum wird erarbeitet“. Nehmen wir einmal an, man hat ein Unternehmen mit 3 000 Mitarbeitern. Nur ganz wenige in diesem Unternehmen können sich etwas zurücklegen, wie dieser prall gefüllte Becher zeigt. Dann gibt es 3 000 Leute in dem Unternehmen, die sich so gut wie nichts zurücklegen können. Dazu habe ich den anderen Becher mitgebracht.
Wer sich die Becher einmal genauer anschaut, der wird sehen, dass hier eine gewisse Ungleichheit herrscht. Dabei sind diejenigen, die sich nur wenig zurücklegen können, nicht weniger fleißig als diejenigen, die sich mehr zurücklegen konnten oder es ererbt haben. Es ist wichtig, darüber genauer nachzudenken; denn die Ungleichheit – das haben wir gelernt – stört nicht nur den sozialen Frieden, sondern – noch viel schlimmer – auch die Wachstumsentwicklung. Das müssen diejenigen, die immer auf Wachstum setzen, wissen.
Das Allerschlimmste aber ist – dazu frage ich einmal die Reichen unter uns –, dass es auch das Wohlbefinden stört. Natürlich kann sich ein Reicher eine tolle Villa und einen Zaun darum herum bauen. Aber ehrlich gesagt: Wenn ich einen Zaun um meine Villa habe, muss auch ich immer durch diesen Zaun raus- und wieder reingehen. Vielleicht wäre eine Situation schöner, in der ich das nicht brauche. Insofern: Lasst uns zum Wohlbefinden zurückkehren! Es ist besser, wenn man da gerechter vorgeht.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Wir haben im Wesentlichen drei Formen: Grundsteuer, Erbschaftsteuer und Vermögensteuer. Ich glaube, alle Parteien überlegen im Moment, in welcher Kombination sie hier eine gewisse Gerechtigkeitskomponente schaffen können.
Es heißt immer, das ist zu viel Bürokratie und man kann keine Bewertung vornehmen. Dazu sage ich: Wir haben 20 Jahre lang versäumt, die Bewertungsgesetze anzupassen. Bei jeder Bilanz, bei jeder Gewinn- und Verlustrechnung und bei jeder Steuererklärung erfolgt eine jährliche Erklärung. Das ist überhaupt kein Problem. Alles wird jährlich bewertet, nur bei der Vermögensteuer hat man damit plötzlich ein großes Problem.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung Ihres Fraktionskollegen?
Von Christian Petry natürlich gerne.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Herzlichen Dank. – Die Gerechtigkeitskomponente wurde gerade von dir, Lothar, angesprochen. Ich habe eine Nachfrage zu dem Verfassungsgerichtsurteil von 1997, als dann die Vermögensteuer ausgelaufen ist. Wie verhielt es sich damals mit der von dir angesprochenen Gerechtigkeitskomponente?
Damals wurden verschiedene Grundsätze formuliert. In Wahrheit gab es ein Bewertungsproblem. Geldvermögen und andere Vermögensarten wurden unterschiedlich bewertet. Wegen dieser ungleichen Behandlung der Vermögensarten hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die Vermögensteuer so nicht erhoben werden darf. Seitdem wird die Steuer nicht erhoben, aber das Gesetz gibt es noch. Deshalb müssten wir uns nur überlegen, wie wir die Bewertung vornehmen und gerechter machen. Die Einheitswerte gehen im Moment in den neuen Ländern auf die von 1935 zurück, in den alten Ländern auf die von 1964. Jeder weiß, dass die Zahlen von 1935 und 1964 nicht aktuell sind. Man könnte da etwas nachschärfen. Wenn man das tun würde, könnte man die Vermögensteuer relativ mühelos wieder einführen, und zwar zu ähnlichen Bedingungen wie damals. Es muss nur die Bewertung von Geldvermögen und anderen Vermögen, zum Beispiel Grundstücksvermögen, korrekt im Sinne des Verfassungsgerichtsurteils erfolgen.
Ich möchte noch darauf zurückkommen, was heute von Cansel Kiziltepe schon einmal gesagt worden ist.
Kurz.
Gestern gab es beim BDI eine Podiumsdiskussion. Da hat Reinhard Gaier, ein Richter, der zwölf Jahre am Bundesverfassungsgericht war, gesagt, dass man dann, wenn man Ungerechtigkeiten und grobe Missverhältnisse bei der Substanzverteilung sieht, auch in die Substanz eingreifen kann.
Nehmen wir einmal an, der volle Becher würde Herrn Dr. Meister und der leere Becher einer anderen Person gehören. Vorhin wurde von Umverteilung gesprochen. Es geht aber nicht um Umverteilung; denn Umverteilung würde bedeuten, dass man den vollen Becher in den leeren Becher schüttet. Das wollen wir nicht. Wir wollen nur, dass Herr Dr. Meister zwei Schokolinsen abgeben soll. Möglicherweise käme er dann noch gut zurecht. Insofern ist klar: Sie, Herr Dr. Meister, geben zwei ab. Das wäre fair. Derjenige, dem der andere Becher gehört, muss nichts abgeben. Das ist gerechter. – Wenn Sie wollen, können Sie sich aus dem vollen Becher jetzt etwas nehmen.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7114521 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 236 |
Tagesordnungspunkt | Vermögensteuer |