01.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 237 / Tagesordnungspunkt 9 + ZP 4

Ralph BrinkhausCDU/CSU - Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden sich sicherlich wundern, dass so eine wichtige Debatte – man sieht das an dem hochkarätigen Auditorium auf der Bundesratsbank und dem vollen Plenarsaal – von einem einfachen Abgeordneten des Deutschen Bundestags eröffnet wird.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Aber wir haben uns bewusst entschieden, das so zu machen, um zu zeigen, dass Gesetze immer noch im Deutschen Bundestag beschlossen werden und – bei allem Respekt – nicht in Ministerpräsidentenkonferenzen und auch nicht in irgendwelchen Runden im Kanzleramt oder sonst wo. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir hier klarmachen, dass dies heute eine Debatte des Deutschen Bundestages ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine weitere Vorbemerkung: Es kann kein Land gut sein, in dem es dem Bund gut geht, den einzelnen Bundesländern aber nicht und umgekehrt. Es kann kein Land gut sein, in dem es den Ländern gut geht und den Kommunen nicht und umgekehrt. Es kann kein Land gut sein, in dem es Regionen gibt, in denen es den Menschen gut geht, und Regionen, in denen es den Menschen nicht gut geht. Das heißt, egal auf welcher politischen Ebene wir tätig sind, ob im Bund, im Land oder in den Kommunen: Wir haben immer auch die Verantwortung für die anderen und die Verantwortung für das Ganze. Man kann es einem Schüler nicht erklären, dass eine Schule ein Dach hat, das nicht dicht ist, weil man sich über Zuständigkeiten nicht einig wird.

Deswegen, meine Damen und Herren, kann es auch nicht sein, dass wir uns als Bundespolitiker wegducken, wenn es Probleme in den Ländern gibt, dass die Länderpolitiker sich verstecken, wenn es Probleme im Bund oder in den Kommunen gibt. Auch jedem Kommunalpolitiker sollte klar sein, dass es seiner Stadt nur gut gehen kann, wenn es dem Land gut geht. Das ist einer der Hauptgründe dafür, warum ich gleich empfehlen möchte, heute diesem Gesetzespaket zuzustimmen.

Aber im Einzelnen: Worum geht es? Das Paket besteht aus fünf Blöcken. Der erste Block sind die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Der zweite Block sind Mittel für kommunale Investitionen in die Bildungsinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen. Der dritte Block ist eine Neuausbalancierung von Bund-Länder-Beziehungen, die nichts mit Geld zu tun haben. Der vierte Block ist eine Infrastrukturgesellschaft für die Bundesautobahnen, und der fünfte Block ist das Unterhaltsvorschussgesetz. Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu diesen Blöcken machen.

Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Wir alle standen unter erheblichem Zeitdruck. 2019 laufen wichtige Finanzregelungen aus, insbesondere auch für die fünf neuen Länder und für Berlin. Wir haben die Schuldenbremse, die ab 2020 auch von den Ländern einzuhalten ist. Wir haben anhängige Klagen beim Bundesverfassungsgericht. Wir standen aber nicht nur unter Zeitdruck, sondern auch unter erheblichem Druck der Länder. Lassen Sie mich an dieser Stelle bei allem Respekt auch sagen: Es war im Sinne einer föderalen Partnerschaft schon teilweise grenzwertig, wie argumentiert worden ist, und wir sollten die Art und Weise, wie dort gearbeitet worden ist, zukünftig nicht überstrapazieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vonseiten der Länder wurde gesagt: Die Geberländer wollen bessergestellt werden – das kann ich verstehen –; kein Land soll schlechtergestellt werden, und wir müssen Ländern wie Bremen und dem Saarland aus gutem Grund Sanierungsperspektiven geben. Diese Quadratur des Kreises konnte nur gelingen, weil sich der Bund mit gut 10 Milliarden Euro beteiligt. Dieser Betrag wird aufwachsen; es wird mehr werden.

Aber wir sind nicht nur mit Geld an die Unterstützung herangegangen, sondern wir haben auch vereinbart, dass wir das Risiko, dass die Lebensverhältnisse in den Ländern weiter auseinanderklaffen, als das heute der Fall ist, im Wesentlichen vom Bund tragen lassen. Das ist sehr viel. Wir sind damit in der Perspektive – in der Risikoübernahme – an die Grenze unserer finanziellen Belastbarkeit gegangen. Auch da bitte ich, dass anerkannt wird, was wir als Bund hier finanziell leisten. Vielleicht führt das auch dazu, dass das ständige Rufen nach Geld vom Bund, egal was ist, zumindest etwas leiser wird. Wir würden uns wünschen, dass das nach diesem Paket aufhört.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist aber auch so, dass die Länder einen Preis dafür gezahlt haben. Der Preis dafür ist, dass die schwachen Länder zukünftig – wie jemand, zugegeben etwas übertrieben, geschrieben hat – „Kostgänger des Bundes“ werden. Das heißt, die Balance zwischen Ländersolidarität und der Verantwortung des Bundes hat sich verschoben. Auch das muss man an dieser Stelle wissen.

Zweites Paket: die kommunalen Investitionen. Jetzt wird gleich Folgendes passieren: Es wird eine Jubeldebatte darüber geben, dass damit das Kooperationsverbot aufgehoben worden ist.

(Beifall des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD] – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist auch gut so!)

Das ist mitnichten der Fall. Für diejenigen von Ihnen, die sich nicht so viel mit Finanzverfassung beschäftigen: Kooperationsverbot heißt, dass die Bundesländer alleine für den Bereich Bildung verantwortlich sind und diesen auch finanzieren und dass sich der Bund dabei gefälligst herauszuhalten hat. Das haben wir alle einmal sehr, sehr gut gefunden. Wir finden es als CDU/CSU auch immer noch gut, dass das so ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sören Bartol [SPD]: Das sieht die Kanzlerin aber anders!)

Die Lebenserfahrung hat mich eines gelehrt: Wenn zwei für etwas zuständig sind, und wenn zwei etwas finanzieren müssen, dann gibt es immer ein Durcheinander, und das geht nie gut aus. Wir plädieren weiterhin für klare Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Merkel sieht das anders!)

Wir greifen trotzdem ein, und zwar aus einem Grund: Wir haben festgestellt, dass einige Länder nicht in der Lage sind, die Schulinfrastruktur sicherzustellen. Es kann nicht sein, dass die Kinder darunter leiden, dass wir uns in der föderalen Finanzverfassung nicht einig werden. Wir sehen uns als Bund in der Verantwortung, dieser Notlage Abhilfe zu schaffen. Das tun wir an dieser Stelle, aber wir sagen auch ganz eindeutig: Das ist eine Ausnahme, und das kann keine Regel sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der dritte Punkt sind die strukturellen Verbesserungen in der Balance. Wir haben zukünftig – erstaunlicherweise war das bisher nicht der Fall – echte Mitspracherechte bei der Mischfinanzierung, wo wir Länderaufgaben mitfinanzieren. Wir haben nicht nur Mitspracherechte; wir haben endlich auch Prüfungsrechte – wofür wir als Haushälter lange gekämpft haben, Eckhardt Rehberg –, und das ist gut.

Wir werden ein digitales Bürgerportal errichten. Wir werden endlich auch als Bundesverwaltung digital, und wir werden Länder und Kommunen mit einbeziehen. Auch das war vorher nicht möglich. Wir werden im Bereich der Steuerverwaltung Verbesserungen erzielen. Das ist eher etwas für steuerpolitische Feinschmecker, aber es ist ein riesiger Sprung, der uns enorm weiterbringen wird. Und wir werden – auch das war dringend notwendig – den Stabilitätsrat stärken, der künftig nicht nur für die Überwachung der Haushalte zuständig ist, sondern auch für die Einhaltung der Schuldenbremse.

Der nächste Block ist die Infrastrukturgesellschaft. Der Verkehrsminister wird gleich erläutern, warum das gut und richtig ist. Ich möchte dazu nur eines sagen: Es gibt auch da eine Uneinheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland. Das heißt, dass es Bundesländer gibt, die gut damit umgehen, die haben ihre Autobahnen im Griff, und es gibt Bundesländer, die haben sie nicht im Griff. Das ist aus Bundessicht nicht akzeptabel. Es geht dabei nicht um Privatisierung, sondern darum, dass die Verwaltung effizienter und effektiver wird. Auch das ist richtig, meine Damen und Herren.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Berichterstattern, den Verkehrspolitikern Bettina Hagedorn von der SPD und Norbert Brackmann von der CDU/CSU, bedanken,

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

die hier nicht alles, aber doch vieles zum Guten wenden konnten. Ich denke, wir sind zu einem guten Ergebnis gekommen.

Beim fünften Block geht es um das Unterhaltsvorschussgesetz. Auch dabei handelt es sich um eine Stärkung der Alleinerziehenden. Das ist notwendig. Ich würde mir wünschen, dass wir mit dem gleichen Eifer nun daran gehen, derjenigen, die sich der Verantwortung für ihre Kinder entziehen – das sind hauptsächlich Väter –, habhaft zu werden und ihnen das entsprechende Geld abzunehmen. Ich denke, auch das ist dringend notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Meine Damen und Herren, es gibt immer Kompromisse. Das Ganze ist ein Kompromiss. Jeder hat Abstriche gemacht. Vielleicht hätte man es an der einen oder anderen Stelle besser machen können. Jede Kritik ist ernst zu nehmen. Ein Meisterwerk ist es sicherlich nicht geworden.

(Beifall des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])

Trotzdem empfehle ich Ihnen, zuzustimmen.

Den einen Grund habe ich Ihnen am Anfang gesagt: Wir als Bundespolitiker können uns nicht vom Acker machen, wenn in Ländern und Kommunen Probleme vorhanden sind. Wir haben die Gesamtverantwortung im Blick zu halten. Das ist gut, und das ist wichtig. Das hat auch etwas mit Legitimation von Politik zu tun.

Der zweite Grund ist, dass wir in der mittlerweile 68-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eines erreicht haben, was ganz viele Länder nie geschafft haben, was unglaublich wertvoll ist und vielleicht dazu beiträgt, dass wir stabiler als viele andere Demokratien sind. Wir streiten uns manchmal – das ist überhaupt keine Frage – wie die Kesselflicker. Das unterscheidet uns auch nicht von anderen Ländern. Manchmal stehen wir auch vor einer Situation, da wissen wir nicht, wie es weitergeht, und denken: Wie kommen wir da wieder heraus? Auch das unterscheidet uns nicht von anderen Ländern. Am Ende des Tages aber haben wir es hier in Deutschland, wenn es darauf ankam, immer wieder geschafft, über persönliche Grenzen, über Parteigrenzen und über die Grenzen von Bund und Ländern hinweg irgendwann einmal auch eine Lösung zu finden. Dieses Irgendwann ist heute, meine Damen und Herren, und deswegen stimmen Sie bitte zu.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält nun die Kollegin Sahra Wagenknecht für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7114759
Wahlperiode 18
Sitzung 237
Tagesordnungspunkt Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs
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