Eckhardt RehbergCDU/CSU - Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Ihnen, Herr Bürgermeister Scholz, dankbar – das sage ich ausdrücklich –, dass Sie die Beweggründe für den sogenannten A-Teil noch einmal ruhig und sachlich dargestellt haben. Für uns war von Beginn an klar – das darf ich auch für den Koalitionspartner sagen –, dass wir dieses grundsätzlich nicht anfassen. Es handelt sich um eine schwierige Übereinkunft zwischen der Bundesregierung und den 16 Bundesländern. Es gab ja Debatten über eine 100-prozentige Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft. Ich glaube, wer an einer Stellschraube gedreht hätte, der hätte das ganze Gefüge durcheinandergebracht.
Ich will darauf eingehen, dass die Kollegin Wagenknecht hier gesagt hat: Dann sagen wir einfach Nein.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
Wissen Sie eigentlich, wozu Sie da Nein sagen? Sie sagen Nein zu weiteren Prüfrechten des Bundesrechnungshofes. Sie sagen Nein zu Artikel 104b des Grundgesetzes – ich komme darauf noch zurück –, in dem es darum geht, dass die Bundesregierung stärkere Prüfrechte hat. Sie sagen Nein zur Modernisierung der Onlineportale und damit auch zur Digitalisierung. Sie sagen Nein zur Modernisierung der Steuerverwaltung.
Insofern will ich an dieser Stelle ausdrücklich Respekt gegenüber Bündnis 90/Die Grünen zum Ausdruck bringen. Es hat sich mit den Grundgesetzänderungen wirklich dezidiert auseinandergesetzt. Wenn die Grünen hier 9 von 13 Grundgesetzänderungen zustimmen, dann ist das, finde ich, ein starkes Signal des Deutschen Bundestages nach außen dafür, dass wir hier gemeinsam gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])
Wir haben schleichend quasi eine zweite Säule des Bund-Länder-Finanzausgleichs bekommen, die in diesem Jahr im Vergleich zu vor zehn Jahren zusätzliche Einnahmen für Länder und Kommunen in Höhe von fast 23 Milliarden Euro bedeutet. Nicht eingerechnet in diese 23 Milliarden Euro ist der Aufwuchs nächstes Jahr beim kommunalen Entlastungspaket, das von 2,5 Milliarden Euro auf 5 Milliarden Euro wächst, oder auch die Änderung über Artikel 104c, Stärkung von finanzschwachen Kommunen bei der Sanierung von Schulinfrastruktur mit weiteren 3,5 Milliarden Euro.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird immer nur auf den Bund geschaut. Wenn wir über gleichwertige Lebensverhältnisse reden, wenn wir über gesamtstaatliche Verantwortung reden, dann müssen wir auch einbeziehen, dass im Jahr 2016 Länder und Gemeinden gemeinsam Jahresüberschüsse von 14,5 Milliarden Euro hatten. Bei den Ländern waren es fast 9 Milliarden Euro; bei den Gemeinden waren es 5,5 Milliarden Euro. Das ist nicht nur durch den massiven Aufwuchs von Steuereinnahmen, sondern insbesondere dadurch zum Tragen gekommen, dass sich, seitdem Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, also seit drei Legislaturperioden, diese quasi zweite Säule der Bund-Länder-Finanzbeziehungen so deutlich herausgebildet hat.
Mir war immer wichtig – das wissen meine Kollegen im Haushaltsausschuss sehr gut –, dass wir endlich mit dafür sorgen können, dass das Geld, das wir Ländern und Kommunen geben, erstens da ankommt, wo es hingehört, und zweitens auch dafür verwandt wird, wofür es vorgesehen ist. Mit der Änderung von Artikel 104b Grundgesetz, mit der Änderung von Artikel 114 Grundgesetz hat der Bundesrechnungshof Instrumente in der Hand, um dafür zu sorgen, dass das zukünftig besser laufen wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich will zwei Beispiele nennen, die mich in den letzten Tagen massiv geärgert haben.
Erstens. Das Institut der deutschen Wirtschaft stellt fest, dass 300 000 Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen fehlen. Wahr ist, dass wir das vierte Programm auflegen – 2017 bis 2020; 1,1 Milliarden Euro –, dass aber im dritten Programm – 2015 bis 2018 – gerade mal ein Drittel der 550 Millionen Euro abgerufen worden sind. Hier gibt es aus meiner Sicht zwei Verantwortungsebenen. Es gibt die Verantwortung des Bundesministeriums, dafür zu sorgen, dass das Geld abfließt und ein Zustand, bei dem Kitaplätze fehlen – 300 000 ist eine erschreckende Zahl –, nicht eintritt, und es gibt die Verantwortung der Länder und Kommunen, dafür zu sorgen, dass dieses Geld zielgerichtet für das eingesetzt wird, für das wir es politisch vorgesehen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zweitens. Der Bund stellt in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro und auch im nächsten Jahr 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung; im letzten Jahr war es 1 Milliarde Euro. Gebaut wurden von der Ländergesamtheit gerade mal 25 000 Sozialwohnungen. Allein mit dem Bundesgeld – übrigens: sozialer Wohnungsbau ist keine Bundesaufgabe; das ist eine Länderaufgabe –, mit dieser 1 Milliarde Euro, hätten mindestens 30 000 Sozialwohnungen gebaut werden können. Da ist meine Frage an die Länder, die nicht einmal die Bundesmittel dafür eingesetzt haben: Was passiert mit dem Geld? Wofür wird es verwendet?
Ich habe an dieser Stelle auch eine Bitte an das Bundesministerium. Man kann die Dinge nicht einfach so laufen lassen. Es geht nicht, sich zu freuen, dass es 15 000 neue Sozialwohnungen in 2015 und 25 000 in 2016 gibt, dann aber zu sagen: Wir brauchen 80 000 Sozialwohnungen. – Wenn 1,5 Milliarden Euro Bundesgeld und 1,5 Milliarden Euro von den Ländern eingesetzt werden – die Erwartungshaltung ist, dass zu einem Euro vom Bund ein Euro vom Land kommt –, dann schaffen wir auch die 80 000 Sozialwohnungen insgesamt für Deutschland; dann erreichen wir unser Ziel.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem es um das Gesamtpaket ging, möchte ich nun eine kurze Anmerkung zum Thema Verkehrsinfrastruktur machen. Uns hat 2013 fast keiner geglaubt, dass wir den Investitionshochlauf schaffen. Heute haben wir die Situation, dass, was Straßenneubauprojekte angeht, die Schubladen leergefegt sind. Es gibt aktuell kein einziges Straßenneubauprojekt in Deutschland mit Baurecht mehr. Wir finanzieren alles aus. Es ist sehr wichtig, dass wir die Infrastrukturgesellschaft für die Bundesautobahnen gründen, damit wir hier schneller und zügiger vorankommen.
Frau Kollegin Wagenknecht, Sie haben Kritik an ÖPP geäußert. Ich weiß nicht, ob Sie, Herr Bürgermeister Scholz, mir zustimmen. Bei Ihnen läuft gerade ein ÖPP-Projekt: A 7 Hamburg–Bordesholm, Umfang: 1,6 Milliarden Euro. Es läuft nach meiner Kenntnis exzellent – termingetreu, kostengetreu –, und es gibt auch bei der Verkehrslenkung überhaupt keine Probleme. Ob das im konventionellen Bereich – Herr Behrens, ich könnte eine ganze Latte von Projekten im konventionellen Bereich herunterrattern, bei denen es eine Verdopplung der Kosten gegeben hat – genauso gelaufen wäre, das würde ich in hohem Maße bezweifeln.
(Zuruf des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE])
Es wird immer wieder gesagt: ÖPP ist um 40 Prozent teurer. ÖPP ist um 20 Prozent teurer. – Die elf ÖPP-Projekte, die in Deutschland fertiggestellt worden sind, sind termin- und kostengetreu realisiert worden und haben unsere Infrastruktur vorangebracht.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter der Federführung des Haushaltsausschusses und der Haushälter ist hier ein Gesamtpaket zusammengekommen, über das ich nur sagen kann: Es ist zustimmungsfähig. Verschieben hilft nicht. Entscheiden hilft.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Bettina Hagedorn für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7114772 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs |