01.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 237 / Tagesordnungspunkt 10

Ole Schröder - Einwanderungsgesetz

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Göring-Eckardt, ich bin immer wieder fasziniert von dem Glauben der Grünen, allein das Aufenthaltsrecht würde über die qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland entscheiden.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man nicht zuhört, dann versteht man auch nichts, Herr Schröder!)

Die Logik dahinter ist wohl: Wenn man nur einen Hammer hat, dann muss wohl jedes Problem ein Nagel sein. – Anders kann ich mir das nicht erklären.

Kein Ingenieur und kein Informatiker macht seine Entscheidung, in Deutschland zu arbeiten, in erster Linie von den rechtlichen Regelungen des Aufenthaltsrechts abhängig.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal die Handwerkskammern! Fragen Sie mal die Wirtschaftsverbände!)

Der Rechtsrahmen muss es ermöglichen; das ist völlig richtig. Aber entscheidend, ob eine hochqualifizierte Fachkraft nach Deutschland kommen will, sind die Lebensqualität, die Karrierechancen und vor allem natürlich die Verdienstmöglichkeiten, insbesondere die Höhe der Steuern und Abgaben. Auch die Sprachbarriere spielt selbstverständlich eine Rolle.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal mit den Wirtschaftsunternehmen geredet? Ich denke, Sie reden immer mit der Wirtschaft!)

Das heißt, wenn wir für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland wirklich attraktiver werden wollen, dann brauchen wir niedrigere Steuern und Abgaben. Was wir nicht brauchen, das sind neue Einwanderungsgesetze.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nach den jüngsten Reformen des Zuwanderungsrechts ist die Bundesrepublik eines der ... Länder mit den geringsten Beschränkungen für die ... Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte.

Das steht in meinem Redemanuskript, aber das steht vor allen Dingen auch im Wirtschaftsbericht der OECD aus dem Jahr 2014.

Unabhängige Institutionen wie die OECD oder der Sachverständigenrat für Migration und Integration bestätigen Deutschland seit langem, eines der liberalsten und attraktivsten Rechtssysteme weltweit für die Arbeitsmigration vorzuhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Kurz: Das Aufenthaltsrecht ist nicht der Hemmschuh bei der qualifizierten Zuwanderung. Was wir nicht brauchen, ist ein neues Zuwanderungsrecht. Wir müssen darüber sprechen, was unser Zuwanderungsrecht alles ermöglicht.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Gehen Sie einmal auf die Website Ihres Ministeriums! Da fallen Sie vom Glauben ab!)

Wir brauchen ein entsprechendes Marketing dafür; denn wir haben alle Möglichkeiten innerhalb unseres bestehenden Rechts. Hören Sie also bitte auf, ein erfolgreiches System mit neuen Gesetzesinitiativen zu verschlimmbessern!

Unser Einwanderungsgesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, heißt „Aufenthaltsgesetz“. Die legale Zuwanderung nach Deutschland ist bereits ausführlich und ausgesprochen großzügig geregelt. Wer dennoch ein Einwanderungsgesetz fordert, muss sich ehrlich machen: Welche Zuwanderung zusätzlich, die bisher noch nicht geregelt ist, wollen wir in unserem Land möglich machen? Was soll dazukommen?

Die Fraktion der Grünen hat in ihrer Initiative immerhin eine klare Antwort gegeben. Was Sie fordern, ist die ungehemmte Vermengung von Asyl und Arbeitsmigration.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus welcher Kiste haben Sie sich das geholt?)

Ihr Gesetzentwurf ist ein Plädoyer für die ungesteuerte Einwanderung von Geringqualifizierten in die deutschen Sozialsysteme. Damit entlasten Sie gerade nicht im Hinblick auf den demografischen Wandel.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gauland!)

Im Gegenteil: Sie verschärfen das demografische Problem, indem Sie noch mehr Unqualifizierte ins Land holen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal, lesen Sie den Gesetzentwurf, bevor Sie reden, oder lassen Sie das bleiben?)

Meine Damen und Herren, genauso problematisch sind Ihre Vorschläge, dass quasi jeder, der zu uns kommt, auch gleich die doppelte Staatsangehörigkeit erhalten soll. Haben Sie mitbekommen, dass das antidemokratische Referendum in der Türkei maßgeblich mit den Stimmen aus Deutschland entschieden wurde?

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie eigentlich, dass die das waren? Vielleicht waren es die mit nur türkischem Pass!)

Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit bestimmen über Demokratie und Rechtsstaat in anderen Staaten, obwohl sie deren Herrschaftsgewalt überhaupt nicht ausgesetzt sind, und das ist problematisch. Wir müssen vor diesem Hintergrund, nach den Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben, nicht über eine Ausweitung der Mehrstaatigkeit nachdenken, sondern über deren Eindämmung.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist rückwärts!)

Die Verleihung der Staatsangehörigkeit steht am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses. Sie soll den hier integrierten Menschen eine umfassende politische Teilhabe ermöglichen. Das Angebot zur Einbürgerung muss auch die Belange der Aufnahmegesellschaft berücksichtigen. Dafür ist eine bereits erfolgte erfolgreiche Integration zentral. Ihre Idee einer nahezu voraussetzungslosen Staatsangehörigkeit lehne ich daher mit Nachdruck ab.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quark!)

Meine Damen und Herren, wenn wir bei der Zuwanderung von Fachkräften nachhaltig Erfolg haben wollen, müssen wir drei Punkte berücksichtigen.

Erstens: die Steuerung von Zuwanderung. Arbeitsmigration und Asylrecht sind zu unterscheiden. Humanitär Schutzbedürftigen geben wir Asyl. Arbeitskräfte holen wir im Gegensatz dazu in geordnetem Verfahren nach unserem Bedarf ins Land,

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist doch Einwanderungsgesetz! Genau das wollen wir! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie mal mit den kleinen und mittleren Unternehmen, die jemanden suchen!)

so wie es alle modernen Einwanderungsländer tun. Die Vermengung von Asyl und Fachkräftezuwanderung halte ich persönlich wirklich auch für zynisch, und sie lädt – noch schlimmer – zu Asylmissbrauch ein. Spurwechsel und ähnliche Fehlanreize müssen wir ausdrücklich verhindern. Bestehende Durchbrechungen des Systems dürfen wir auf gar keinen Fall ausweiten, weil wir ansonsten unser Asylsystem untergraben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben echt Angst!)

Zu einer gesteuerten Zuwanderungspolitik gehört ganz elementar auch die Durchsetzung bestehender Ausreisepflichten. Beides geht Hand in Hand. Ihre Pläne, Aufenthaltstitel und sogar die Staatsangehörigkeit ausreisepflichtigen Geduldeten zu erteilen, wären für Deutschland ein gigantischer Pull-Faktor, und das hat mit Steuerung von Zuwanderung wirklich überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Die Zuwanderung muss dem Bedarf entsprechen. Wer mehr Arbeitskräfte ins Land holt, als von der Wirtschaft benötigt, leistet Lohndumping Vorschub. Genau das ist ja die Logik des Punktesystems. Das bedeutet: Ich hole einen Pool von Arbeitskräften ins Land,

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach dem Bedarf!)

aus dem sich die Wirtschaft dann bedienen kann.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die Billigsten!)

Was ist aber dann mit denjenigen, die keinen Arbeitsplatz bekommen? In den klassischen Zuwanderungsländern wie Amerika schlafen diese Menschen unter der Brücke. Wir haben den Anspruch, jeden innerhalb unseres Sozialsystems entsprechend dem Grundsatz der sozialen Teilhabe zu unterstützen. Das heißt natürlich, dass die Länder mit einem solchen Punktesystem auch massiv die Zuwanderung in die Sozialsysteme verstärken. Ich verstehe wirklich nicht, warum gerade die Parteien links der Mitte innerhalb dieses Hauses ein solches System unterstützen. Das leuchtet mir einfach nicht ein. In Ländern wie Kanada, das Herr Oppermann ja so gerne besucht, ist ja deshalb auch die Zuwanderung ohne konkretes Jobangebot ausgeschlossen worden.

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Der Kollege hat gesagt: „in Anlehnung an Kanada“!)

Die haben es verstanden. Sie wollen jetzt genau das Gegenteil einführen.

Meine Damen und Herren, von einem Punktesystem kann ich nur abraten. Es ist extrem bürokratisch mit sehr langen Verfahrensdauern und deckt gerade nicht den Bedarf ab. Im Übrigen: Länder wie Kanada, Australien oder Neuseeland, die Sie, Frau Göring-Eckardt, ja eben als positives Beispiel zitiert haben,

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als Wettbewerber!)

haben dieses Punktesystem gerade deshalb eingeführt, um die Zuwanderung einzuschränken, und nicht, um die Zuwanderung auszudehnen. Das System ist extrem bürokratisch. In Deutschland kann durch die Entbürokratisierung des Verfahrens ein Arbeitsvisum binnen weniger Wochen, zum Teil binnen zehn Tagen erteilt werden. In Kanada muss man hingegen selbst mit Jobangebot in der Regel sechs Monate auf ein Visum warten. Die Zuwanderer, aber auch die Wirtschaft würden sich bei Ihnen von den Grünen sehr herzlich für ein solches System bedanken.

Drittens. Wir brauchen ein gutes Marketing der Möglichkeiten der Zuwanderung nach Deutschland. Das deutsche Zuwanderungsrecht ist enorm liberal. Unser unbürokratisches Verfahren für Fachkräfte funktioniert schnell und transparent. Über diese Erfolgsgeschichte sollten wir sprechen. Initiativen der Bundesregierung wie „Make it in Germany“ sind wichtige Bausteine auf diesem Weg.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie sich das mal durchgelesen?)

Das reicht aber noch nicht aus.

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass einige hier das Einwanderungsgesetz als ihr Thema lieb gewonnen haben. Ich appelliere dennoch an Sie, von nationalen Alleingängen auf Kosten unserer Sozialsysteme Abstand zu nehmen.

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Wir reden von Fachkräften, nicht vom Sozialsystem!)

Wir haben ein gutes Aufenthaltsrecht, wir haben bereits ein Zuwanderungsrecht, das übrigens zu großen Teilen europäisch geregelt ist. Auch dazu würde mich einmal Ihre Stellungnahme interessieren. Wollen Sie wirklich einen deutschen Alleingang, oder wollen Sie das Ganze in das europäische Rechtssystem einbetten? Wir verhandeln ja gerade die neue Bluecard-Richtlinie auf europäischer Ebene. Ich meine: Wir sollten bei diesem bewährten System bleiben. Selbstverständlich besteht die Möglichkeit der Anpassung. Da, wo es noch unbürokratischer geht, sollten wir daran arbeiten. Aber eine neue Seite im Bundesgesetzblatt mit der Überschrift „Einwanderungsgesetz“ löst nicht ein einziges Problem, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Dr. Schröder. – Nächste Rednerin: Sevim Dağdelen für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Electoral Period 18
Session 237
Agenda Item Einwanderungsgesetz
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