Sebastian HartmannSPD - Einwanderungsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, herzlichen Dank für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer gerne!)
Er eröffnet uns die Möglichkeit, eine qualifizierte Debatte darüber zu führen, wie wir Einwanderung in einem modernen Staat gestalten wollen.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr hättet auch einen einbringen können! Dann hätten wir auch darüber geredet!)
So weit zum Guten.
Wir werden uns mit dem Gesetzentwurf natürlich im Weiteren auseinandersetzen, und ich werde auch klar Stellung beziehen; aber ich möchte zunächst auf meine Vorrednerin von den Linken eingehen: Sie müssen hübsch aufpassen, wenn Sie uns vorwerfen, alles in einen Topf zu werfen, das aber selber machen.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Ich gebe Ihnen ausdrücklich zu bedenken: Wenn Sie wieder alles in einen großen Topf packen, das Asylrecht, das humanitäre Recht und das Einwanderungsrecht,
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ist doch in dem Gesetz!)
dann machen Sie den Fehler der Vergangenheit, den wir mit einem modernen Einwanderungsrecht eben abstellen wollen. Wir wollen vernünftige Regelungen für eine Einwanderung haben.
(Beifall bei der SPD)
Sie begehen noch einen zweiten Fehler – das ist Ihnen in Ihrer Argumentation wahrscheinlich gar nicht aufgefallen –: Im Zusammenhang mit dem Punktesystem werfen Sie den Arbeitgebern Sozialauslese und Sozialdarwinismus vor. Aber Sie haben sich durch einen Satz verraten. Sie haben gesagt: Damit fördern Sie die Ausbeutung anderer Arbeitnehmer, die dann Druck auf den deutschen Arbeitsmarkt auslösen. – Da ist das Problem: Sie organisieren die Angst in diesem Land, indem Sie sagen, dass jemand, der nach Deutschland einwandert, Druck auf den Arbeitsmarkt ausübt, indem er in die Sozialsysteme einwandert und Druck auf das Lohnsystem ausübt.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Quatsch! Das sagt Ihr Kanzlerkandidat! Hören Sie auf! Das ist doch gelogen von Ihnen!)
Das ist das Problem der Linken. Sie bedienen das gleiche Klischee wie die von Ihnen kritisierte populistische Partei am rechten Rand. Sie bedienen das genauso.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sahra Wagenknecht ist dabei die Erste, zusammen mit ihrem Mann Oskar Lafontaine.
(Zuruf der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])
– Denken Sie doch einmal über das Argument nach. Denken Sie darüber nach, wie Sie argumentiert haben.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Wir haben das gar nicht gesagt!)
– Wenn Sie es nicht glauben, lesen Sie das im Protokoll nach. Sie haben das selbst gesagt.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Wo haben wir das gesagt? Unehrlich von Ihnen!)
Es gibt noch etwas, was man in dieser Debatte nicht tun sollte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Wir wollen über Einwanderung in einem modernen Staat reden. Über ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht haben wir Anfang dieser Legislaturperiode schon gesprochen. Wir haben uns auf die doppelte Staatsbürgerschaft verständigt.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Das ist falsch!)
Wir haben das Optionsmodell abgeschafft, weil wir den Loyalitätskonflikt auflösen wollten. Eröffnen Sie die Diskussion darüber bitte nicht erneut.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie sind froh über das Lohndumping! Sie machen die Agenda 2010!)
Sie haben im Umfeld eines CDU-Bundesparteitags im Bruch mit der Linie Ihrer eigenen Kanzlerin Angela Merkel gesagt, dass Sie wegwollen vom Doppelpass. Wir haben im Koalitionsvertrag etwas viel Moderneres beschlossen.
Heute haben Sie diesen Fehler erneut gemacht. Ich glaube nicht, dass Herr Staatssekretär Ole Schröder hier eine Stellungnahme der Bundesregierung vorgetragen hat,
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Parteitagsrede!)
als er etwas zur Doppelstaatsbürgerschaft und den Problemen, die angeblich nur bei Deutsch-Türken auftreten, gesagt hat. Meine Damen und Herren, wenn der Brexit ein Erfolg für die Briten wird und zum Schaden für Europa und vieler Menschen, die in Britannien arbeiten, dann wird die doppelte Staatsangehörigkeit für Briten ganz besonders interessant. So einfach ist das nicht. Es geht nicht nur um Deutsch-Türken.
Wer dann noch das Klischee bedient, dass Türken in Deutschland angeblich mal eben für Erdogan und seine Verschärfung der Verfassung gestimmt haben, der verfälscht die Zahlen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
In der Türkei haben 1,4 Millionen Menschen mehr für die Verfassungsänderung votiert. In Deutschland waren knapp 29 Prozent aller Deutsch-Türken in der Abstimmung dafür. 416 000 haben dafür gestimmt. Das heißt umgekehrt, fast 70 Prozent der hier in Deutschland lebenden Türken haben, obwohl sie wahlberechtigt waren, sich nicht in diesen Loyalitätskonflikt bringen lassen. Lassen Sie uns doch endlich anerkennen, dass viele Menschen sich positiv zu diesem Staat bekennen, egal welchen zweiten Pass sie haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dann hätte man Wesentliches erreicht, was zu einem modernen Staat dazugehört.
Deswegen ist die SPD in dieser Debatte sehr selbstbewusst. Ja, die Grünen haben jetzt einen Antrag eingebracht.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einen Gesetzentwurf!)
Ja, die SPD hat auf einer Pressekonferenz im November gesagt: Wir wollen noch in dieser Legislaturperiode ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das sich an folgenden Kriterien orientiert:
Erstens. Wir erkennen an, dass Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft ist.
Zweitens. Wir erkennen an, dass Einwanderung auf Basis eines Punktesystems, angelehnt an Kanada, eine echte Bereicherung für Deutschland und den Arbeitsmarkt sein kann, dass das eine echte wirtschaftliche Chance für dieses Land sein kann.
Drittens. Wir wollen das ordnen und klar trennen
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Richtig!)
von einem humanitären Recht und dem Asylrecht; denn das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es ist unsere humanitäre Verpflichtung, den internationalen Verträgen zur Geltung zu verhelfen.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Eindeutig! Klar!)
Warum ist das Gesetz noch nicht beschlossen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger? Es gibt doch angeblich eine so progressive linke Mehrheit hier im Parlament, die von der CDU/CSU-Fraktion schon als Schreckgespenst an die Wand gemalt wurde.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: „Schreckgespenst“? Sie wollen Rot-Rot-Grün machen!)
Das, was Sie gemacht haben, zeigt eines: Sie sind alleine, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen vom Koalitionspartner.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das sehen wir bei jeder Landtagswahl!)
Die Einzigen, die für Ihr Format eines Einwanderungs- oder Staatsangehörigkeitsrechts stimmen würden, werden möglicherweise gar nicht Mitglieder dieses Parlaments. Sollte eine andere, liberale Partei wieder in dieses Parlament einziehen, gäbe es sogar eine noch breitere Mehrheit für ein modernes Einwanderungsrecht.
Das ist die Problematik, liebe Grüne: Sie können jetzt hier zwar ein Einwanderungsgesetz einbringen und dafür stimmen, aber es gibt dafür keine Mehrheit. Wir hätten uns hier auf eine andere, gesellschaftlich progressive Mehrheit verständigen können; aber Sie haben sich der Regierungsverantwortung verweigert, als es nach der Bundestagswahl 2013 darum ging, wer die Mehrheit hier im Bundestag und in diesem Land repräsentieren möchte.
Wir haben uns mit unserem Koalitionspartner auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Dieser sah keine Reform des Einwanderungsrechts vor. Er sah aber die Abschaffung der Optionspflicht vor, was die doppelte Staatsbürgerschaft angeht. Daran halten wir uns. Wir bedauern sehr, dass unser Vorschlag eines Einwanderungsgesetzes, das im Wesentlichen ausformuliert ist und deutlich besser ist als das der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, hier nicht – gemeinsam mit der Union – beschlossen werden kann. Aber was nicht ist, das kann ja noch werden. Darüber wird am 24. September entschieden.
Wir werden mutig dafür werben, werben, dass Deutschland als Einwanderungsland endlich auch ein modernes Einwanderungsrecht bekommt. Wir wollen die 50 Aufenthaltstitel, mit denen Einwanderung in Deutschland schon gelungen ist, endlich vernünftig ordnen, transparent und nachvollziehbar gestalten und Deutschland als modernen Staat in der Welt attraktiv machen.
Lassen Sie uns doch dafür sorgen, dass Menschen, die hochqualifiziert sind, die aus beruflichen Gründen Interesse an Mobilität haben, nicht irgendwie auf ein Asyl oder ein humanitäres Recht angewiesen sind, indem wir ihnen in der Sache klarmachen: Es gibt eine Chance für dich in Deutschland, wenn du dich bewirbst, wenn du die entsprechenden Kriterien des Punktesystems erfüllst und wenn die Zuwanderung eine Bereicherung darstellt, und zwar für dich selbst als Person und für die aufnehmende Gesellschaft in Deutschland, die dann von der Einwanderung profitiert. – Denn wir haben doch die demografische Herausforderung, wir haben doch den Fachkräfteverlust, wir haben doch die Entwicklung, dass die Einwohnerzahlen in Deutschland zurückgehen. Wenn man diese Fakten anerkennt, dann müsste man doch zwangsläufig sofort das Einwanderungsgesetz beschließen, das die SPD vorgelegt hat – eine schlanke Lösung mit einer Punktesystematik, die an jene in Kanada angelehnt ist. Lassen Sie uns das tun. Wenn es nicht heute gelingt, dann werden wir es bei der Bundestagswahl zur Abstimmung stellen. Ich bin mir sicher: Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit, und es ist Zeit für ein modernes Einwanderungsrecht in Deutschland.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Sebastian Hartmann. – Nächster Redner: Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen.
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Electoral Period | 18 |
Session | 237 |
Agenda Item | Einwanderungsgesetz |