Waltraud WolffSPD - Rentenniveau
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute schon drei Rentenbeschlüsse gefasst. Ich erlebe es in 19 Jahren als Abgeordnete zum ersten Mal, dass an einem Tag drei so entscheidende Beschlüsse, deren Beschlussempfehlungen aus einem Ausschuss kommen, gefasst werden: zu den Betriebsrenten, zur Rentenangleichung zwischen Ost und West und zur Erwerbsminderungsrente. Wir haben – das kann man feststellen – die Rente wieder ein Stück besser gemacht. Diesen Weg müssen wir weitergehen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den vorliegenden Anträgen wird auf Ungerechtigkeiten in der Rentenüberleitung hingewiesen. Ich habe es schon in der vorhergehenden Debatte gesagt: Ja, es gibt Ungerechtigkeiten. Herr Birkwald, Sie haben – ich sehe sie auf der Tribüne sitzen – die davon betroffenen Damen wieder eingeladen. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie auf die Situation der in der DDR geschiedenen Frauen eingehen.
In der DDR gab es keinen solchen Versorgungsausgleich, wie es ihn in der Bundesrepublik gibt.
(Kerstin Griese [SPD]: Genau!)
Daher haben die Frauen, die in der DDR geschieden wurden, geringere Rentenansprüche. Das ist ganz klar, das ist logisch. Aber dieses Problem können wir doch nicht im Rentenrecht lösen.
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein! – Albert Stegemann [CDU/CSU]: So sieht es aus!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das ist der falsche Weg. Sie laden in jeder Legislaturperiode in der DDR geschiedene Frauen aus 15 bis 18 Berufsgruppen –
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: 18!)
– ja, 18 – hier in den Bundestag ein. Aber dieses Problem ist im Rentenrecht nicht zu lösen.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Dann machen Sie was!)
1992 sind die Regelungen zur DDR-Rente ins Sozialgesetzbuch VI übernommen worden, aber – das muss man dazusagen – die Sondersysteme eben nicht. 1999 ist darüber vom Bundesverfassungsgericht abschließend entschieden worden. Diese Tatsachen kann man nicht einfach von der Hand weisen.
(Beifall des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU] – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig!)
Wir als SPD-Fraktion haben zwar nicht immer, aber schon seit Jahren einen steuerfinanzierten Härtefallfonds gefordert.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr seid in der Regierung! Ihr habt es nicht gemacht!)
– Ich rede nicht von der Regierungskoalition, sondern ich rede von der SPD. – Dieser Vorschlag liegt auf dem Tisch.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf welchem Tisch?)
Gerade die Diskriminierung von Frauen wäre ein Fall für eine Härtefalllösung.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es nur der Auftrag für die nächste Legislaturperiode sein, an der Einrichtung eines solchen Härtefallfonds zu arbeiten und hier eine Lösung herbeizuführen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann dürft ihr nicht mit der CDU regieren! – Gegenruf des Abg. Albert Stegemann [CDU/CSU]: Misch dich da mal nicht ein! – Gegenruf der Abg. Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns die Renten im Osten der Republik ansehen, dann sehen wir eines ganz besonders deutlich: Renten sind das Spiegelbild des Erwerbslebens. Arbeitslosigkeit und Krankheit spiegeln sich darin genauso wider wie prekäre Beschäftigung und schlecht bezahlte Arbeit. Davon – ich komme ja aus Sachsen-Anhalt – kann ich ein Lied singen. Diese gebrochenen Erwerbsbiografien vieler Menschen im Osten, die es seit der deutschen Einheit gibt, haben natürlich ihren Preis, und zwar niedrige Renten in der Zukunft.
Der Blick nach Ostdeutschland zeigt aber auch noch eine andere Entwicklung auf, die wir in der Zukunft in ganz Deutschland zu verzeichnen haben. Durch Umbrüche und Wegbrechen der Industrie – das zeigt zum Beispiel ein Blick nach Nordrhein-Westfalen auf jede Zeche und jedes Stahlwerk, die dort schließen – werden wir in der Zukunft dieselben Probleme haben wie in Ostdeutschland.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welcher Zukunft? Wir haben die Probleme seit 30, 40 Jahren!)
Darum finde ich es richtig, dass wir uns die Köpfe darüber heißreden und diskutieren, wie wir die gesetzliche Rente als wichtigste Säule der Alterssicherung zukunftsfest machen können.
(Beifall bei der SPD)
Natürlich müssen wir an dieser Stelle auch über das Rentenniveau sprechen und diskutieren, aber – heute sind auch viele junge Leute anwesend – wir dürfen auch nicht vergessen, über die Finanzierung zu reden. Deshalb finde ich den Ansatz von Bundesministerin Nahles, eine doppelte Haltelinie einzuführen, sehr richtig. So brauchen wir eine Haltelinie für ein garantiertes Rentenniveau, damit es nicht weiter sinkt. Man muss es aber nicht nur halten, sondern es geht auch darum, dass es in der Zukunft in höherem Maße steigt. Dazu sage ich: 50 Prozent müssen eine Richtschnur für die Zukunft sein.
Die Solidarrente für den einzelnen Rentner und die einzelne Rentnerin einzuführen – ich komme gleich zum Schluss, Frau Präsidentin –, ist für uns als SPD auch ein ganz wichtiger Punkt. Denn wer sein Leben lang gearbeitet hat, darf nicht in der Grundsicherung landen.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben mit dem gesetzlichen Mindestlohn gerade für die neuen Bundesländer eine stärkere Rentensteigerung erreicht. Genau das muss die wichtigste Aufgabe sein: gute Arbeit und gute Löhne. Dann kann man auch zu einer guten Rente kommen.
Das war ein guter Schlusssatz.
Ja, so ist es. – Mit einer Solidarrente, die die Lebensleistung absichert, schaffen wir insgesamt eine verlässliche Altersversorgung. Aber es gibt noch viele Aufgaben in der Zukunft.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7115222 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Rentenniveau |