Heidtrud HennSPD - Jahresbericht 2016 des Wehrbeauftragten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Soldatinnen und Soldaten! Mein großer Dank gilt unserem Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels für die Vorlage seines zweiten Berichtes. Dieser Dank gilt aber nicht nur dir, lieber Hans-Peter, sondern auch allen deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich in der Neustädtischen Kirchstraße um die Eingaben kümmern und die Ergebnisse zu einem Bericht für uns zusammenfassen.
Dies wird meine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag sein. Bitte, gestatten Sie mir, dass diese Rede vom Gefühl und von dem Wunsch getragen wird, Ihnen bzw. Euch etwas von meinen Erfahrungen und Erkenntnissen mit auf den Weg zu geben.
Ich will mit einem Zitat von Carl Spitteler anfangen:
Menschen zu finden, die mit uns fühlen und empfinden, ist wohl das schönste Glück auf Erden.
Ich frage hier in die Runde und schaue dabei in Richtung Regierungsbank sowie auf alle Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen. Ich frage nicht nur unsere Politikerinnen und Politiker, sondern auch unsere Gesellschaft: Wie fühlen wir mit unseren Soldatinnen und Soldaten? Was empfinden wir für sie? Bei jedem Gelöbnis legen junge Rekruten den Eid ab, dem Vaterland treu zu dienen, dem Vaterland: Deutschland. Damit meinen sie, uns, der Gesellschaft, zu dienen. Das sollte allen ganz bewusst sein, die in der letzten Zeit über die Bundeswehr spotten. Es gibt ein altes Sprichwort: Kehre vor deiner eigenen Haustür, dann hast du genug zu tun. – Eines ist ganz sicher: Es gibt keinen Menschen, der unfehlbar ist.
Ja, es ist gut, wenn genau hingeschaut wird. Es gehört aber mehr dazu, als nur genau hinzuschauen. Die Kommunikation ist das A und O. Dazu gehört ein ehrlicher Austausch auf der Kommandeursebene, zwischen Vorgesetzten und Mannschaft sowie zwischen der Ministerin und den Führungskräften. Auch die Kommunikation zwischen zivilen und militärischen Bundeswehrangehörigen ist wichtig. Hinschauen gilt nicht nur bei den Soldaten. Hinschauen gilt auch im zivilen Bereich.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Seine Meinung kundzutun, hat nichts damit zu tun, keinen Respekt vor dem Vorgesetzten zu haben. Seine Meinung kundzutun, darf kein Nachteil bei der Beförderung sein,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
was bei manchem Vorgesetzten noch immer der Fall ist.
Genaues Hinschauen! Ich vermisse das genaue Hinschauen auch im zivilen Bereich. Keiner kann mir richtig erklären, warum manche Dinge nicht vorwärtsgehen. In den letzten Wochen sind Stuben durchsucht worden; so haben es Soldatinnen und Soldaten empfunden. Besuchen ist besser als durchsuchen. Vertrauen ist besser als Verdacht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dies möchte ich der Ministerin mit auf den Weg geben. Ich habe in den letzten Wochen viele Anrufe und E-Mails von Soldaten bekommen, die die Uniform ausziehen wollten. Ja, in der Truppe ist ein großer Vertrauensbruch im Verhältnis zur Ministerin entstanden.
Zurück zum genauen Hinschauen. Seit Jahren fällt keinem auf oder will keinem auffallen, dass Fenster in den Unterbringungen herausfallen, dass im Winter die Heizung nicht funktioniert, dass sanitäre Einrichtungen so versifft sind, dass man sich ekelt, duschen zu gehen, und dass immer mehr Betreuungseinrichtungen geschlossen werden, weil nach Meinung des Versorgungsamtes nicht alles den Bestimmungen entspricht.
Karrierecenter: Ohne die Wehrpflicht müssen wir alle gut beraten, die Interesse an der Arbeitgeberin Bundeswehr haben. Begeisterung für die Berufung Soldat und auch ein authentisches Darstellen der schweren Stunden im Dienst können manche Fehlentscheidung bei guter Beratung verhindern.
Weiter geht es mit der Klotzberg-Kaserne Idar-Oberstein. Das Freibad wird nun endlich eröffnet. Seit 2014 versucht man dort, eine Betreuungseinrichtung in Form von Containern hinzustellen. Noch nicht einmal die Bodenplatte ist vorhanden.
Zweibrücken, Abriss der Sporthalle. Zumindest hatte der Bagger vor zwei Wochen einen Versuch gemacht. Dann war der Bagger kaputt. Was ist seitdem passiert? Von Stillstand kann man nicht direkt reden. Immerhin gab es einen Anfang nach sieben Jahren.
Unsere Fallschirmjäger sollen 2018 in den Einsatz gehen. Darauf müssen sie gut vorbereitet sein. Bei den Helmen war nach Überprüfung der TÜV abgelaufen. Die EU-Ausschreibung erfolgte. Der Zuschlag wurde erteilt – dem billigsten Anbieter. Die Helme kamen zurück: unbrauchbar, Risse in der neuen Beschichtung. Ende vom Lied: keine Sprungübungen. Das ist unser Vergaberecht.
Ganz zu schweigen von dem, was wir unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zumuten. Sie fühlen sich manchmal von ihrer Heimat vergessen. Die Einsätze sind kein Traumurlaub und keine Kreuzfahrt. Risse in Helmen! Seit Jahren weiß man, dass Schutzwesten fehlen. Die Beschaffung von Fahrzeugen, Munition und Kleidung dauert viel zu lang. Genaues Hinschauen! Und unsere Soldatinnen und Soldaten? Sie dienen treu und sind gehorsam.
Ich habe einen Appell an alle zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Unterstützen Sie unsere Soldatinnen und Soldaten! Bringen Sie die Beschaffung voran! Wir müssen unsere Soldatinnen und Soldaten gut ausgestattet in die Einsätze schicken, und gut ausgestattet müssen sie auch beim Üben sein, und zwar mit dem Material, mit dem wir sie in die Einsätze schicken.
Ein Appell auch an uns Abgeordnete: Ja, der Wahlkampf hat begonnen; aber bitte nicht auf dem Rücken unserer Soldatinnen und Soldaten,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
für deren Schutz wir alle verantwortlich sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe zu Beginn meiner Zeit als zuständige Berichterstatterin den Sanitätsdienst der Bundeswehr als Schmuckkästchen bezeichnet. Zum Ende meines Mandates möchte ich das wiederholen: Ja, Schmuckkästchen. „ Der Menschlichkeit verpflichtet“ ist euer Leitsatz, und das kann ich bestätigen: Ihr kümmert euch. Insbesondere allen, die sich um die traumatisierten Soldatinnen und Soldaten kümmern, möchte ich sagen, dass ihre Arbeit unverzichtbar ist. Bitte denken Sie dabei immer an die mitleidenden Angehörigen. Sie werden oft vergessen.
Heilende Hände haben auch Militärseelsorger. Das Wort Gottes ist hier das Skalpell und das Medikament. Das Halten einer zweifelnden Hand, die Umarmung einer ängstlichen Seele gehören aber ebenfalls in den Koffer aller, die in der Militärseelsorge tätig sind. Vor allem im Einsatz in diesem Bereich hat der Wehrbeauftragte nichts zu monieren. Das zeigt, wie gut die Seelsorge allen tut, und zwar ohne Ansehen der Konfession. Hier gilt das Gesetz „Nächstenliebe“.
Liebe Soldatinnen und Soldaten, ich habe viele von euch kennenlernen dürfen und viele Eindrücke mitgenommen. Ich kann eins bestimmt sagen: dass ihr loyal gegenüber eurer Arbeitgeberin Bundeswehr seid und uns allen mit Leib und Leben dient. Lasst euch nicht den Stolz nehmen, Soldatin oder Soldat zu sein, nicht von denen, die nichts von euch wissen oder euch nicht kennen oder die gar das Sprachrohr anderer sind. Ich habe große Achtung vor euch.
Von 2013 bis 2017 war ich viel unterwegs. Ich habe immer gesagt: Die Bundeswehr ist wie ein Puzzle für mich. Je mehr man die Bundeswehr kennenlernt, umso vollständiger wird das Bild. In meiner Kreuznacher Diakonie haben wir einen Leitsatz: „Gemeinsam sind wir stark.“ Diesen Leitsatz möchte ich Ihnen und euch mit auf den Weg geben.
Ich habe im Evangelischen Gesangbuch ein Lieblingslied; das Lied 604: „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“. Es beschreibt Gemeinschaft. Ein Kapitän geht unter, wenn er nicht hinter seiner Mannschaft steht.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So ist das!)
Ich lege es Ihnen und euch wirklich ans Herz, sich die Zeit zu nehmen und die Strophen zu lesen. Nur in Gemeinschaft und Zusammenhalt kann man gemeinsam etwas bewegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunft Gesundheit, Kraft, Liebe und Gottes Segen – lieber Tobias.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Wir nehmen Gottes Segen jetzt an.
Als nächste Rednerin rufe ich Doris Wagner, Bündnis 90/Die Grünen, auf.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7115242 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Jahresbericht 2016 des Wehrbeauftragten |