Andrea LindholzCDU/CSU - Familiennachzug für subsidiär Geschützte
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben als Koalition im Januar 2016 vereinbart, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte – und nur für diesen Personenkreis – für zwei Jahre auszusetzen.
(Rüdiger Veit [SPD]: Leider!)
Sie fordern jetzt, dass die Aussetzung des Familiennachzugs für diese Gruppe sofort wieder aufgehoben wird. Wir, die Unionsfraktion, können uns diesen Anträgen nicht anschließen. Warum? Über 1,2 Millionen Asylbewerber sind in den letzten zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Die Versorgung, die Unterbringung und die Integration sind eine enorme Aufgabe, die unseren Kommunen, unseren Behörden und auch den ehrenamtlichen Helfern viel abverlangt.
Sehr geehrte Frau Kollegin Dörner, es war sehr emotional, wie Sie heute vorgetragen haben. Sie waren bei der Anhörung am 20. März 2017 wahrscheinlich nicht dabei,
(Zuruf der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
in der uns unter anderem der Städtetag berichtet hat, dass heute schon rund 200 000 Flüchtlingskinder in die Schulen integriert werden müssen, dass uns rund 60 000 Kitaplätze fehlen, dass laut Bildungsbericht bis zu 44 000 Erzieherinnen, Lehrer und Sozialarbeiter fehlen,
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man aufbauen!)
dass es Wohnungsknappheit gibt, dass es an Unterbringungsmöglichkeiten fehlt. Der Deutsche Städtetag hat uns ausdrücklich darum gebeten, an der Aussetzung des Familiennachzugs für die subsidiär Schutzberechtigten bis zum März nächsten Jahres festzuhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will auch daran erinnern, dass es bis zum August 2015 geltendes Recht war, dass bei subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich kein Anspruch auf Familiennachzug besteht.
Wir haben darüber hinaus in dieser Woche im Innenausschuss vom Auswärtigen Amt einen Bericht bekommen, nach dem aktuell mit 200 000 bis 300 000 nachzugsberechtigten Personen zu rechnen ist und dass unsere Visastellen in der Türkei, in Erbil und auch in Beirut Wartezeiten von einem Monat bis zu zwölf Monaten haben. Das heißt: Wenn man jetzt, so wie Sie es fordern, diesen rund 200 000 Personen sofort gestatten würde, Anträge zu stellen, würde das bedeuten, dass für die Flüchtlinge nach der GFK, für die Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, die Wartezeit noch länger würde. Das haben wir auch schon in der Anhörung am 20. März, die zu diesem Thema stattgefunden hat, mitgeteilt bekommen.
Was ich damit sagen will: Wenn wir nicht in der Lage sind, den Familiennachzug vernünftig zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen, dann schaden wir auch den Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, weil sie dann wesentlich länger auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kommen einfach Ihrer humanitären Pflicht nicht nach!)
Es geht uns nicht darum, dass wir keinen Familiennachzug gewähren wollen. Wir haben eine europarechtlich zulässige Wertung vorgenommen, die bis August 2015 geltendes Recht in Deutschland war, und haben gesagt: Wir konzentrieren uns jetzt erst einmal auf die Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dann auf die subsidiär Schutzberechtigten. – Dafür gibt es gute sachliche Gründe. Die liegen auch in der Aufnahmekapazität, in den Aufnahmemöglichkeiten unseres Landes.
Sie wollen mir ja wohl nicht allen Ernstes erzählen, dass Ihre Bürgermeister zu Hause sagen: Oh prima, das klappt bei uns alles ganz gut. Wir schaffen es völlig problemlos, die alle hier aufzunehmen. – Das mag vielleicht daran liegen, dass es Länder wie Bayern und Baden-Württemberg gibt, die mehr belastet sind als andere Länder.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)
Man kann solche Argumente nicht einfach vom Tisch fegen und sagen: Uns interessiert überhaupt nicht, welche Probleme die Länder und Kommunen vor Ort tatsächlich haben.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn die Caritas dazu?)
Ich finde, wir handeln damit auch verantwortungsvoll, weil subsidiär Schutzberechtigte nun mal per se einen anderen, einen geringeren Schutzanspruch haben als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht die Caritas anders! – Rüdiger Veit [SPD]: Was wäre wohl, wenn die Libanesen das genauso sehen würden?)
Deswegen sind wir bei unserer Beurteilung Ihrer Vorlagen auch ganz klar.
Ich halte es im Übrigen für absolut unzutreffend, Frau Kollegin, wenn Sie sagen, dass es in Härtefällen nicht möglich sei, nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes nach Deutschland zu kommen.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe nur gesagt: Es ist niemand gekommen!)
Hierzu haben wir im Innenausschuss in dieser Woche – ich halte Ihnen zugute, dass Sie dort nicht vertreten sind – vom Auswärtigen Amt beispielhaft zwei Fälle geschildert bekommen, in denen nach § 22 die Möglichkeit eröffnet worden ist, hierherzukommen.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nicht richtig zugehört!)
In dem einen Fall war es eine syrische Familie mit vier Kindern, deren Mutter gestorben war, und die nach Deutschland kommen konnte. In dem anderen Fall war es der Nachzug einer Familie mit einem epileptischen Kind. Das waren zwei von mehreren Beispielsfällen.
Wir müssen schauen, dass wir an dieser Stelle Härtefälle abfedern. Das, was Sie wollen, nämlich zum jetzigen Zeitpunkt, vor März 2018, das für alle Flüchtlinge zu öffnen, ist für uns und für die Situation in Deutschland verantwortungslos. Und deswegen werden wir nicht zustimmen. Ich will es auch gleich schon einmal ankündigen: Wir werden uns sehr wohl überlegen müssen, wie wir ab März 2018 vorgehen,
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Wir verlängern die Aussetzung!)
weil ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht glaube, dass wir dann hinsichtlich der Aufnahmemöglichkeiten in unserem Land sagen können: So – von heute auf morgen funktioniert das mal so ganz einfach.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Das wird aber die nächste Koalition zu entscheiden haben. Das, was Sie wollen, ist nicht humanitär, hat mit Humanität nichts zu tun.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Sie würden die einzelnen Flüchtlinge nur noch länger auf die Bearbeitung ihres Antrags warten lassen, und das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kann ich in keinster Weise vertreten.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn die Kirche dazu? Die Kirche sieht das anders! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie mal mit dem Pfarrer vor Ort besprechen! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie mal beichten!)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächste spricht die Kollegin Ulla Jelpke von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7115319 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Familiennachzug für subsidiär Geschützte |