Rüdiger VeitSPD - Familiennachzug für subsidiär Geschützte
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine kurze Bemerkung zur Geschäftsordnung: Für mich ist es nicht zweifelsfrei, ob es zulässig ist, einen Oppositionsantrag ad infinitum zu schieben. Ich persönlich bin der Auffassung, dass man, wenn der Antragsteller das will, nach einer Höchstfrist von vielleicht sechs Monaten im Plenum über den Antrag befinden sollte. Vielleicht kann der nächste Deutsche Bundestag einmal über diese wünschenswerte Änderung der Geschäftsordnung nachdenken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lassen wir ja gerade vom Verfassungsgericht klären! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Stimmen wir doch ab!)
– Ja, wir können sehr gerne abstimmen. Ich habe schon einmal vergeblich versucht, Ihnen mein Abstimmungsverhalten zu erklären. Wie die Mehrheit der SPD-Fraktion nach einer sehr lebhaften Debatte über diese Frage abstimmen würde, davon habe ich auch eine Vorstellung. Unser Problem ist – jetzt bringe ich es einmal politisch auf den Punkt –, dass, wenn wir dem Antrag der Opposition zustimmen würden, Sie sagen könnten, möglicherweise sei die Koalition gebrochen, weil wir nicht koalitionstreu sind.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Nicht nur möglicherweise! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Dann sind Sie halt schon früher in der Opposition!)
Wissen Sie, was meine persönliche Meinung ist? Meine persönliche Meinung ist: Sie haben die Koalition bereits gebrochen, indem Sie den Anspruch auf Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung abgelehnt haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Ach!)
Jetzt zurück zu den syrischen Flüchtlingen. Die CDU/CSU hat ganz offensichtlich Angst vor ungefähr 50 000 Frauen und Kindern; das ist die Wahrheit. Dahinter verbirgt sich im Grunde das Motiv, mit dem Sie uns gegenübergetreten sind. Ich will einmal auf Folgendes hinweisen: Als wir darüber geredet haben, dass man die Aussetzung des Familiennachzuges rückgängig machen sollte, haben wir einerseits von Ihrem Minister gehört, er habe nicht geglaubt, dass es so viele werden würden, die subsidiären Schutz bekämen. Wenn das richtig wäre, wäre das ein typischer Wegfall der Geschäftsgrundlage, und man müsste neu verhandeln und das neu regeln. Andererseits haben einige Vertreter aus Ihren Reihen gesagt: Nein, wir sind sehr zufrieden damit, dass es so viele sind; das haben wir uns so gewünscht. – Frau Lindholz hat eben bekräftigt, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten, würden Sie versuchen, das Gesetz noch weiter zu verschärfen und den Familiennachzug zu subsidiär Geschützten auf Dauer auszuschließen.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Nicht verschärfen! Verlängern! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Die Rechtslage von vor 2015 fortschreiben!)
– Und warum haben Sie dann die Rechtslage sinnvollerweise im Lichte des europäischen Rechts und der Koalitionsvereinbarung und mit voller Überzeugung Ihres eigenen Innenministers so geändert? Das müssten Sie dann einmal der erstaunten Bevölkerung erklären.
Wenn ich dann noch höre, dass in Deutschland die Kapazitäten bei den Schulen – bei den Lehrern, bei den Räumlichkeiten –
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Besonders in Nordrhein-Westfalen!)
und bei den Wohnungen in den Städten nicht ausreichen, um bis zu 50 000 Kinder und Frauen hier bei uns aufzunehmen, dann möchte ich einmal wissen: Mit welchem Zynismus diskutieren Sie hier eigentlich?
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Libanon oder die Türkei könnten sagen: Wir haben zu wenig Leute, wir haben zu wenig Platz, wir haben zu wenig Arbeit, wir haben zu wenig Geld. Aber wo sollen die Flüchtlinge dann hin? Wenn unser Land die Aufnahme von Flüchtlingen gerade angesichts seiner demografischen Probleme nicht bewältigt, kann ich nur sagen: Ich bin abgestoßen von der Haltung, die hier offenbar wird.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Nach Ihrer Logik müssen wir die ganze Welt aufnehmen!)
Sie haben Angst vor bis zu 50 000 Frauen und Kindern.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sie wissen ganz genau, dass es deutlich mehr werden!)
Das müssen Sie der Bevölkerung und den Kirchen einmal erklären.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Uns können Sie es nicht erklären. Mir ist wichtig, der Opposition ganz klar und deutlich zu sagen: An uns liegt es nicht. Ich habe darauf hingewiesen: Entweder sind wir über den Tisch gezogen und getäuscht worden, –
Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit.
– oder aber die entsprechenden Kollegen haben selber geglaubt, dass es nicht so viele betreffen würde. Dann müssten Sie erst recht bereit sein, das gemeinsam mit uns wieder zu ändern.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7115323 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 237 |
Tagesordnungspunkt | Familiennachzug für subsidiär Geschützte |