01.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 237 / Tagesordnungspunkt 28

Fritz FelgentreuSPD - Bekämpfung von Kinderehen

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bisher war es so, dass in Deutschland Jugendliche mit 16 Jahren heiraten durften, wenn das Familiengericht dafür eine Ausnahmegenehmigung erteilte. Wir hätten diese veraltete Regel längst abschaffen sollen. Aber es gab dafür keinen politischen Druck;

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reagieren Sie nur auf Druck? Sie können auch auf Verstand reagieren!)

denn sie wurde im Jahr nur noch etwa 100-mal angewandt. Zum Vergleich, liebe Frau Künast: In der Türkei, die ein ähnliches Recht hat, heirateten nach offiziellen Angaben 2016 knapp 30 000 Jugendliche. Das sind 5 Prozent der standesamtlichen Trauungen.

Mit anderen Worten: Deutschland war dabei, auch die letzten Reste der Ehe von Minderjährigen schlicht durch gesellschaftlichen Fortschritt zu überwinden. Das ist natürlich der beste Weg.

(Beifall bei der SPD)

Aber er ist nicht unumkehrbar, und er ist nicht gegen Rückschläge gefeit. Wir wollen, dass nur erwachsene Menschen heiraten; denn wir sind überzeugt, dass Jugendliche die Jugendjahre brauchen, um sich zu freien, selbstbestimmten Menschen entwickeln zu können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber wir erleben auch, dass durch Einwanderung viele Bevölkerungsgruppen dazugekommen sind, die von anderen Werten geprägt sind. Wer die Familienehre und die Jungfräulichkeit der unverheirateten Mädchen für wichtiger hält als den Jugendschutz und die sexuelle Selbstbestimmung, für den ist eine möglichst frühe Ehe oft die beste Lösung. Deshalb gibt es heute wieder Nachbarschaften auch in unserem Land, auch in unserer Stadt hier in Berlin, in denen es schon für 14-jährige Mädchen nichts Ungewöhnliches ist, dass sie durch ein religiöses Ritual die Ehe eingehen. Mit dem Gesetz, das wir heute beschließen, schieben wir dieser Praxis einen Riegel vor.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir schützen also nicht nur die minderjährigen Einwanderer von heute, von denen bisher immer die Rede war, vor den Folgen einer zu frühen Verheiratung, wir stellen zugleich für alle Menschen in Deutschland unmissverständlich klar, dass nur erwachsene Menschen verheiratet sein können und dass eine Ehe von Kindern und Jugendlichen Unrecht ist. Dadurch schützen wir vor allem das Recht junger Mädchen und Frauen auf eine ungestörte Entwicklung. Einen Kulturrabatt auf den Jugendschutz und die Rechte von Mädchen und Frauen können und dürfen wir nicht gewähren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die bloße Gesetzgebung alleine noch nicht viel ändern. Der Anspruch, den das Gesetz formuliert, muss auch gelebt werden. Damit neue Bevölkerungsgruppen die Entwicklung der Gesamtgesellschaft nachvollziehen können, sind Aufklärung, Bildung und sozialer Aufstieg viel stärkere Triebkräfte als Reglementierung und Repression. Aber wo beides nötig ist, um Klarheit zu schaffen und Orientierung zu geben, darf die freiheitliche Demokratie nicht zögern, auch diese Instrumente zur Anwendung zu bringen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Michael Frieser ist der letzte Redner für die CDU/CSU-Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7115349
Wahlperiode 18
Sitzung 237
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von Kinderehen
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine