Alexander Dobrindt - Legislaturbericht Digitale Agenda 2014 bis 2017
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es so, dass die Substanzrevolution der Digitalisierung einen neuen Wettbewerb zwischen Unternehmen, einen neuen Wettbewerb zwischen Regionen der Welt und sogar einen neuen Wettbewerb zwischen den Staaten in der Welt begründet hat. Richtig ist auch der Grundsatz: Wer nicht komplett digitalisiert, verliert. – Deswegen haben wir uns die Digitale Agenda als Arbeitsprogramm gegeben. Wir haben in dieser Legislaturperiode enorm viel geschafft. Wir sind damit das digitale Leistungszentrum in Europa geworden. Wir wissen, dass wir mit diesem Arbeitsprogramm die Chancen auf höhere Wirtschaftskraft und gesteigerte Lebensqualität nutzen und uns weiterentwickeln können. Deshalb sind die Vorwürfe, die hier in Teilen formuliert werden, vollkommen absurd.
Lieber Herr Janecek, Ihr Hinweis, wir digitalisierten die Mobilität nicht, ist grundfalsch. Wir sind die Vorreiter im Bereich des automatisierten Fahrens. Wir entwickeln den ÖPNV digital weiter. Da Sie das bayerische Freyung als Beispiel genannt haben,
(Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unser Abgeordneter Thomas Gambke war das!)
sollte Ihnen bekannt sein, dass dort ein ÖPNV on demand entsteht, der weltweit einzigartig ist. In Bad Birnbach werden automatisierte Busse eingesetzt, die die Beförderung revolutionieren. Damit lassen sich gerade im ländlichen Raum neue Mobilitätskonzepte im digitalen Bereich anwenden.
Dass Sie hier solche Vorwürfe erheben, verwundert mich sehr. Noch vor einiger Zeit gehörte ein grundsätzliches Verbot des Glasfaserkabels zu Ihrem Programm.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Totaler Quatsch!)
Das ist Teil der Wahrheit. Das kann man in Ihren Wahlprogrammen nachlesen. In Ihrem aktuellen Wahlprogramm verlieren Sie kein einziges Wort über automatisiertes Fahren und Start-ups. Zum Breitbandausbau steht in Ihrem Wahlprogramm:
Der Ausbau von Leerrohren ... steht dabei im Vordergrund.
Das ist Ihre Digitalpolitik: „Ausbau von Leerrohren“. Wir bauen Glasfaser, Sie wollen Leerrohre. Das ist der Unterschied.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Minister, darf der Kollege Janecek dazu eine Zwischenfrage stellen oder eine Bemerkung machen?
Ja, gerne.
Da erwarte ich aber schon mehr Begeisterung bei Ihnen, Herr Dobrindt. Vielen Dank, dass Sie sie trotzdem zulassen. – Ich möchte einen Hinweis geben: Das Projekt in Freyung, das Sie angesprochen haben, ist von unserem Abgeordneten Thomas Gambke initiiert worden. Es ist schön, dass Sie bei der Präsentation waren. Dieses Projekt ist von den Grünen intensiv vorangetrieben worden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Da geht es darum, dass man geteilte Mobilität in einer ländlichen Region anbietet.
Welche gesetzgeberischen Projekte haben Sie denn vorangetrieben, beispielsweise im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes, um eine Mobilität des Teilens auf digitaler Basis überhaupt zu ermöglichen, sodass es Geschäftsmodelle geben kann, die an ÖPNV-Plattformen etc. andocken? Welche Projekte sind das konkret?
Herr Janecek, erst einmal: Ihr Widerspruch ist jetzt schon klar erkennbar. Vorhin haben Sie gesagt: Es gibt überhaupt nichts in diesem Bereich. Sie haben gar nichts gemacht. Es gibt nichts Neues. – Jetzt sage ich Ihnen: In Freyung gibt es das modernste ÖPNV-Projekt der Welt im digitalen Bereich. Der Bürgermeister von Freyung ist CSU-Mitglied. Er hat dieses Projekt zusammen mit dem Berliner Start-up Door2Door entwickelt.
Jetzt werden Sie sagen: Na ja, wahrscheinlich ist irgendwann auch einmal ein Grüner dafür gewesen. – Das ist nicht die Art der Politik, die man hier betreiben sollte. Wir müssen mit Schwung und Dynamik in diese neuen Technologien hineingehen, und wir dürfen nicht wie Sie erst abstreiten und dann sagen: So ein bisschen waren wir auch mit dabei.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Außerdem will ich Ihnen sagen: Wir haben mit unserem Carsharing-Gesetz – weil Sie über die Sharing- und Plattformtechnologie gesprochen haben – auch hier einen Meilenstein gesetzt. Sören Bartol war hier an vorderster Front. Er ist übrigens schon seit vielen Jahren dabei, dieses Thema zu bearbeiten. Ich habe für den Transfer in die digitale Welt gesorgt. Wir sind heute mit dem, was wir gesetzgeberisch gemacht haben, in der Lage, den Bereich der Carsharingmöglichkeiten deutlich zu erweitern. Da ist in der Tat ein Riesenmarkt. Wir haben an dieser Stelle zusätzlich alternative Antriebe gefördert. Das heißt, auch hier sind wir ganz vorne mit dabei.
Lieber Herr Janecek, es würde sich anbieten, dass Sie sich die Initiativen der Bundesregierung, die im Bereich Digitale Agenda in dieser Wahlperiode stattgefunden haben, noch einmal direkt vor Augen führen, bevor Sie hier eine weitere Rede zu diesem Thema halten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wäre sehr notwendig, ja!)
Dass die Digitalisierung eine technische Dynamik hat, die mit der üblichen Weiterentwicklung einer Technologie, wie wir sie kennen, nicht vergleichbar ist – deutlich dynamischer ist –, das ist richtig, und darauf müssen sich alle einstellen. Darauf muss sich auch die Politik einstellen, auch regulatorisch, auch gesetzgeberisch. Wir können mit unseren bewährten und gewohnten gesetzgeberischen Maßnahmen angesichts dieser neuen Dynamik oftmals nicht mithalten. Das heißt, auch wir werden uns daran gewöhnen müssen, deutlich schneller regulatorisch zu arbeiten, wenn wir die Chancen der Digitalisierung umsetzen wollen.
Dazu gehört auch, dass wir den Glasfaserausbau zusätzlich beschleunigen. Wir haben mit 4 Milliarden Euro in dieser Wahlperiode ein Glasfaserprogramm auf den Weg gebracht, das dazu führt, dass wir dieses Land mit über 200 000 Kilometer Glasfaser ausbauen. Aktuell ist dies bereits mit dem dritten Förderaufruf zugesagt. Der vierte Förderaufruf ist gerade in Vorbereitung. Dadurch wird eine weitere knappe Milliarde Euro an Fördermitteln in die Kommunen fließen.
Wir haben übrigens mit der Netzallianz Digitales Deutschland, in der alle innovations- und investitionswilligen Unternehmen gebündelt sind, eine Vereinbarung getroffen, dass aus der Wirtschaft heraus jedes Jahr 8 Milliarden Euro in den Glasfaserausbau, in das schnelle Breitbandnetz, investiert werden.
Hinzu kommt, dass wir nicht nur das kabelgebundene schnelle Netz brauchen, sondern wir brauchen auch 5G, also das schnellste Mobilfunknetz der Welt.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht aber nur mit Glasfaser!)
5G ist Echtzeitkommunikation. Wir sind das erste Land in Europa, das die nötigen Frequenzen dafür im nächsten Jahr ausschreiben wird und damit auch die Chance hat, bis zum Jahr 2025 einen flächendeckenden 5G-Echtzeit-Mobilfunknetzausbau zu erreichen. Um dies einmal in Zahlen zu sagen: Wir haben in dieser Wahlperiode die Zahl der Glasfaser- und Breitbandanschlüsse um 25 Prozent steigern können, sodass wir in Europa inzwischen die höchste Dynamik beim Glasfaserausbau und Breitbandausbau haben.
Das automatisierte Fahren wird das nächste zentrale Projekt bei der Digitalisierung sein. Ob wir mit der Automobilindustrie in Zukunft in der Welt wirtschaftlich erfolgreich sein können, hängt sehr stark davon ab, ob wir automatisiertes Fahren als Spitzentechnologie umsetzen können. Wir haben dazu eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel das „Digitale Testfeld Autobahn“ auf der A 9 in Bayern eingerichtet – ein Leuchtturmprojekt weltweit, die einzige Straße auf der Welt, die eine eigene Intelligenz hat, die eine eigene Sensorik hat, die Daten erfasst, sodass eine Kommunikation mit den Fahrzeugen möglich ist. Diese Strecke wird heute von internationalen Unternehmen, auch ausländischen internationalen Unternehmen, genutzt,
(Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wurde auch vorher schon genutzt!)
um die digitalen Techniken, um automatisiertes Fahren weiterzuentwickeln, einzelne Produkte zu testen – und das im Realverkehr, nicht auf irgendeinem Testfeld im abgeschlossenen Raum. Der Test findet im Realverkehr statt und bietet deswegen optimale Möglichkeiten, diese Technologien weiterzuentwickeln.
Wir haben es als erstes Land der Welt geschafft – das meine ich mit „Wir müssen diesen Maßnahmen auch regulatorisch folgen“ –, ein Gesetz zum automatisierten Fahren zu verabschieden. Wir sind die Ersten, die es geschafft haben, dass der Computer als Fahrer dem Menschen als Fahrer rechtlich gleichgestellt wird. Damit haben wir einen Meilenstein gesetzt, der zurzeit auf der ganzen Welt beobachtet wird und für den es viele Nachahmer geben wird. Man wird diese regulatorischen Maßnahmen, diese gesetzgeberischen Maßnahmen genau so umsetzen, wie wir es getan haben.
Die zentrale Frage ist: Wie geht es mit diesen Thematiken weiter? Wie entwickelt man jetzt eine Agenda 2017 plus? Dabei ist die Frage im Raum: Wie organisiert man hier die Zuständigkeiten in der Regierung, wenn es darum geht, schneller zu werden? Ich betone ausdrücklich, dass wir mit dem Innenminister und mit der Wirtschaftsministerin exzellent zusammengearbeitet haben. Es war ein gutes und sehr ergebnisreiches Zusammenwirken an dieser Stelle; das muss man sagen.
Aber die Tatsache, dass Digitalisierung ein ressortübergreifendes Thema ist, darf uns nicht davon abhalten, die Kompetenzen zu bündeln. In den 80er-Jahren hat es die Diskussion gegeben, ob man ein Umweltministerium einrichtet. Einige haben gesagt: Das ist ressortübergreifend. Jeder muss sich um Umwelt kümmern. Deswegen braucht man kein eigenes Ministerium. – Meine Damen und Herren, man hat sich damals aber richtig entschieden und hat die Kompetenzen für Umwelt in einem Ministerium gebündelt. Deswegen kann ich an der Stelle nur sagen: Es ist auch richtig, die Kompetenzen für Digitalisierung zukünftig in einem Ministerium zu bündeln.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Tabea Rößner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt gibt es wieder Schwung! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt kommt Schwung in die Bude!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7115389 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 238 |
Tagesordnungspunkt | Legislaturbericht Digitale Agenda 2014 bis 2017 |