Daniela KolbeSPD - Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht
Liebe Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Gestern hat dieses Hohe Haus mit einer Zweidrittelmehrheit das Grundgesetz an verschiedenen Stellen geändert. Es gibt auch in der Bevölkerung eine satte Zweidrittelmehrheit. Die betrifft allerdings eine ganz andere Frage, nämlich die Frage, ob die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland zu weit aufgegangen ist. 71 Prozent in Westdeutschland und sogar 77 Prozent in Ostdeutschland haben genau das Gefühl: Die Schere ist zu weit aufgegangen.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Gefühle ersetzen aber keine Fakten!)
Dahinter steckt ein massives Ungerechtigkeitsgefühl: Man hat das Gefühl, dass es in Deutschland nicht mehr um Leistung geht, dass es denjenigen gibt, der Millionenboni erhält, egal welche Leistungen er erbracht hat, und es diejenige gibt, die den ganzen Tag an der Kasse steht und Regale einräumt, am Ende des Monats aber trotzdem immer wieder im Dispo ist.
Es gibt Kinder, die – es sei ihnen gegönnt – sprichwörtlich mit dem goldenen Löffel im Mund geboren werden, die eine Nanny haben, Geigenunterricht bekommen und eine Bibliothek im eigenen Haus haben, und es gibt die Kinder, die in problematischen Stadtvierteln, in denen noch mehr arme Kinder leben, geboren werden, die womöglich ohne Frühstück in die Schule geschickt werden.
(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aber ihr stellt doch die Ministerin!)
Auch die Weltbank, die OECD und andere Organisationen schreiben es Deutschland ins Stammbuch: Die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen in Deutschland ist so frappierend, dass das nicht nur ein soziales Problem, sondern auch ein ökonomisches Problem ist. Deutschland verspielt durch diese ungleiche Verteilung Wirtschaftschancen. Ergo reden wir hier nicht nur über ein Gefühl der Bevölkerung, sondern über die Realität. Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland ist zu weit aufgegangen.
(Beifall bei der SPD)
Das heißt auch: Es ist viel zu tun. Gute Politik beginnt beim Realisieren und Annehmen der Wahrheit.
Zum Armuts- und Reichtumsbericht gab es Studien. Aus einer wurde in dem von Frau Nahles ursprünglich vorgelegten Entwurf wie folgt zitiert:
Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikveränderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikveränderung von einer großen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird.
Liebe CDUler und CSUler, wenn Sie sich über das Gefühl vieler Menschen wundern, die das Gefühl haben, sie könnten nichts bewegen – das schlägt einem manchmal auch als Aggression entgegen –, möchte ich Ihnen eine kleine Leseempfehlung geben. Sie bezieht sich auf die Studie von Armin Schäfer. Ich bitte darum, die Hauptaussagen solcher Studien in Zukunft nicht im Bericht zu löschen. Die komplette Studie – da ist der Ministerin zu danken, die hier einen sehr transparenten Prozess durchgeführt hat – findet man im Internet unter www.armuts-und-reichtumsbericht.de . Unter „Service“ und „Studien“ ist es der oberste Eintrag. Ich empfehle Ihnen, es zu lesen. Ich empfehle dem gesamten Haus, sich diese Studie anzusehen; denn in dieser Studie versteckt ist auch ein Hinweis darauf, warum die Verteilung so weit auseinandergegangen ist. Das ist so, weil in der Vergangenheit eben auch in den Bereichen Arbeitsmarkt und Finanzpolitik tendenziell eine Politik gemacht worden ist, die den höheren Einkommen zupasskam. Die Bezieher solcher Einkommen haben diese Politik befürwortet. Damit ist die ungleiche Verteilung in Deutschland durchaus weiter vorangetrieben worden. Mich hat das nachdenklich gemacht. Es sollte uns alle nachdenklich machen.
(Beifall bei der SPD)
Aber wir haben viel vor. Wir werden über Steuern sprechen müssen. Das werden wir intensiv im Wahlkampf tun. Deswegen werde ich dazu jetzt nichts weiter ausführen. Im Armuts- und Reichtumsbericht ist aber auch Ermutigendes zu sehen. Die Kinderarmut ist dort geringer, wo die Eltern arbeiten gehen. Und wir haben sehr viel dafür getan, dass Eltern in gute Arbeit kommen. Wir haben den Mindestlohn eingeführt und die Tarifbindung gestärkt. Wir haben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorangebracht. Auch ist nicht alles so schwarz, wie es die Linke gerne malt, wenn es um den Arbeitsmarkt geht.
(Beifall bei der SPD)
Es bleibt aber noch viel zu tun. Ich nenne die Stichworte „Leiharbeit“ und „Langzeiterwerbslose“. Auch da werden wir – das werden wir im Wahlkampf ansprechen – in einer künftigen Regierung für mehr Gerechtigkeit sorgen.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Noch mehr?)
Vielen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Jetzt hat der eben schon angekündigte Professor Dr. Matthias Zimmer das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7115616 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 238 |
Tagesordnungspunkt | Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht |