02.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 238 / Tagesordnungspunkt 42 + ZP 9

Ulrike BahrSPD - Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Kinderarmut ist ein Thema, das niemanden von uns kaltlässt. Arme Kinder sind Kinder mit reduzierten Chancen; denn zur materiellen Armut kommen in vielen Fällen Bildungsferne und leider oft auch gesundheitliche Probleme. Da ist die Politik gefragt. Da müssen wir handeln; keine Frage. Darum bin ich froh, dass die Kollegen und Kolleginnen von der Linken mit ihren Anträgen die Kinder stärker in den Fokus rücken.

Aber wo ist der Hebel, um armen Kindern die besten Chancen zu eröffnen? Mehr Geld ist immer gut; aber jeder Euro an direkten Transferzahlungen kostet große Summen und entfaltet erst einmal begrenzte Wirkung. Eine massive Entlastung für die von Armut besonders bedrohte Gruppe der Alleinerziehenden haben wir übrigens gerade mit der Ausweitung beim Unterhaltsvorschuss beschlossen. Ich meine, eine hervorragende Prävention gegen Armut für Kinder und Eltern sind beitragsfreie Kitas. Es ist nicht einzusehen, dass alle Bildungseinrichtungen bis hin zur Hochschule gebührenfrei sind, nur die wichtigste Grundbildung und Erziehung nicht.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich können Eltern im Hartz-IV-Bezug von Gebühren freigestellt werden; aber auch Kinder von Eltern mit niedrigem und mittlerem Einkommen würden enorm profitieren. Von den Eltern mit hohem Einkommen holt man sich das Geld noch besser über Steuern wieder zurück.

(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])

Statt über Steuersenkungen zu diskutieren, sollten wir mit diesen Steuereinnahmen gute Kitas und natürlich auch gute Schulen stärken.

(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])

Wichtig ist vor allem, dass Kinder ohne langwierige Anträge und bürokratische Hürden eine Kita besuchen können. Genau das ist es, was arme Familien davon abhält, ihre Kinder dort anzumelden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gemischte Kitas mit einem guten Bildungsangebot für Kinder aus allen sozialen Schichten leisten einen nachhaltigen Beitrag für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt und sind ein Schlüssel zur Teilhabe für alle Kinder. Gleichzeitig erhalten die Eltern damit die nötigen zeitlichen Freiräume, um sich Arbeit zu suchen, sich weiterzubilden, um sich Beratung und Unterstützung zu holen.

Mit dieser Aufgabe darf der Bund die Länder und Kommunen natürlich nicht alleinlassen. Mit dem Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ haben wir im Bund schon viel bewegt, um die Investitionen in neue Kitaplätze zu stemmen. Mit einem Kitaqualitätsgesetz bekäme der Bund auch die Möglichkeit, inhaltliche Arbeit mitzufinanzieren. Das geschieht bereits erfolgreich in Modellprojekten wie dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas“.

Armut hat noch weitere – oft gut versteckte – Gesichter. Arm sind auch die Kinder von Inhaftierten und vielfach auch die Kinder mit psychisch kranken Eltern, die über ihre Probleme oft gar nicht sprechen können – aus Scham, aus Angst vor weiterer Ausgrenzung. Dazu kommen oft auch noch finanzielle Probleme und Eltern, die staatlichen Hilfsangeboten vielleicht mit Misstrauen begegnen. Ich bin froh, dass wir in dieser Wahlperiode wenigstens noch erste Schritte unternehmen können, um für diese Kinder systematisch Hilfsangebote zu entwickeln. Einen interfraktionellen Antrag zu Hilfen für Kinder von psychisch Kranken werden wir in der nächsten Sitzungswoche beschließen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Danke sehr.

Armut ist immer auch im Kontext von Wohnquartieren, ländlichen wie städtischen Räumen zu sehen. Darum ist es wichtig und richtig, wenn wir in der Kinder- und Jugendhilfe sozialräumliche Angebote ausbauen, wenn wir niedrigschwellige Beratung und auch ombudsschaftliche Vertretung stärken. Die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch; denn Hilfe zur Selbstermächtigung – Empow­erment – ist der beste langfristige Weg hinaus aus der Armut und weg aus der Abhängigkeit von staatlichen Transferzahlungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU])

Nicht zuletzt sollten wir endlich Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich bedauere sehr, dass sich die Große Koalition dazu in dieser Wahlperiode nicht hat aufschwingen können. Natürlich sind Kinder Menschen und stehen schon jetzt unter dem Schutz des Grundgesetzes. Ja, Deutschland hat auch die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen unterschrieben. Darin verpflichten sich alle Unterzeichner auf klar definierte Kinderrechte. Dennoch: Ein Bekenntnis in der Verfassung zum besonderen Schutz für Kinder, zu ihrem Recht auf Beteiligung, zur Chancengerechtigkeit und zur Verpflichtung des Staats auf das Kindeswohl würde zumindest mittelfristig Wirkung entfalten; davon bin ich überzeugt.

Auch an dem simplen Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ arbeiten wir uns noch immer ab; aber wir nähern uns der Gleichstellung immer mehr an. Diese Sogwirkung wünsche ich mir auch für die Kinderrechte und den Kampf gegen Kinderarmut.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU])

Vielen Dank. – Jetzt hat Eckhard Pols, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7115621
Wahlperiode 18
Sitzung 238
Tagesordnungspunkt Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht
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