Barbara WoltmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Korte
(Jan Korte [DIE LINKE]: Frau Woltmann!)
– ja –, um es einmal ganz klar zu sagen: Ihr Auftritt eben wird diesem Thema gar nicht gerecht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Finden Sie? Wir haben es überhaupt erst auf die Tagesordnung gesetzt!)
Zu sagen, uns sei nicht wichtig, dass jedes Kind schwimmen lernt, ist abstrus.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Die Zahlen sind eindeutig!)
Mit den ganzen Thesen, die Sie hier vorgetragen haben, werden Sie diesem Thema absolut nicht gerecht, ganz im Gegenteil. Ich finde, die DLRG hat eine gute Studie durchgeführt,
(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja!)
und natürlich ist dieses Thema wichtig. Dass es in den Bundestag gehört, wage ich aber zu bezweifeln.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Ach so?)
Das ist zuerst ein Thema der Kommunen, deshalb müssen wir uns darüber unterhalten, wie die Kommunen ausgestattet sind. Daneben müssen wir uns auch über die Bundesländer unterhalten und uns fragen, ob die Bundesländer ihre Kommunen auch ausreichend mit Finanzmitteln ausstatten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir können ruhig einmal die Bundesländer miteinander vergleichen. Dann werden wir sehen, wer am meisten für die Kommunen tut.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Da gibt es große Unterschiede!)
Ich glaube, einige Bundesländer kommen dabei nicht so gut weg. Das können wir ruhig noch einmal vertiefen.
Ich glaube, es hat bisher kaum eine Bundesregierung gegeben – ich komme gleich noch einmal darauf zurück –, die so viele Milliarden an die Kommunen weitergegeben hat wie die jetzige. Die Länder geben aber leider nicht alles weiter; das müssen wir auch einmal dazusagen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Um das hier wirklich einmal ausdrücklich zu sagen: Das Thema ist außerordentlich wichtig und muss auch diskutiert werden. Ob hier heute nach der Debatte über den Antisemitismusbericht der richtige Ort und die richtige Zeit ist, wage ich aber doch einmal zu bezweifeln.
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Jan Korte [DIE LINKE]: Was ist das denn? – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist doch Zufall!)
Ich komme jetzt zu den Einzelheiten. „ Schwimmunterricht geht baden“: So lautet heute eine Überschrift in meiner Tageszeitung zu Hause. In dem Artikel wird über eine Grundschule in einer Gemeinde in meinem Wahlkreis berichtet. Dort gibt es kein Hallenbad, sondern nur ein Freibad, und auch die Nachbargemeinden können nicht genügend Schwimmzeiten zur Verfügung stellen.
In dem Artikel heißt es, dass im Sommer nicht immer in dem Freibad geschwommen werden kann. Es sei zu kalt für die Kinder, weil die Außentemperatur nicht reichen würde. Man muss sich also auch noch einmal Gedanken darüber machen, ob ein Grund für die aktuelle Situation die Tatsache ist, dass bei uns nicht immer eine Außentemperatur von 25 Grad herrscht. Das muss man hier also auch noch einmal debattieren.
Die Zahlen aus dem Bericht der DLRG – er liegt auch bei mir auf dem Platz, und ich habe ihn mir angeschaut – sind von Herrn Korte richtig wiedergegeben worden. Sie sind erschreckend. Es gab im letzten Jahr 537 Todesfälle durch Ertrinken. Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren. Deswegen ist es auch so wichtig, dass alle schwimmen lernen. Am besten fängt man damit natürlich im Kindesalter an, und es ist außerordentlich wichtig, dass für Schwimmunterricht, insbesondere an Grundschulen gesorgt ist.
Vor kurzem ist ein 15‑jähriges Mädchen ertrunken, weil es gemeinsam mit Freundinnen ins Wasser gesprungen ist. Es hatte sich nicht getraut, zu sagen, dass es nicht schwimmen kann. Das gilt also als Makel, und auch das darf nicht sein. Die Scham, zuzugeben, Nichtschwimmer zu sein, ist sehr groß.
Über 10 Prozent der Deutschen stufen sich selber als schlechte Schwimmer sein. Hier muss also noch sehr viel mehr getan werden.
Ich will auch noch einmal zu der kommunalen Ebene kommen; denn viele Gemeinden haben durchaus ein großes strukturelles Problem und müssen natürlich mit entsprechenden Finanzmitteln ausgestattet werden. Aber wie gesagt: Das müssen in erster Linie die Länder machen.
Ich glaube, dass wir mit der in der letzten Sitzungswoche beschlossenen Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sehr viel mehr für die Kommunen über die Länder tun können. Wir haben zum Beispiel das Kooperationsverbot gelockert, sodass jetzt auch die Schulen – dazu gehören oft ja auch Schulschwimmbäder – saniert werden können.
Nicht alle Kommunen können das von sich aus leisten. Die Situation ist in den einzelnen Regionen in Deutschland sehr unterschiedlich. Teilweise haben die Kommunen große Schwierigkeiten. Deshalb müssen wir dort sehr viel mehr tun; das wurde bereits angesprochen. Es stellt sich aber immer die Frage: Wer muss da etwas tun?
Diese Aufgabe gehört zu den freiwilligen Aufgaben der Gemeinden. Das ist also eine freiwillige Leistung im eigenen Wirkungskreis.
Den Kommunen wird oft gesagt, dass sie die freiwilligen Leistungen einschränken müssen. Das ist natürlich schwierig, wenn es um solche Aufgaben geht. Ich halte es für den falschen Weg, wenn Kommunen ihre Schwimmbäder schließen, weil sie sie nicht mehr finanzieren können. Ich denke, das Schwimmenlernen ist eine wichtige Aufgabe – auch für die Volksgesundheit –, damit man in Zukunft nicht mehr eine solch hohe Anzahl von Todesfällen zu beklagen hat.
Das alles ist sehr teuer. Ich habe in meiner Gemeinde nachgefragt. Die Betriebskosten für das Frei- und das Hallenbad betragen rund eine halbe Million Euro im Jahr. Das kann natürlich in keiner Weise durch Eintrittsgelder aufgefangen werden. Der Gemeinderat muss immer bereit sein, die notwendigen Gelder zur Verfügung zu stellen. Darüber werden immer schwierige Debatten geführt. Natürlich ist auch die Privatisierung keine Lösung. Wie soll denn ein Privater, wenn schon die Kommunen ein Schwimmbad nicht finanzieren können, das machen? Es gibt eine Handvoll Bäder in Deutschland, die in den schwarzen Zahlen sind. Das sind sehr wenige.
Da ist also sehr viel zu tun. Ich möchte an alle appellieren, die Bäder zu erhalten, damit vor allen Dingen die Kinder das Schwimmen lernen können.
Frau Kollegin.
Ich komme zum Schluss. Ich werde jetzt den letzten Satz oder die letzten zwei Sätze sagen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin, ich möchte aber auch an die Eltern appellieren: Es ist nicht nur die öffentliche Hand, die handeln muss. Auch die Eltern sind gefordert, ihren Kindern das Schwimmen beizubringen, wenn die Schule das vielleicht nicht ausreichend machen kann.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das gilt für alle Menschen bei uns, auch für die mit Migrationshintergrund. Es kann nicht angehen, dass Mädchen, deren Familien aus anderen Kulturkreisen kommen, nicht zum Schwimmunterricht gehen können. Das darf nicht sein. Alle müssen schwimmen lernen: auch die Menschen aus anderen Kulturkreisen und vor allen Dingen die Mädchen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Özcan Mutlu für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7121847 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 239 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen |