Mahmut ÖzdemirSPD - Aktuelle Stunde zu Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Fraktion Die Linke durchaus dankbar, dass wir angesichts sommerlicher Temperaturen über das Thema „Schwimmbäder und Schwimmenlernen“ debattieren. Diese Debatte und unsere darauffolgenden gemeinsamen Bemühungen können nämlich dazu führen, dass wir in der nächsten Jahresbilanz der DLRG deutlich weniger als die uns bekannten 537 ertrunkenen Menschen zu beklagen haben.
Der Gang zum städtischen Hallenbad, Freibad oder zum Badesee ist schon lange nicht mehr die Regel, teilweise schlicht deshalb, weil die Einrichtungen wegen Schließung oder Baufälligkeit nicht mehr zur Verfügung stehen, aber auch weil der sichere Aufenthalt im Wasser weder gelehrt worden ist noch erlernt werden konnte. Das mag viele Ursachen haben. Vielleicht liegt es daran, dass die Familie den Schwimmkurs im Verein nicht aus eigenen Mitteln schultern kann, sicherlich aber, weil ein Viertel unserer Grundschulen in Deutschland eben keinen Zugang mehr zu einem Schwimmbad in der Nähe hat.
Jetzt mag man lange über Zuständigkeiten – Bund, Länder, Kommunen – oder über Verbotsschilder an Baggerseen diskutieren, Fakt ist: Wir können handeln, und wir haben auch gehandelt.
Ich kann mich daran erinnern, dass in meiner Heimatstadt bis vor kurzem regelmäßig sogenannte Tränenlisten im Umlauf waren. Das ist eine bildliche Umschreibung für städtischen Luxus, den man nicht braucht. Hier mache ich besser die Ironie vorher kenntlich. Fast alle städtischen Badegesellschaften und Badeanstalten waren nämlich Stammgäste auf dieser Liste. Erst als in meiner Heimatstadt, im Landtag in Nordrhein-Westfalen und im Bundestag die Sozialdemokratie Verantwortung übernahm, verschwanden diese Punkte von der Tränenliste in Duisburg und in der Bundesrepublik.
(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja peinlich! Wahlkampfpropaganda!)
Daher möchte ich Ihnen darlegen, warum ich meine, dass wir den richtigen Weg gegangen sind, und Sie herzlich einladen, diesen Weg auch fortzusetzen.
Der Begriff „kommunale Entlastungen“ ist in dieser Wahlperiode zu oft gefallen. Das Wesen dieses Begriffes müssen wir allerdings zu dauerhafter und planbarer finanzieller Unterstützung unserer Kommunen weiterentwickeln. Wir müssen den Kommunen den notwendigen Spielraum eröffnen, damit sie sich um Bildung, Kultur und Sport kümmern können. Mit schrittweisen Entlastungen bei Sozialausgaben haben wir dauerhafte Entlastungen von 5 Milliarden Euro bis und ab 2018 bereits erreicht.
Wir haben ein Investitionsprogramm für die Kommunen aufgelegt, die durch Bundesgesetze fast in den Ruin getrieben worden sind. Diese Kommunen konnten wegen fehlender Eigenmittel nicht einmal mehr an Bundesförderprogrammen teilnehmen. Die Bauministerin hat es mit der Städtebauförderung und der energetischen Sanierung besser gemacht; ich frage mich, wo der Kollege Mutlu eigentlich gewesen sein mag.
Bäder werden nämlich auch aus diesen Mitteln auf den Stand der Technik gebracht und so energetisch saniert, dass die Betriebskosten zukünftig gesenkt werden, was den städtischen Haushalt entlastet. Das Schulsanierungsprogramm des Bundes nimmt im Übrigen den Druck von den städtischen Haushalten, sodass auch Geld für den Schulbus da ist, damit der unsere Kleinsten zum Schwimmbad, ob nah, ob fern, fahren kann.
Aber neben den Kommunen stellen sich auch die Vereine aus dem Schwimmsport mit ihren Ehrenamtlichen ihrer Verantwortung und betreiben mit nicht unerheblichen städtischen Betriebskostenzuschüssen diese Einrichtungen. Nur so wird neben dem Schwimmenlernen auch der wichtige Bereich von gesundheitsfördernden Kursen für unsere Seniorinnen und Senioren abgedeckt. Diese Maßnahmen wirken.
Der Investitionsstau in den Städten und Gemeinden sank in dem Jahr von 2016 auf 2017 um 10 Milliarden Euro. Oder so formuliert, dass man es auch auf der Straße versteht: Durch die Übernahme von Kosten durch den Bund sollen die Kommunen das freiwerdende Geld unter anderem in den schulischen Schwimmunterricht investieren. Sie sollen die Badelandschaft so ansprechend gestalten, dass die Freibadgrünfläche, der Eiswagen und die Pommesbude die Jugendlichen von Seen abhalten, in denen Baden verboten ist. Sie sollen mit Vereinen spezielle Angebote, Zeiten und Tarife für Familien und Senioren machen.
Das Schwimmbad ist keine Liebhaberei, weil es Verluste einfährt und sich durch Einnahmeentgelte nicht rechnet. Es ist aus meiner persönlichen Sicht eine kommunale Pflichtaufgabe, die wir steuerlich als Zuschussbetrieb über das Körperschaftsteuergesetz privilegieren, um allen Bürgerinnen und Bürgern Schwimmerlebnisse zu ermöglichen und, ja, Herr Kollege Korte, vielleicht denjenigen am meisten, die es sich eben nicht leisten können, in ein privates Spaßbad mit allen Schikanen zu gehen.
Die SPD-Bundestagsfraktion steht für eine Bundespolitik, die in die Kommunen investiert und sie nicht zu Sparschweinen der Länder oder des Bundes herabwürdigt. Letzteres ist eher das Modell schwarz-gelb, und damit ist nicht der BVB gemeint.
(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche all denjenigen, die gerade die Sonne in einem Freibad genießen können, alles Gute. In diesem Sinne ein herzliches Glückauf!
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Gut begonnen und schlecht aufgehört!)
Der Kollege Dr. Frank Steffel hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7121852 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 239 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen |