Eckhard PolsCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer auf den Rängen da oben! Wir sind uns alle einig, dass jedes Kind schwimmen können muss. Deswegen hat uns alle die Forsa-Umfrage erschrocken, die ergeben hat, dass 60 Prozent aller Zehnjährigen nicht sicher schwimmen können und dass nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen – ob nun Bronze, Silber oder Gold – haben; das muss uns zu denken geben.
Es muss die Frage erlaubt sein, warum so wenige Kinder in Deutschland noch schwimmen können. Zweifelsohne gibt es verschiedene Gründe, warum heute immer weniger Kinder schwimmen lernen. Das liegt unter anderem am veränderten Freizeitverhalten der Kinder und Jugendlichen, die ihre Freizeit vermehrt mit elektronischen Medien verbringen, so wie Sie gerade, Herr Mutlu.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich notiere mir gerade Ihren coolen Spruch!)
Das hat natürlich Auswirkungen auf die motorischen Fähigkeiten und somit auch auf die Fertigkeit des Schwimmens. Vielleicht sind jenseits des Bildschirms Klettern und Spielen, meine Damen und Herren, aus der Mode gekommen.
Hierbei immer gleich nach Maßnahmen des Staates zu rufen,
(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, genau!)
Herr Korte, ist nicht richtig; denn ich sehe hier in erster Linie eine Pflicht der Eltern, dafür zu sorgen,
(Jan Korte [DIE LINKE]: Sollen die ein Schwimmbad bauen, oder was?)
dass sich ihre Kinder körperlich betätigen – ob es nun beim Hockey ist, wie der Kollege Steffel gesagt hat, beim Tanzen, beim Fußball oder eben beim Schwimmen bzw. beim Schwimmenlernen.
Ich weiß es selber – Herr Korte, ich habe fünf Kinder –: Es ist zeitraubend, den Kindern das Schwimmen beizubringen, gerade wenn beide Elternteile berufstätig sind, so wie es bei uns der Fall war und immer noch ist. Dennoch haben all unsere Kinder vor dem Besuch der Grundschule schwimmen gelernt. Das ist bei uns in Deutschland alles möglich. Es kann auch keine Entschuldigung dafür geben, Kinder nicht zum Schwimmunterricht zu bringen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist auch finanziell machbar; denn bei Sportvereinen und bei der DLRG ist die Schwimmausbildung nicht nur exzellent, sondern in der Regel auch bezahlbar.
Mein Appell gerade jetzt zur Sommerzeit, zur Ferienzeit: Liebe Eltern, melden Sie Ihre Kinder beim Schwimmunterricht an! Gerade in der Urlaubszeit können Sie Ihren Kindern an Ihren Urlaubsorten – hoffentlich in Deutschland und nicht auf Mallorca, Herr Korte – das Schwimmen beibringen.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Kennen Sie die Wartezeiten? Die Wartezeiten bei Schwimmkursen? – Ute Vogt [SPD]: Da gibt es Wartelisten ohne Ende!)
Auch Bezieher von Leistungen nach SGB II können bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes Vereinsbeiträge in Höhe von 10 Euro pro Monat zurückbekommen, wenn sie es beantragen. Das gewährleistet das Bildungs- und Teilhabepaket, das wir vor einiger Zeit verabschiedet haben.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt, warum so viele Kinder nicht schwimmen können, muss hier diskutiert werden: die Schließung und die vereinzelt vorkommende Privatisierung von Bädern. Es ist richtig: Für Schwimmkurse sind normale Schwimmbecken nötig. Davon gibt es immer weniger in Deutschland. Die Privatisierung von Schwimmbädern ist in diesem Kontext nicht immer förderlich – eher im Gegenteil, da gebe ich Ihnen recht. Da gehen das Interesse der Kunden und die Funktionalität vor, und es werden vermehrt Spaßbäder eröffnet.
In den Städten gibt es das Problem übrigens seltener. Es sind vor allem die ländlichen und strukturschwachen Regionen, in denen die Versorgung mit Schwimmbädern eine besondere Herausforderung darstellt. Das ist meines Erachtens auch logisch; denn in der ländlichen Region sind die Wege weiter als in der Stadt. Je weiter Eltern und Kinder von einem Schwimmbad entfernt leben, desto unattraktiver ist ein Besuch. Das führt zu entsprechend defizitären Betriebsergebnissen der Schwimmbäder.
Aus diesem Grund schrecken viele ohnehin klamme Kommunen vor dem Bau von Schwimmbädern zurück, und immer mehr Schwimmbäder werden geschlossen. Heute stand in der Lokalzeitung des Wendlandes – die Kollegin Woltmann hat es in ihrer Zeitung auch gelesen – ein Artikel, dass Schüler für den Erhalt ihres Bades schon demonstrieren. Die Verantwortung dafür tragen aber weder die Kommunen noch die Eltern und schon gar nicht die Kinder. Stattdessen, Herr Korte, liegt sie bei den Ländern. Die Kommunen sind Gliederungen der Länder, und die Länder haben folglich für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen zu sorgen. So sieht es unsere Verfassung vor.
Zudem müssen die Grundschulen – das haben wir heute auch schon gehört – ihren gesetzlich vorgeschriebenen Erziehungsauftrag erfüllen und wieder häufiger Schwimmunterricht erteilen. Auch das liegt in der Zuständigkeit der Länder.
Wir als Bund haben uns nicht aus der Verantwortung gestohlen. Gerade die unionsgeführten Bundesregierungen haben in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Programmen sehr deutlich gezeigt, dass es auch geht. So hat der Bund unter anderem in dieser Legislaturperiode ein kommunales Investitionsprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro vor allem für Sportstätten und Schwimmbäder aufgelegt. Dass das klappt, zeigt ein Beispiel meiner Heimatstadt Lüneburg, wo wir gemeinsam mit einem Sportverein ein neues Lehrschwimmbecken errichtet haben; für den Schwimmunterricht, aber auch für Gymnastik. Man kann also vieles miteinander kombinieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auch das ist möglich. Es gibt auch positive Beispiele.
Ein jüngstes Beispiel dafür, was die unionsgeführte Bundesregierung auch tut, ist die Aufstockung des Kommunalinvestitionsförderungsfonds um weitere 3,5 Milliarden Euro für finanzschwache Kommunen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu wenig!)
Ich will zum Schluss noch einmal deutlich machen, dass alle Kinder schwimmen lernen müssen. Da gibt es keine Ausnahme. Aber, wie gesagt, es sind vor allem die Länder, die die Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen. Deswegen finde ich, Herr Korte, diese Aktuelle Stunde heute nicht angemessen. Sorgen Sie in Ihren Ländern dafür, dass das Geld, das wir vom Bund zur Verfügung stellen, da ankommt, wofür wir es vorgesehen haben. Die Länder müssen endlich mal ihre klebrigen Finger davon lassen und sollten das Geld nicht für andere Sachen ausgeben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Mahmut Özdemir [Duisburg] [SPD]: Werden wir in NRW demnächst auch anwenden!)
Vielen Dank, Herr Kollege Pols. – Als Nächste spricht die Kollegin Jeannine Pflugradt für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7121871 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 239 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen |