21.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 239 / Zusatzpunkt 2

Jeannine PflugradtSPD - Aktuelle Stunde zu Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Frau Haßelmann, als Erstes möchte ich Ihnen Dank sagen für Ihren Redebeitrag. Ich habe zwischendurch schon gedacht: Ich bin im Kindergarten oder in der falschen Debatte. Zwischendurch war das nicht mehr feierlich. Es ist ein wichtiges Thema, und es ist auch gut, dass wir darüber sprechen – außer Frage.

Schulschwimmen ist leider Luxus geworden. In den Lehrplänen vieler Schulen taucht Schwimmunterricht nur noch sporadisch auf. Gleichzeitig und konsequenterweise können immer weniger Grundschüler schwimmen. Nur jeder zweite Schüler verlässt die Grundschule mit dem Jugendschwimmabzeichen in Bronze. Dieser Befund zeigt, wie wichtig das Schulschwimmen ist oder wäre, wenn es überall stattfinden würde. Die Grundschulen haben den Auftrag, Schülern das Schwimmen beizubringen. Das aber umzusetzen, ist schwieriger geworden, weil viele Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren öffentliche Bäder geschlossen haben.

Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen und der Bergischen Universität Wuppertal ist mehr als die Hälfte der 5 300 deutschen Hallen- und Freibäder sanierungsbedürftig. Das haben wir heute alles schon gehört. Um sie vor der Schließung zu bewahren, seien Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro notwendig. Mit dem Programm zur energetischen Gebäudesanierung können Schwimmhallenbetreiber die zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um die Anlagen zu modernisieren und somit Betriebskosten zu senken. Hier kann der Bund besonders finanzschwache Kommunen dabei unterstützen, die notwendigen Maßnahmen für Sanierungen durchzuführen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also doch!)

Ein Schwimmbad zu bauen, ist relativ schnell und einfach organisiert. Doch die Probleme fangen an, wenn die Fertigstellung erfolgt ist: Wer übernimmt das Risiko der Betreibung? Wer trägt die Betriebskosten? Das lässt viele Kommunen zurückschrecken, und darum gibt es auch viele private Betreiber. Nicht immer werden Schwimmbäder geschlossen, weil sie marode sind, sondern auch, weil nicht genügend Nutzer kommen, weil eine Betreibung nicht kostendeckend erfolgen kann.

Wir können und sollten hier im Haus gern darüber reden. Aber wie es sich mit der Zuständigkeit des Bundes verhält, dürfte allen hier im Haus bekannt sein: Der Bund ist weder für kommunale Sanierungen noch für die Lehrpläne in den Schulen zuständig – leider. Dennoch: Das Problem besteht weiterhin. Schulschwimmen kostet viel Zeit und Geld und genießt in der politischen Willensbildung leider keine hohe Priorität. So kommt es, dass die logistischen Herausforderungen oft kaum zu bewältigen sind. Etliche Schulen liegen gänzlich außerhalb der Reichweite eines Schwimmbades. Bei einer Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde, wie in meinem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, von einer Doppelstunde nur wenig oder keine reale Unterrichtszeit übrig bleiben.

Ich nehme einmal ganz konkret meinen Heimatlandkreis, die Mecklenburgische Seenplatte, den größten Landkreis Deutschlands, größer als das Bundesland Saarland. Uns kommt das Wasser der Seen sprichwörtlich aus den Ohren. Aber öffentliche Badestellen, Rettungsschwimmer und Baden unter Aufsicht – das ist eher selten. Die nächste Schwimmhalle liegt 30 Kilometer entfernt und ist somit für den Schwimmunterricht nicht nutzbar. Dies war, soweit ich mich zurückerinnern kann, aber schon immer so. Ich habe das Schwimmen, genauso wie alle anderen Kinder bei uns in der Gegend, im Sommer gelernt, wenn Luft- und Wassertemperaturen es zuließen.

Auch der personelle Aufwand ist höher als bei Unterrichtsstunden im Trockenen. Bei Schulklassen mit der üblichen Klassenstärke müssen in der Regel mindestens zwei Aufsichtspersonen anwesend sein. Zudem steigen – und das völlig zu Recht – die Anforderungen an die Schwimmlehrer. Ein Rettungsschwimmschein wird heute im Gegensatz zu früheren Zeiten vorausgesetzt, wenn jemand Schulschwimmunterricht erteilen will.

Außerdem: Mögen Baden und Schwimmen in der Freizeit noch Spaß machen, scheiden sich am Schulschwimmen doch die Geister. Mancher Nichtschwimmer fühlt sich im Schwimmunterricht überfordert, hat massive Ängste vor den Tauchübungen oder vor Beckensprüngen. Schulschwimmen ist vermutlich genauso beliebt wie Mathe oder Deutsch.

(Eckhard Pols [CDU/CSU]: Das stimmt so nicht! In MeckPom vielleicht!)

– Nein, überall.

(Eckhard Pols [CDU/CSU]: Nee! Meine Kinder gehen gerne schwimmen!)

Hier müssen Ängste und Hemmungen einfühlsam abgebaut werden.

Viele engagierte Eltern bemühen sich, ihrem Nachwuchs schon vor der Einschulung die Grundzüge des Schwimmens beizubringen. Wenn die Schule kein Schulschwimmen anbietet und es nicht in den Sportunterricht integriert ist, müssen wir als Eltern die Verantwortung dafür übernehmen, dass unsere Kinder die Fertigkeiten, sich im Wasser zu bewegen, erlernen. Meine Eltern haben mir das Schwimmen beigebracht, und ich habe es natürlich auch meinem Sohn beigebracht. Ja, es war eine nervenaufreibende Geschichte, und sicherlich habe ich auch das eine oder andere graue Haar dabei bekommen, aber es hat sich für meinen Sohn gelohnt.

(Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte untermauern, dass die Verantwortung der Eltern hier nicht unterschätzt werden darf. Wir Eltern bringen unseren Kindern selbstverständlich das Laufen, das Radfahren, das Daddeln mit dem Handy bei. Genauso selbstverständlich muss es doch auch sein, dass wir unseren Kindern das Schwimmen beibringen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Dafür braucht man ein Schwimmbad!)

– Nein, dazu reicht auch ein See. – Wer als Kind schon mit dem „Seepferdchen“ zur Schule kommt, der hat wahrscheinlich ein viel größeres Selbstbewusstsein, hat weniger Berührungsängste gegenüber dem nassen Medium als Gleichaltrige, die vielleicht noch keine solchen Erfahrungen gemacht haben.

Ich möchte an dieser Stelle die Möglichkeit nutzen, mich bei der DLRG und der Wasserwacht des DRK in meinem Heimatland zu bedanken, die im Sommer und in den Ferienzeiten die Rettungskurse und die Schwimmkurse übernehmen. Vielen Dank für eure Arbeit!

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster spricht Josef Rief für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7121874
Wahlperiode 18
Sitzung 239
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Auswirkungen von Privatisierungen und Schwimmbadschließungen
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