21.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 239 / Tagesordnungspunkt 6

Susanne MittagSPD - Einsatz in internationalen Polizeimissionen 2016

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2016 waren über 300 Polizistinnen und Polizisten in 17 unterschiedlichen Polizeimissionen. Dazu kamen 2016 – die Zahlen sind jetzt schon wieder anders – rund 800 deutsche Beamte, die bei Frontex im Einsatz waren. Die Erfordernisse steigen; das sehen wir hier alltäglich. In einigen Ländern ist man schon startklar.

Heute hat das Bundeskabinett beschlossen, dass zukünftig bis zu zehn Polizisten für die OSZE-Beobachtermission in die Ukraine entsandt werden. Bisher war es nur einer. Das ist also eine enorme Steigerung, und das zeigt, dass die Polizeimissionen immer wichtiger und eben auch zahlreicher werden.

Im Februar dieses Jahres habe ich zusammen mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, meiner Kollegin Edelgard Bulmahn, deutsche Polizisten bei ihrem Einsatz in Mali besucht. Das waren schon beeindruckende Tage. Bei über 35 Grad – im Sommer ist es dort bis zu 50 Grad heiß – haben wir einen ganz kleinen Teil der Herausforderungen kennengelernt, denen die deutschen Polizisten in Mali ausgesetzt sind. Ich sage bewusst: nur einen ganz kleinen Teil; denn wir waren nur vier Tage dort. Was mich an diesem Besuch am meisten beeindruckt hat, waren der Enthusiasmus und die Einsatzbereitschaft, mit denen die deutschen Polizisten und Polizistinnen dort gearbeitet haben – unter schwierigsten Bedingungen und in einer vollkommen fremden Kultur.

Wenn ich in meinem Wahlkreis berichte, dass ich deutsche Polizisten bei ihrer Mission in Mali besucht habe, dann löst das natürlich immer großes Erstaunen aus. Viele wissen zwar, dass die Bundeswehr an Auslandseinsätzen teilnimmt. Aber Polizisten? „ Warum denn das?“, ist dann meist die Frage. „ Sollten sie nicht besser hier für Sicherheit sorgen?“, ist dann die nächste Frage. Darauf kann ich nur antworten: Das tun sie, auch und gerade bei internationalen Polizeimissionen.

Sehen wir uns das Beispiel Mali einmal genauer an. Dort sind deutsche Polizisten gleich in zwei Missionen für die Ausbildung und das Training von malischen Sicherheitskräften eingesetzt: zum einen in der europäischen Mission EUCAP Sahel Mali und zum anderen im Rahmen der MINUSMA-Mission der Vereinten Nationen. Dabei geht es wirklich um ganz elementare Dinge der Polizeiarbeit, zum Beispiel dass ein Geständnis in einem Verhör kein Sachbeweis ist und dass eine Tat damit noch lange nicht aufgeklärt ist. Dazu gehören Tatortarbeit, Spurensuche und Auswertung. So etwas lehrt man da.

Gut ausgebildete Polizisten, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handeln und sich nicht als instrumentalisierter Arm der Machthaber verstehen, schaffen Vertrauen. Deutsche Polizisten und ihre Ausbildung genießen international einen hervorragenden Ruf. Sie vermitteln ihr Verständnis von einer bürgernahen Polizei, die im Dienste der Bevölkerung steht, an die lokalen Polizeikräfte weiter. Zusammen mit einer Entwicklungszusammenarbeit verbessern deutsche Polizisten die Situation vor Ort und geben den Menschen die Möglichkeit, in ihrer Heimat zu überleben. Das unterstützt auch in Deutschland die Sicherheitslage.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei dieser riesigen Aufgabe muss allerdings allen klar sein: Das ist ein sehr langer Weg. In einigen Ländern sieht man, wie lange das dauert und dass das nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Da ich gerade von Entwicklungszusammenarbeit spreche: Diese ist oft nur möglich, weil Polizisten und auch die Bundeswehr in Einsatzländern helfen, die Situation zu stabilisieren. Ohne deren Präsenz wäre es für die Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, für die Nichtregierungsorganisationen und für andere Organisationen oftmals zu gefährlich, dort zu arbeiten.

Ausgangspunkt dieser Debatte war aber ein Antrag vom September vergangenen Jahres, den meine Kollegin Edelgard Bulmahn mit sehr viel Leidenschaft und Ausdauer zusammen mit anderen Kollegen vorangetrieben hat: „Deutsches Engagement beim Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in internationalen Friedensmissionen stärken und ausbauen“. Wir haben darin unter anderem beschlossen, dass wir als Deutscher Bundestag jährlich über die internationalen Polizeimissionen unterrichtet werden – das war vorher nicht so – und auch darüber debattieren; das machen wir jetzt. Das ist eine Form der Wertschätzung des Parlaments, die hoffentlich in der Bevölkerung das Bewusstsein für den wichtigen Einsatz der Beamtinnen und Beamten stärkt. Nun stehen wir hier und debattieren genau diesen Bericht der Bundesregierung.

Ein weiterer Punkt dieses Antrages war allerdings die Einrichtung eines Fachgebietes bei der Deutschen Hochschule der Polizei. Da sind wir auf einem guten Weg. Wir haben in den Beratungen für den Haushalt 2017 die Mittel für insgesamt sieben Stellen beschlossen. Die Ausschreibung für die Leitungsstelle – das soll ein erfahrener Polizist oder eine erfahrene Polizistin sein – läuft. Ich hoffe auf eine baldige Besetzung der Stellen. Dann kann es dort richtig losgehen.

Die wissenschaftliche Begleitung der Polizeimissionen ist enorm wichtig; denn so können gewonnenes Wissen und Kompetenzen für zukünftige Einsätze noch besser ausgewertet und noch professioneller weitergegeben werden. Wir können es uns einfach nicht leisten, die gemachten Erfahrungen nicht zu nutzen, seien es auch nicht so gute Erfahrungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD])

Die Einrichtung dieses neuen Fachgebiets bei der Deutschen Hochschule der Polizei ist ein wirklicher Erfolg des Antrags aus dem vergangenen Jahr – das wäre sonst nicht passiert – und fördert das Verständnis von zukünftigen Führungskräften; da ist nämlich noch ein bisschen Luft nach oben. Bei anderen Forderungen gilt es wohl noch etwas Arbeit zu investieren. Ich möchte ein paar Bereiche nennen. Auch da, Herr Minister de Maizière, ist noch Luft nach oben, und auch da ist Ihr Einsatz erforderlich.

Wir brauchen eine Bund-Länder-Vereinbarung zur Verbesserung der rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für die internationalen Polizeimissionen. Es geht wieder einmal ums Geld. Ich weiß, einige Forderungen wurden auch schon in die neuen Leitlinien für die gemeinsame Beteiligung des Bundes und der Länder an internationalen Polizeimissionen aufgenommen, zum Beispiel die Entsendung auf bis zu 24 Monate auszudehnen. Das ist schon einmal ein Anfang, aber eben nur ein kleiner. Das reicht noch nicht.

Wir Innenpolitiker der SPD können uns zum Beispiel einen sogenannten virtuellen Stellenpool vorstellen. Was ist das? Über diesen Stellenpool sollen durch den Bund Personalreserven für die Bundesländer finanziert werden. Denn der in Mali eingesetzte Polizist fehlt derzeit auf seiner Heimatdienststelle. Dafür gibt es bisher keinen Ersatz, weder personell noch finanziell. Es fördert nicht gerade die Begeisterung innerhalb dieser Dienststelle, wenn ein Kollege für ein, zwei Jahre nicht vor Ort ist und die Arbeit auf die restlichen Schultern verteilt wird. Auch der Dienstvorgesetzte ist, ganz vorsichtig ausgedrückt, oft eher zurückhaltend begeistert. Auch im Bereich der Beurteilung wirkt sich das nicht positiv aus. Das zu verbessern, wäre ein Beitrag dazu, die Attraktivität solcher Einsätze zu steigern, und zwar bei den eingesetzten wie auch bei den zu Hause gebliebenen Kollegen und Vorgesetzten.

Eine weitere Sache liegt mir wirklich am Herzen: Wir wissen alle, dass die Bezahlung der Länderpolizeien in den Händen der Länder liegt und dass es zum Teil erhebliche Unterschiede bei der Bezahlung zwischen den einzelnen Dienstherren gibt. Das hat seine Gründe; die müssen wir jetzt nicht diskutieren.

Wenn allerdings Kollegen aus unterschiedlichen Bundesländern und von der Bundespolizei in eine internationale Polizeimission gehen, dann müssen die Bedingungen für alle deutschen Polizisten gleich sein: bei Bezahlung, Urlaub, Gesundheitsversorgung und auch in einem Schadensfall. Die Polizisten vertreten die Bundesrepublik Deutschland insgesamt im Ausland.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Dann sind wir uns ja einig. – Sie sind im Bundesinte­resse im Auslandseinsatz – aufgrund von Vereinbarungen, die vom Bund international geschlossen wurden –, und sie halten alle zusammen im Ernstfall sozusagen ihren Kopf hin. Das ist auch ein Aspekt im Rahmen der Konnexität. Der Bund hat die Verträge geschlossen.

Es darf einfach nicht sein, dass ein Polizist am Ende des Monats mehr Geld erhält als sein Kollege oder seine Kollegin in der identischen Besoldungsstufe oder Eingruppierung. Das ist eine Frage der Fairness, der Anerkennung und auch der Fürsorgepflicht. Ja, die Fürsorgepflicht ist immer noch Aufgabe und Verpflichtung des Dienstherrn.

Die bestehenden Unterschiede zwischen den Bundesländern müssen bei einer internationalen Polizeimission durch den Bund zumindest ausgeglichen werden. Dabei ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner die Richtschnur, sondern das jeweils höhere Niveau. Wir wollen das Ganze ja nicht herunterdotieren.

Alle Beamtinnen und Beamten in internationalen Polizeimissionen haben sich freiwillig gemeldet, um sich weit weg von zu Hause für die Sicherheit und den Aufbau von rechtsstaatlichen Strukturen einzusetzen, sei es, wie gesagt, schon in Mali, Afghanistan oder Kosovo, sei es unter dem Mandat der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der OSZE. Daher ist es einerlei, ob es Polizisten der Bundespolizei oder der Landespolizei sind.

Herr de Maizière hat schon Herrn Wehe, den langjährigen Vorsitzenden der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Internationale Polizeimissionen“ begrüßt, der zusammen mit Kollegen die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt verfolgt. Das zeigt, wie wichtig das auch für die Kollegen ist. Vielen Dank für Ihr Interesse an der Debatte!

Viel mehr möchte ich mich bei Ihnen und all Ihren Kolleginnen und Kollegen bedanken, die sich freiwillig zu diesen internationalen Polizeimissionen melden und den Einsatz auch immer wieder fortführen. Ihr Einsatz hilft den Menschen direkt vor Ort in den Einsatzgebieten. Damit bekämpfen Sie Fluchtursachen und verhindern, dass sich noch mehr Menschen auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa begeben. Dass diese Menschen nicht elendig in der Sahara verdursten oder im Mittelmeer ertrinken, das macht den Einsatz wertvoll.

In diesen Dank schließe ich auch ganz ausdrücklich Ihre Familien mit ein. Denn viele Polizistinnen und Polizisten im Auslandseinsatz haben – wie überraschend – auch Familie. Wenn sich ein Elternteil zu solch einer Mission meldet, bleibt das andere Elternteil mit allen Verpflichtungen und Belastungen, die eine Familie für einen bereithält – sie sind zwar schön, aber es sind eben trotzdem Belastungen –, für längere Zeit zurück. Es ist eine Belastung für Beziehungen, Freundschaften, Eltern und Kinder. Deshalb finde ich es richtig und wichtig, dass das Bundesinnenministerium am 16. Juni dieses Jahres erstmals bei einer Feierstunde für die aus dem Ausland zurückgekehrten Beamtinnen und Beamten des Bundes und der Länder die Familien in den Mittelpunkt gestellt hat. Der Filmpark Babelsberg war der richtige Ort für eine Feierstunde und hat, denke ich, auch gerade den Kindern der Beamten und Beamtinnen eine tolle Umgebung geboten. So sollten die Feierstunden in Zukunft stattfinden.

(Beifall bei der SPD)

Sie sollten die entsandten Polizisten ehren und die Leistung von ihnen und ihren Familien anerkennen. Denn ohne die Unterstützung der Familie könnte Deutschland seinen internationalen Verpflichtungen überhaupt nicht nachkommen. Das ist bei der Bundeswehr so, bei der Polizei und auch bei den Mitarbeitern der Nichtregierungsorganisationen, die immer leicht vergessen werden. Wir wissen Ihren Einsatz sehr zu schätzen und wollen ihn weiter unterstützen – mit verbesserten Einsatzbedingungen, öffentlicher und dienstlicher Anerkennung, ohne finanzielle oder beurteilungsbedingte Nachteile und durch eine öffentliche Debatte über diesen bislang sehr unterschätzten Bereich der inneren Sicherheit, so wie heute.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Kollegin Dr. Franziska Brantner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7121923
Wahlperiode 18
Sitzung 239
Tagesordnungspunkt Einsatz in internationalen Polizeimissionen 2016
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