Hans-Peter UhlCDU/CSU - Einsatz in internationalen Polizeimissionen 2016
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Recht hat die Europäische Union 2012 den Friedensnobelpreis erhalten. Die EU-Mitgliedstaaten tragen wesentlich zu den Friedens- und Stabilisierungsprozessen in verschiedenen Staaten der Welt bei. Auch der verstorbene Bundeskanzler Helmut Kohl hat immer wieder die Verantwortung des vereinigten Deutschlands für das friedliche Zusammenleben der Völker und die friedensstiftende Wirkung des europäischen Einigungsprozesses hervorgehoben. In der Tat verlangt die konfliktgeladene Realität von heute eine stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der EU. Kriege, Krisen und Konflikte, die heutzutage häufig hybrid sind und durch Cyberangriffe begleitet werden, haben die aktuelle Weltlage komplexer und gefährlicher gemacht als zu Zeiten des Kalten Krieges. Nicht nur in Syrien tobt ein Bürgerkrieg. Der ganze Nahe Osten ist ein Pulverfass, Stichwort „Katar“.
Die amerikanische Administration wird heute von einem irrlichternden Präsidenten geführt, der von der Europäischen Union erkennbar nicht viel hält. Unter dem russischen Präsidenten Putin erleben wir die Rückkehr zu einer aggressiven und destabilisierenden Weltmachtpolitik Russlands. Die Maghreb-Staaten sind Transitländer für afrikanische Armutsmigration und befinden sich selbst in einem labilen Zustand. Schauen Sie auf Libyen, dann wissen Sie, wovon ich rede. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Europäischen Union entwickelt sich die Türkei unter Erdogan weg vom Prinzip eines demokratischen Rechtsstaates. Das ist die Realität, in der wir heute leben.
Wie können wir auf diese sicherheitspolitischen Herausforderungen reagieren? Da unterscheiden wir uns, Frau Jelpke. Mit verstärkten zivilen und militärischen Mitteln müssen wir Krisenprävention, Krisenbewältigung und Konfliktnachsorge ermöglichen, mit beiden Mitteln zusammen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Susanne Mittag [SPD])
Zugegeben, mit militärischen Interventionen allein werden wir Konflikte nicht lösen. Sie werden dadurch teilweise eher vergrößert. Das haben wir in Afghanistan, in Libyen und im Irak erfahren. Daher ist die derzeitige 2-Prozent-Diskussion über den isolierten Anteil von Rüstungsausgaben ausgesprochen töricht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
– Ich freue mich, dass ich hier die Zustimmung von den Grünen bekomme. Es hat lange gedauert in meinem politischen Leben, bis ich die Zustimmung von dieser Seite bekomme.
(Heiterkeit – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Auf deine alten Tage!)
Nation-Building, Friedenserhaltung und Konfliktverhütung, Armutsbekämpfung durch Berufsausbildung, umweltschützende, nachhaltige Entwicklung sind die wichtigsten Ziele eines umfassenden Ansatzes; um diesen müssen wir uns kümmern. Seit 25 Jahren dienen deutsche Polizisten dem Frieden und der Sicherheit im Rahmen verschiedener internationaler Missionen. Zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und humanitären Missionen arbeiten sie friedensstiftend gemeinsam dort, wo Hilfe gebraucht wird, wo die Demokratisierungsprozesse und die Transformationsprozesse langsam und schmerzhaft und natürlich auch nicht immer erfolgreich verlaufen; das geben wir gerne zu.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Aber so was gehört in den Bericht rein!)
Alle Welt fordert die Bekämpfung von Fluchtursachen. Ich möchte deshalb betonen: Die internationalen Polizeimissionen sind ein Schlüssel zur Bekämpfung der Fluchtursachen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Diktatorische Regime, Armut, Minderheitenverfolgung, religiöse Konflikte, Korruption und organisierte Kriminalität treiben Millionen von Menschen aus Afrika weg. Sie verlassen ihre Heimat und sind auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa. Diese Probleme sind der Grund zur Flucht, und sie können nur vor Ort erfolgreich bekämpft werden.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Mit der Polizei?)
Hilfe zur Selbsthilfe ist also das Gebot der Stunde. Lassen Sie es mich mit dem chinesischen Philosophen Konfuzius sagen:
Gib einem Mann einen Fisch, und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann, zu fischen, und du ernährst ihn für das ganze Leben.
Darum geht es.
Das Gewaltmonopol des Staates, ausgeübt durch die Polizei – durch wen sonst? –, verhindert Selbstjustiz, garantiert Sicherheit und Ordnung. Im Rechtsstaat unterliegt jeder staatliche Zwang dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Dieses praktizierend gewinnt die Polizei das Vertrauen der Bürger, und der Polizist wird zum Freund und Helfer.
In vielen Staaten der Welt – das gebe ich zu – finden wir ein völlig anderes Polizeibild. Wir finden Polizisten, die eher Feind als Freund sind. Dort gibt es eine Polizei, die Teil der organisierten Kriminalität ist. Dort wird die Staatsgewalt zum eigenen Vorteil missbraucht. Das alles gibt es auf der Welt. Unser gesamtes Staatsverständnis wird durch die ersten beiden Sätze unseres Grundgesetzes auf wunderbare Weise postuliert:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Besser kann man unser Verständnis vom Gewaltmonopol des Staates, unser Staatsverständnis nicht beschreiben. Dieses Staatsverständnis ist der Exportartikel Deutschlands. Dieses Staatsverständnis in die ganze Welt zu tragen, ist die Aufgabe der Polizeimissionen. Dafür wollen wir Ihnen ganz herzlich danksagen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Was ist denn mit Afghanistan oder Saudi-Arabien?)
Es ist richtig, dass auch die internationalen Militärmissionen als ein Friedensinstrument hervorgehoben werden. Ebenso wichtig sind aber auch internationale Polizeimissionen. Wie zwei Seiten einer Medaille sind sie Teil eines komplexen, multidimensionalen Ansatzes zur Sicherung von Frieden und Stabilität in der Welt.
Auch der Deutsche Bundestag sollte sich – ich bin für die heutige Debatte dankbar – mit diesen Einsätzen viel häufiger befassen.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Aber nicht am Ende der Legislatur, wenn man sich nicht mehr im Ausschuss damit befassen kann!)
Wir befassen uns mit jedem Militäreinsatz. Auch wenn es dabei nur um ein Dutzend Soldaten geht, wird namentliche Abstimmung gefordert. Aber für diese Polizeieinsätze, die genauso wichtig sind, haben wir im Parlament viel zu wenig Zeit.
Mit dem Dank an die Polizisten möchte ich meine Rede schließen. Es ist meine letzte Rede, die ich im Bundestag halte. Ich wünsche Ihnen allen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Gesundheit. Gehen Sie entspannt in den bevorstehenden Wahlkampf.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das sagt sich leicht!)
Zwar sollten wir Politiker möglichst viele Menschen auf unserem Weg mitnehmen. Andererseits erwarten diese Menschen von uns politische Lösungen und klare Standpunkte, zu denen wir stehen, auch wenn wir wissen, dass wir nicht 100 Prozent der Wähler damit hinter uns bringen. Aber es ist schön, dass man – das ist das Beruhigende an der Demokratie – keine 100-prozentige Zustimmung der Wähler braucht; es reicht die einfache Mehrheit, um eine Regierung bilden zu können. Das wünsche ich insbesondere meiner Fraktion, weniger den anderen Kollegen.
(Heiterkeit – Beifall bei der CDU/CSU)
Mir ist es immer wieder, über 40 Jahre lang, gelungen, die Mehrheit der Wähler zu überzeugen. Dafür möchte ich zum Schluss meiner Rede meinen Wählern von dieser Stelle ganz herzlich danken.
(Beifall im ganzen Hause)
Herr Kollege Uhl, gestatten Sie mir an dieser Stelle ein persönliches Wort. Ich werde das nicht bei allen letzten Reden, die heute gegebenenfalls noch gehalten werden, tun. Ich hatte seit 1998 die Gelegenheit – in diesem Fall natürlich nicht als Präsidentin, sondern als Mitglied des Innenausschusses –, mit Ihnen in ebendiesem Gremium zu arbeiten, und insofern wünsche ich Ihnen auch für die Zukunft alles Gute und darüber hinaus uns allen, egal ob wir weiter im Bundestag arbeiten oder nicht, einen solchen Umgang, wie wir ihn gepflegt haben. Wir haben uns in der Sache nie etwas geschenkt; aber es ist immer mit Respekt vor der Person zugegangen. Ich finde, das ist etwas, was wir entsprechend vorleben sollten. Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit – ich denke, da spreche ich auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen – und alles Gute!
(Beifall)
Wir fahren fort in der Debatte. Das Wort hat der Kollege Dr. Lars Castellucci für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7121930 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 239 |
Tagesordnungspunkt | Einsatz in internationalen Polizeimissionen 2016 |