Georg NüßleinCDU/CSU - Reform der Pflegeberufe
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Reform der Pflegeausbildung ist der Schlussstein in einer Reihe von Pflegegesetzen, mit denen wir die Pflege reformiert haben. Sie ist der Schlussstein, der am schwierigsten zu setzen war. Wir hatten im Mai des letzten Jahres eine Anhörung zu dem Thema und haben erleben müssen, dass die Fachwelt tief gespalten bei der Frage ist, ob wir in Zukunft die Ausbildung spezialisiert machen oder generalistisch und breit halten wollen.
Wir haben in der Tat in der sich anschließenden Diskussion innerhalb der Fraktionen auf die Bedenken, die uns vorgetragen wurden, reagiert. Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich, weil es Forderungen gab, noch einmal eine Anhörung durchzuführen: Dieses Anliegen ist dadurch obsolet, dass wir auf das eingegangen sind, was uns damals vorgetragen wurde.
Ich möchte am Anfang meiner Rede ganz herzlich meinem Kollegen Lauterbach für eine verlässliche Zusammenarbeit – nicht nur in diesem Punkt – danken. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen, Herr Lauterbach, damit schade.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Natürlich!)
Das kann ich nicht beurteilen. Nehmen Sie es als unvermeidbaren Kollateralschaden und nicht als bedingten Vorsatz. Wir haben gemeinsam eine ganze Menge in der Gesundheitspolitik bewirkt.
Wenn ich davon spreche, dass die Reform der Pflegeausbildung der Schlussstein ist, dann muss ich etwas ausholen, um auf das Gewölbe insgesamt einzugehen; denn Pflege war das Topthema dieser Legislatur. Ich danke an dieser Stelle ganz herzlich dem Gesundheitsminister dafür, dass er die Akzente so gesetzt hat. Ich danke ihm auch für seine Kompromissbereitschaft in diesem heute zu beratenden speziellen Punkt. Ich möchte in den Dank die Kollegin Schön einschließen, die Berichterstatterin ist, sowie die Kollegen Irlstorfer, Rüddel und Riebsamen, die ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass wir heute an diesen Punkt kommen. Vielen herzlichen Dank!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD] – Petra Crone [SPD]: Wir waren auch beteiligt!)
– Natürlich gilt das ganz genauso, Frau Crone, mit der gleichen Herzlichkeit für die Arbeitsgruppe der SPD.
(Zurufe von Abgeordneten der SPD: Ah!)
Aber ich gehe jetzt einmal davon aus, dass der Kollege Lauterbach, der dafür zuständig ist, in seiner Rede noch entsprechend darauf eingehen wird.
(Zuruf von der SPD: Wir sagen dazu nichts!)
Ich gehe jetzt auf die Verbesserungen ein, weil sie eine Rolle spielen, also entscheidend sind. Wir haben die Rahmenbedingungen für die Pflege, insbesondere für diejenigen, die täglich einen harten Job auf diesem Gebiet machen, deutlich und erkennbar verbessert. Wir haben dafür gesorgt, dass im Krankenhausbereich ein Pflegepersonalzuschlag von insgesamt 500 Millionen Euro bereitgestellt wird, um sicherzustellen, dass die Personalkosten in Zukunft kein Steinbruch mehr sind, um Geld zu sparen. Wir haben ein Pflegestellen-Förderprogramm mit einem Umfang von 660 Millionen Euro aufgelegt. Wir haben zur Tariflohnschere gesagt: Die Tariferhöhungen werden zur Hälfte refinanziert. Wir werden gemeinsam mit der Selbstverwaltung eine Personaluntergrenze definieren, damit in pflegeintensiven Bereichen keine Unterbesetzungen vorkommen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Tarifbezahlung in der Altenpflege nicht mehr als unwirtschaftlich hingestellt wird.
(Mechthild Rawert [SPD]: Hart erkämpft! – Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben dafür gesorgt, dass vorsätzliche personelle Unterdeckungen sanktioniert werden. Da wir das gemeinsam mit der SPD gemacht haben, wundere ich mich über die Zwischenrufe an dieser Stelle.
(Petra Crone [SPD]: Wir haben nur gelacht!)
Wir haben dafür gesorgt, dass die unterstellten Personalkosten von den Einrichtungen nicht nur angemessen nachgewiesen, sondern auch tatsächlich gezahlt werden. Außerdem haben wir dank dem Pflegebeauftragten auch dafür gesorgt, dass es zu einer Entbürokratisierung in der Pflegedokumentation kommt.
Warum erzähle ich das einleitend, bevor ich auf den Gesetzentwurf als solchen eingehe? Mich hat in der Diskussion vieles geärgert – das sage ich ganz ehrlich –, insbesondere dass die, die ganz besonders für die Generalistik waren, eigentlich nur berufspolitische Argumente vorgetragen haben, obwohl es doch viele gute andere Argumente dafür gibt, eine Ausbildung, die sich in weiten Teilen überschneidet, stärker zu verzahnen. Es gibt auch gute Argumente dafür, übergeordnet auszubilden; schließlich leben wir in einer Zeit, in der es immer mehr Multimorbidität gibt, in der wir mehr Kenntnisse über den Umgang mit Alten in Krankenhäusern brauchen. Für all das gibt es Argumente.
Aber am meisten geärgert hat mich, dass man all jenen, die kritisch mit dieser Thematik umgegangen sind, in die Schuhe schieben wollte, sie wollten den Beruf nicht aufwerten und nicht dafür Sorge tragen, dass die Löhne steigen. Wenn das so wäre, dann hätten wir all die Dinge, die ich gerade beschrieben habe, so nicht gemacht. Dass man uns das so in die Schuhe schieben wollte, war unlauter.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gibt immer noch ein paar, die mit dem Kompromiss, der aus meiner Sicht das Thema „generalistische Ausbildung“ schwerpunktmäßig im Bereich der klassischen Krankenpflege intelligent verzahnt, und mit dem Erhalt des Berufsbildes der Altenpflege und der Kinderkrankenpflege kritisch umgehen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Diese Kritik, die die Opposition nachher in allen Farben vortragen wird, kann eigentlich noch gar nicht vorgetragen werden, weil man noch gar nicht wissen kann, was am Ende kommt. Denn das Entscheidende ist doch, meine Damen und Herren, dass wir hier nur einen Rahmen vorgeben. Dieser Rahmen muss in der nächsten Legislatur – so ist es halt – gefüllt werden mit der Verordnung zu den Lerninhalten, die der nächste Deutsche Bundestag festlegen wird. Wir haben dafür gesorgt, dass das mit Zustimmung des Deutschen Bundestags stattfinden wird, dass das also nicht alleiniges Regierungshandeln bleibt, sondern dass der Bundestag bei dieser wichtigen Frage auch im Boot bleibt. Es ist äußerst wichtig – so glaube ich –, dass das so kommt.
Weiter haben wir dafür gesorgt, dass Hauptschüler und Quereinsteiger mit an Bord bleiben. Das muss und wird sich bei den Lerninhalten niederschlagen. In meinem Bundesland arbeiten bis zu 40 Prozent Hauptschüler in der Altenpflege. Es macht überhaupt keinen Sinn – wie es uns der Deutsche Pflegerat nahegelegt hat –, die ganze Ausbildung so hoch zu hängen, dass wir diese wichtigen Leute, die mit Fachkenntnis, aber auch mit Empathie pflegen, am Schluss verlieren. Das war das eigentliche Anliegen, warum wir diese Reform, Herr Kollege Lauterbach, so gestrickt haben, wie wir sie gestrickt haben. Ich glaube, das ist etwas, was man gar nicht massiv und lange genug hervorheben kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD])
Nun wird es in den Grundzügen so sein, wie ich es schon beschrieben habe: Die Krankenpflege wird durch eine generalistische, breite Ausbildung ersetzt, sodass derjenige, der eine Krankenpflegeausbildung gemacht hat, am Ende beispielsweise auch in der Altenpflege tätig werden kann. Die Alten- und die Kinderkrankenpflege bleiben erhalten, es gibt aber zwei gemeinsame Jahre. Nach diesen zwei gemeinsamen Jahren wählt der bzw. die Auszubildende den weiteren Weg. Im dritten Jahr kann man sich für eine Spezialisierung, etwa als Altenpfleger oder Kinderkrankenschwester, entscheiden oder sich anders orientieren und eine generalistische Ausbildung anstreben.
Diese Wahlfreiheit ist eigentlich der Kern dieses Kompromisses. Nicht die Politik entscheidet, sondern es entscheidet der Arbeitsmarkt, es entscheiden insbesondere diejenigen, die die Ausbildungen absolvieren. Ich glaube, es liegt sehr nahe, das so auszugestalten, und es ist auch richtig, das so zu machen.
Nun weiß niemand, wie diese Entscheidungen ausgehen, aber es gibt schon erste Vorwürfe. Deshalb sage ich Ihnen: Es gibt keinen Automatismus im Gesetz, wie immer behauptet wird. 2020 wird das Gesetz in Kraft treten, und das Ergebnis wird im Jahr 2026 evaluiert. Sechs Jahre später wird also evaluiert, und dann entscheidet der Deutsche Bundestag frei, wie er immer frei entscheidet, in welche Richtung das Ganze gehen wird. Er entscheidet ganz unabhängig, ob er das eine oder das andere fortsetzen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das gegen den Arbeitsmarkt oder gar gegen die Auszubildenden entscheiden wird. Insofern ist mir gar nicht bange, dass das, was in diesem Gesetz angelegt ist, tatsächlich gelingt.
Die große, wichtige Botschaft in dem Zusammenhang ist: Wir schaffen über den Ausbildungsfonds das Schulgeld ab. Es ist unsäglich, dass es noch Bundesländer gibt, die Schulgeld verlangen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt kann man sagen: Das dauert ja noch, bis das Ganze in Kraft tritt. – Ich lege denjenigen, die es bisher noch nicht abgeschafft haben – Nordrhein-Westfalen beispielsweise unter der alten SPD-Regierung –, nahe, das Thema entsprechend zu bearbeiten.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schulgeld gibt es in Nordrhein-Westfalen nicht! Sie haben überhaupt keine Ahnung!)
– Das Schuldgeld gibt es nicht mehr?
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr Herr Laumann hat das Schulgeld hinterlassen!)
– Ja, dann sind wir ja froh – ich traue Ihnen das zu, dass das stimmt –, wenn es abgeschafft worden ist. Wenn der Herr Laumann das schon gemacht hat,
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, der hat es gerade nicht gemacht!)
dann ist das wunderbar. Dann nehme ich alles zurück. Trotzdem bleibt der Hinweis an die Länder, die es noch nicht getan haben
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade NRW hat eine sehr gute Umlage! Das war das Beispiel! Das ist unverschämt, was Sie sagen!)
– ich bin ja nun nicht für die Länder zuständig –, es rechtzeitig zu tun.
Herr Kollege.
Ich bin der Meinung, wir sind hier einen richtigen Weg gegangen. Wir sorgen für eine neue Finanzierungsgrundlage, und wir sorgen für eine inhaltliche Reform. Das wird letztlich von den Auszubildenden – nicht von der Politik – sinnvoll entschieden. Und wenn ich mir das Geschreie hier anhöre, ist es gut, dass das nicht die Politik macht.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Pia Zimmermann das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7122007 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 240 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Pflegeberufe |