22.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 240 / Tagesordnungspunkt 7

Karl LauterbachSPD - Reform der Pflegeberufe

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich noch einmal auf die Probleme zu sprechen kommen, die dieses Gesetz lösen wird, wenn sie auch nicht komplett gelöst werden; aber wichtige Beiträge zu einer Lösung werden geliefert.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland zu den letzten Ländern in Europa gehört, in denen es die geteilte Ausbildung noch gibt. Sie ist medizinisch nicht mehr sinnvoll, weil wir mittlerweile in der Krankenhaus- und der Krankenversorgung zunehmend geriatrische und palliativ zu versorgende Patienten haben, die auch pflegerisch betreut werden müssen. Wir haben in den Pflegeeinrichtungen zahlreiche Patienten, die auch akut krank sind, die an Diabetes leiden, die psychiatrische Erkrankungen haben, die dement sind; auch die Demenz ist eine Erkrankung. Das heißt, hier werden medizinische Kenntnisse in der Zukunft viel wichtiger werden.

Ferner haben wir schon bei Kindern Pflegebedürftigkeit, so bei Kindern, die mit Stoffwechselstörungen geboren werden und dann nach vier oder fünf Jahren pflegebedürftig werden. Zusätzlich haben sie auch die Krankheiten, die Erwachsene entwickeln. Der Altersdiabetes bei Kindern ist zum Beispiel keine Seltenheit mehr, und auch Suchterkrankungen, die wir in der Vergangenheit nur bei Erwachsenen gesehen haben, bekommen schon Kinder. Damit ist klar: Die Bedarfe überschneiden sich immer mehr. Die Ausbildung muss daher ganzheitlich sein.

Ich gebe zu, dass es richtig gewesen wäre, wenn wir die Verordnung für die Lehrinhalte schon fertig gehabt hätten; das ist ganz klar. Aber wir müssen hier auf die Fachverbände vertrauen, die das vorbereiten. Ich stehe mit einigen dieser Verbände in engem Kontakt. Ich bin mir sicher, dass das Wichtigste die gemeinsame Ausbildung ist. Auf dem Weg zur gemeinsamen Ausbildung wird heute der wichtigste Schritt seit zehn Jahren unternommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Heute ist es die Ausnahme, dass jemand, der eine Ausbildung beginnt, weiß, was er in den nächsten 30, 40 Jahren in einem Beruf machen will. Bei einer Ausbildung im Bereich Pflege ist das derzeit aber notwendig: Wenn ich eine Ausbildung im Bereich Kinderpflege absolviere, bin ich festgelegt auf die Kinderpflege, und wenn ich eine Ausbildung im Bereich Altenpflege absolviere, kann ich nicht in der Krankenpflege arbeiten. Das ist nicht zeitgemäß. Durch diese Regelung verlieren wir Zahlreiche, die eigentlich weiter in dem Beruf arbeiten wollen, aber nicht in der Sparte, in der sie ausgebildet wurden. Mit diesem Gesetz haben sie die Möglichkeit, in jedem Bereich der Pflege zu arbeiten. Das ist erstens eine Erweiterung des Spektrums und bietet zweitens bessere Möglichkeiten, eine neue Arbeit zu finden, wenn man sich räumlich verändert, wenn man einfach eine andere Tätigkeit ausüben oder das Gelernte in einem anderen Bereich anwenden möchte. Das ist eine wesentliche Flexibilisierung der Berufsausbildung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

In den nächsten Jahren haben wir jedes Jahr mit mindestens 50 000 zusätzlichen Pflegebedürftigen zu rechnen, netto. Das entspricht einer halben Million in zehn Jahren, und das ist eine ganz konservative Berechnung. Daher muss der Beruf attraktiver werden. Der Beruf wird aber nur attraktiver werden, wenn er auch besser bezahlt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Beruf des Altenpflegers zählt zu den zehn Berufen, die am schlechtesten bezahlt werden.

(Mechthild Rawert [SPD]: Eine Schande! – Gegenruf der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

– Das ist eine Schande. – Das ist ein hochqualifizierter Beruf, der zu schlecht bezahlt wird. Die Angleichung der Ausbildung wird langfristig auch zu einer Angleichung der Tarife führen.

Frau Zimmermann, es hat mich überrascht, dass Sie sich hier ausgerechnet auf den Arbeitgeberverband Pflege beziehen. Er hat doch über Jahre hinweg diese Reform nur bekämpft, damit die Altenpflege nicht zu teuer wird. Das war doch der Grund.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist richtig, dass wir die Personalbemessung eingeführt haben. Wir haben sie im Bereich der Krankenpflege eingeführt, für alle personalintensiven Bereiche. Wir haben das nicht, wie Sie gesagt haben, ab dem Jahr 2020 vorgesehen, sondern ab dem Jahr 2018. Wir haben das ebenfalls für den Bereich der Altenpflege vorgesehen. Somit haben wir dann die entsprechenden Tarife und Personalbemessungen in fast allen bedeutsamen Bereichen der Pflege, einschließlich der Intensivpflege. Das sind doch wichtige Schritte nach vorne.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben den Pflegebedürftigkeitsbegriff geändert.

(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Aber Sie stellen das Personal dafür nicht ein, um das umzusetzen! Das sind doch alles nur Worthülsen!)

Dadurch wird in den Vordergrund gerückt, was der Einzelne noch kann. Auch daran haben wir zehn Jahre gearbeitet.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso seid ihr nicht in der Lage, jetzt eine Verordnung vorzulegen, nach zehn Jahren?)

Es kann doch nicht abgestritten werden, dass dies, in der Summe betrachtet – mit Mehrausgaben für die Pflege von insgesamt 6 Milliarden Euro pro Jahr; das sind 25 Prozent Mehrausgaben in einem Bereich der sozialen Sicherung in einer Legislaturperiode –, eine sehr gute Legislaturperiode für die Pflege – damit meine ich insbesondere die Pflegebedürftigen – gewesen ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich komme zum Abschluss. Auch ich will danken. Ich möchte mich bei Herrn Gröhe bedanken für die sehr gute Zusammenarbeit. Herr Kollege Nüßlein, ich mache das kürzer, um Ihnen nicht zu schaden, um uns beiden nicht zu schaden.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU])

Ich möchte mich aber auch ausdrücklich bei unserer Arbeitsgruppe bedanken. Wir haben einige Drehungen und Wendungen vornehmen müssen. Der Prozess war zum Teil, ich sage mal: spitzenlastig. Aber jetzt haben alle mitgezogen, und wir haben alle gemeinsam ein gutes Ergebnis gefunden. Auch dafür möchte ich ausdrücklich danken.

(Abg. Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Ich wünsche uns eine gute Umsetzung dieser wichtigen Reform.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Da die Redezeit abgelaufen ist, kann ich jetzt keine Zwischenfrage mehr zulassen.

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Nadine Schön für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7122017
Wahlperiode 18
Sitzung 240
Tagesordnungspunkt Reform der Pflegeberufe
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