22.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 240 / Tagesordnungspunkt 8

René RöspelSPD - Technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands

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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schönen guten Morgen! Lieber Kollege Kretschmer, Sie haben nichts Falsches gesagt, wenn Sie eingeführt haben, dass in den letzten zehn Jahren deutlich mehr für Forschung ausgegeben worden ist. Das ist auch gut so. Aber trotzdem ist es nicht wirklich wissenschaftlich, wenn man eine Frage immer nur auf ein bestimmtes Intervall reduziert. Also: Wenn ich ein Blatt mit ganz vielen roten Punkten vor mir liegen habe, und dabei ist ein schwarzer Punkt, ich den schwarzen Punkt herausschneide und um die Ecke gehe und sage, ich habe gerade ein Blatt mit einem schwarzen Punkt gehabt, dann ist das richtig, aber es ist eben auch nicht ganz richtig, weil dieses Blatt viele rote Punkte gehabt hat. Deswegen ist es wissenschaftlich nicht korrekt, nur einen bestimmten Zeitraum oder ein Intervall herauszunehmen – die Mathematikerin Frau Professor Wanka wird das ja vielleicht gleich auch noch ausführen können –, sondern man muss einen breiteren Zeitraum nehmen.

Ich habe das einmal gemacht, habe die letzten 40 Jahre betrachtet. Wer das nachvollziehen will: Ich habe gleich zur Ansicht den Bericht zur Technologischen Leistungsfähigkeit von 1998 für Sie vorliegen – von der damaligen Kohl-Regierung noch gemacht. Da sieht man über die Jahre, wie sich das mit den Investitionen in Forschung und Entwicklung immer als Anteil am Bruttoinlandsprodukt entwickelt. Dabei sieht man ganz gut: In den 80er-Jahren gibt es mehr Investitionen in Forschung und Innovation. – Jetzt ist Herr Riesenhuber weg. Ich hätte ihn gelobt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein! Da ist er! Erste Reihe!)

– Oh, Pardon! Wie konnte ich Sie, so ruhig sitzend, übersehen? – Herr Riesenhuber hat eine gute Tradition sozialdemokratischer Forschungsminister übernommen und weiter ausgebaut.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dann stellt man fest: 1988 bricht die Kurve ab, also zwei Jahre vor der Wiedervereinigung – nicht dass das als Argument kommt! Es geht runter auf das historische Rekordtief in der Ära Kohl/Rüttgers, nämlich 1996/97, wo so wenig wie nie in den Jahrzehnten vorher in Forschung und Entwicklung investiert worden ist.

Dann kommt es wirklich mit der Regierungsübernahme von Rot-Grün. Ab 1999 gehen die staatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung nach vielen Jahrzehnten endlich wieder nach oben.

(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Was richtig gut war!)

Das haben wir in den letzten zwei Jahrzehnten gemeinsam in dieser Koalition bzw. mit den Grünen fortgesetzt. Das ist die richtige Betrachtung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das hat also weit vor der Zeitrechnung 2005 angefangen. Die SPD, die in den letzten zwei Jahrzehnten 16 Jahre mitregiert hat, hat Deutschland wieder zu einem Standort gemacht, an dem mehr Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir freuen uns über jeden, der dabei mitmacht.

Übrigens gab es vier Jahre, in denen wir nicht an der Regierung beteiligt waren. Sie erinnern sich vielleicht daran, was da passiert ist. Da hat die FDP die Mövenpick-Hotelsteuer durchgesetzt, und es hat einen katastrophalen Wandel in der Energiepolitik gegeben. Die Laufzeiten der Atomkraftwerke sind verlängert worden.

(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sind Sie bei der falschen Novelle, oder wo sind wir jetzt?)

Das kostet den Steuerzahler heute 6 Milliarden Euro,

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: 7!)

weil die Brennelementesteuer zurückgezahlt werden muss. Das zahlt leider nicht die Haftpflichtversicherung der Kanzlerin; denn die leistet bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz nicht.

Es geht aber nicht nur darum, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, sondern auch darum, Impulse für Forschung und Entwicklung zu setzen. Tatsächlich war es die SPD, die mindestens zwei wesentliche Impulse gesetzt hat. Noch unter der Forschungsministerin Edelgard Bulmahn, in rot-grüner Zeit, ist der Pakt für Forschung und Innovation, den Herr Kretschmer auch gerade erwähnt hat, auf die Gleise gesetzt worden – mit einem großen Erfolg, weil erstmals seit vielen Jahren und Jahrzehnten sich die Forscherinnen und Forscher in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen darauf verlassen konnten, dass sie in jedem Jahr mehr Geld zum Investieren bekommen: erst 3 Prozent, dann 5 Prozent, jetzt 3 Prozent. Das war ein großer Anschub. Das hat Deutschland wieder attraktiv gemacht, weil man wusste: Hier wird Forschung verlässlich finanziert.

Ein zweiter wichtiger Impuls war die Exzellenzinitiative – sie war sehr umstritten, auch unter einer sozialdemokratischen Bundesbildungs- und -forschungsministerin auf den Weg gebracht –, die eine ungeheure Dynamik in die deutsche Forschungs- und Hochschullandschaft gebracht und Deutschland wieder zu einem sichtbaren Standort von Wissenschaft und Forschung gemacht hat. Auch das ist ein sozialdemokratischer Erfolg.

(Beifall bei der SPD)

Darüber, dass es uns 2007 in der Großen Koalition gelungen ist, den Hochschulpakt auf den Weg zu bringen, weil nämlich die Hochschulen dringend Unterstützung brauchten, um mehr in Hochschulstudiengänge investieren zu können, freuen wir uns gemeinsam mit den Kollegen von der Union. Die große Frage wird sein – der EFI-Bericht 2017 bescheinigt uns nämlich, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen ein großes Problem ist –: Wie werden wir diesen Hochschulpakt nach 2020, wenn er nämlich ausläuft, weiter finanzieren? Wir sind der Überzeugung, dass wir die Hochschulen weiter unterstützen müssen, damit mehr Studienplätze, vernünftig ausgestattet, zur Verfügung gestellt werden können.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben auch in dieser Legislaturperiode eine Reihe von Impulsen setzen können – mit den Kollegen von der Union; ich danke Stefan Kaufmann und einigen anderen, die das mitgemacht haben –, zum Beispiel für ein Thema, das sehr viele Menschen ihr Leben lang interessieren wird, nämlich das Thema Arbeit. Das ist nicht nur eine Frage des Geldverdienens; es geht auch darum, dass man in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt sich selbst zu erarbeiten. Das ist auch eine Frage des Selbstwertgefühls.

Dabei ist die Frage zu stellen: Wie schaffen wir es denn, in einer veränderten Arbeitswelt – Stichwort „Digitalisierung der Arbeitswelt“ – Arbeit so zu gestalten, dass Menschen möglichst lange zufrieden und gesund arbeiten können? Das ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Es gab das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens“ in den 70er-Jahren, sozialdemokratisch initiiert. Herr Riesenhuber, vielen Dank; Sie haben es weitergeführt und ausgebaut. Aber auch das ist zum Ende der 90er-Jahre hin reduziert worden. Wie schaffen wir es also, dass Menschen arbeiten können, ohne dabei kaputtzugehen? Das ist eine große Herausforderung. Wir machen jetzt endlich wieder mehr Arbeitsforschung in diesem Land und bauen ein Projekt auf, damit wir für die Herausforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt gewappnet sind.

Damit einher geht etwas, was uns auch im Bericht der EFI seit Jahren vorgeworfen wird: dass wir zu schlecht aufgestellt sind im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen. Auch das ist ein Bereich, den wir stärker bearbeiten und erforschen lassen wollen. Wie verändern sich Dienstleistungen? Welches große Potenzial an Arbeit, Technologie und Wertschöpfung steckt darin?

Ein dritter Bereich ist die Produktionsforschung. Auch hier gibt es einen großen Wandel. Wie wird künftig produziert? Welche Produkte kommen am Weltmarkt an? Was bedeutet das für eine Fabrik? Was bedeutet das für die Arbeitswelt? Auch hier werden wir mehr investieren. Ich bin sehr froh, dass im Rahmen von ZIM – das ist auch Bestandteil dieses Tagesordnungspunktes – gerade für mittelständische Unternehmen ganz viel kleines Geld zur Verfügung gestellt wird, um neue Produkte zu entwickeln und Material und Werkstoffe zu verbessern.

Am Ende kann man nur sagen: Das ist ein Erfolg, den wir in den letzten Jahren gemeinsam – übrigens mit allen Fraktionen hier – hinbekommen haben und der auch fortgesetzt werden muss. Deswegen schaue ich jetzt in die Zukunft: Wir, die SPD, werden am kommenden Sonntag unser Wahlprogramm beschließen. Wir haben konkrete Vorschläge, wie es weitergehen soll. Gute Forschung ist nur dann möglich, wenn es gut ausgebildete Menschen in diesem Land gibt, und das fängt im Kindergarten und in der Schule an. Insofern ist das Konzept, das Martin Schulz vorgestellt hat, Vorrang für Investitionen in Kitas und Bildung, der richtige Weg. Wir müssen mehr in Schulen investieren, und wir sind sehr der Auffassung, dass die Reichen in diesem Land einen größeren Teil dazu beitragen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, René Röspel. – Nächster Redner in der Debatte: Kai Gehring für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7122188
Wahlperiode 18
Sitzung 240
Tagesordnungspunkt Technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands
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