Stephan HarbarthCDU/CSU - Änderung des Grundgesetzes (Parteienfinanzierung)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!
Gleis 17, Waggon 1, rein und ab.
Mit diesem Satz antwortete im Jahr 2015 ein Kreisrat der NPD auf die Frage von Journalisten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, was mit straffälligen Asylsuchenden geschehen solle.
Das Gleis 17 im Bahnhof Berlin-Grunewald steht heute symbolisch für die Deportation der Berliner Juden. Von dort fuhr der erste Transport, mit dem in den Jahren von 1941 bis 1945 rund 50 00 Berliner Juden vor allem in das Konzentrationslager Theresienstadt und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.
Die widerliche Einlassung des NPD-Funktionärs steht exemplarisch für das Denken und Handeln seiner Partei. Sie missachtet die Menschenwürde, sie will unsere freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen. Ihr biologistischer Rassismus, ihr militanter Antiliberalismus, Antiindividualismus und Antisemitismus begründen eine Wesensverwandtschaft zur NSDAP. Gleichwohl wird die Arbeit dieser Partei bis heute ganz wesentlich aus Steuergeldern finanziert. Denn nach dem Parteiengesetz erhalten alle Parteien, die bei Parlamentswahlen einen bestimmten Anteil von Stimmen auf sich vereinigen, staatliche Mittel zu ihrer Finanzierung. In den letzten Jahren waren das im Falle der NPD mehr als 1,2 Millionen Euro pro Jahr.
Mit dem Gesetz, das wir heute beschließen, werden wir die Grundlage dafür legen, um der NPD diese Finanzierung entziehen zu können. Denn jeder Cent für die NPD ist ein Cent zu viel.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Lange Zeit ist sehr kontrovers diskutiert worden, ob ein solcher Ausschluss von der staatlichen Teilfinanzierung zulässig ist, weil er tief in die verfassungsrechtlich gesicherte Stellung der politischen Parteien eingreift und ihre Chancengleichheit beeinträchtigt.
Diese Kontroverse hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 17. Januar 2017 entschieden, als es darauf aufmerksam machte, dass es dem verfassungsändernden Gesetzgeber sehr wohl freistehe, neben dem Parteiverbot weitere Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Parteien mit verfassungsfeindlichen Zielen zu schaffen.
Der Bundesrat auf der einen Seite, die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf der anderen Seite haben diesen Hinweis mit zwei Gesetzesinitiativen aufgegriffen, die die gleiche Zielsetzung verfolgen. Unser Gesetzentwurf erscheint mir insbesondere deshalb vorzugswürdig, weil er neben dem Wegfall der staatlichen Teilfinanzierung und der steuerlichen Begünstigungen für Parteien auch den Wegfall der steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an verfassungswidrige, aber nicht verbotene Parteien regelt.
Klar ist dabei auch: Der Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien kann nur eines von vielen Instrumenten sein, mit denen sich die wehrhafte Demokratie gegen jede Form von Extremismus verteidigen muss, und zwar gleichgültig, ob dieser Extremismus vom linken oder vom rechten Rand des politischen Spektrums kommt.
Die Möglichkeit des Ausschlusses von der staatlichen Teilfinanzierung ist ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der das rechtsextremistische Personenpotenzial nach einem jahrelangen Rückgang wieder Zulauf erhält und sich sein linksextremistisches Pendant auf einem zu hohen Niveau stabilisiert.
Der Ausschluss einer Partei von der staatlichen Teilfinanzierung greift in gravierender Weise in die verfassungsrechtlich gesicherte Chancengleichheit von Parteien ein. Es bedarf deshalb eines Verfahrens, das so ausgestaltet sein muss, dass nicht einmal der Anschein entstehen kann, dass ein solcher Ausschluss von anderen Parteien instrumentalisiert werden soll, um sich missliebiger Konkurrenz zu entledigen. Es ist deshalb richtig und wichtig, dass allein das Bundesverfassungsgericht über den Ausschluss entscheiden wird und andere Ideen, die zunächst ventiliert worden waren, nicht weiterverfolgt wurden.
In den parlamentarischen Beratungen sind zwei Korrekturen vorgenommen worden. Erstens. Der Gesetzentwurf sah ursprünglich eine Frist von vier Jahren vor, nach deren Ablauf die sanktionierte Partei eine Überprüfung verlangen kann. Wir werden diese Überprüfung nun so ausgestalten, dass es nach einer Frist von sechs Jahren zu einem automatischen Erlöschen des Ausschlusses von der staatlichen Teilfinanzierung kommt – verbunden mit der Möglichkeit für die antragsbefugten Stellen, eine Verlängerung des Ausschlusses zu beantragen. Auf diese Weise bleiben Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag Herren des Verfahrens. Darüber hinaus werden wir – zweitens – durch den Änderungsantrag, den wir im Ausschuss vorgelegt haben, den Ausschluss von der Teilfinanzierung auch auf Ersatzparteien erstrecken, um Umgehungsversuchen entgegenzutreten.
Ich wünsche dem Gesetzentwurf eine breite Zustimmung und würde mich freuen, wenn auch die beiden Oppositionsfraktionen diesen Vorschlägen zustimmen und wir damit gemeinsam die wehrhafte Demokratie in Deutschland stärken können.
Als Unionsfraktion erwarten wir, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes mit einem gründlich vorbereiteten Antrag zeitnah ein Verfahren zum Ausschluss der NPD aus der Teilfinanzierung auf den Weg gebracht wird, und ich persönlich möchte dafür werben, dass dies mit Beteiligung dieses Hohen Hauses geschehen kann.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7122261 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 240 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes (Parteienfinanzierung) |